Credit Suisse in der KriseStimmen von Marktexperten zur Hilfe für CS
Wie Analysten und Ökonomen auf das Kreditangebot der SNB für die angeschlagene Grossbank reagieren.

Die mit einer tiefen Vertrauenskrise kämpfende Credit Suisse greift nach der Rettungsleine der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Die zweitgrösste Schweizer Bank will bei der Notenbank Kredite über bis zu 50 Mrd. Fr. aufnehmen. Zudem will sie eigene Schuldtitel zurückkaufen. Mit diesen Massnahmen soll die Liquidität vorsorglich gestärkt werden.
Analysten und Ökonomen kommentieren die Entwicklung wie folgt:
Caroline Hilb Paraskevopoulos, St. Galler Kantonalbank:
«Entscheidend ist nun, dass das Vertrauen in die Bank zurückkehrt und die Kundschaft ihre Gelder nicht weiter abzieht. Die CS ist solide finanziert, aber viele Marktakteure glaubten ihr das nicht mehr. Die bestehenden Zweifel sollen nun mit Hilfe der Nationalbank zerstreut werden. Diese Woche gab es mit der Pleite der Silicon Valley Bank und zwei weiteren kollabierten Geldinstituten in den USA bereits schlechte Nachrichten aus dem Finanzsektor. Rasch wurden die aktuellen Ereignisse mit der Finanzkrise 2008 verglichen und der Flächenbrand bei den Finanzwerten weitete sich aus. Dass zahlreiche Geldinstitute in Sippenhaft genommen wurden und Kursverluste hinnehmen mussten, erinnert stark an die Dominoeffekte aus der Finanzkrise. Darum ist die Ansteckungsgefahr nicht einfach von der Hand zu weisen. Die Psychologie spielt eine grosse Rolle.
Anders als in der Finanzkrise sind die Probleme der Banken nicht identisch, weshalb die Sippenhaft keinen Sinn ergibt. Sowohl bei der SVB als auch bei der Credit Suisse hat die aktuelle Schieflage viel mit Altlasten und Managementfehlern zu tun. Bei der Credit Suisse waren es fehlende Kontrollsysteme. Bei der Credit Suisse ist die Systemrelevanz gegeben, das ist ein wichtiger Grund für die Unterstützung durch die SNB. Wichtig ist auch, dass die Credit Suisse ihren Schweizer Teil vom internationalen getrennt hat, was in der aktuellen Lage auf der positiven Seite einzuordnen ist. Die Lage ist kritisch, weil im Finanzsektor die Ansteckungsgefahr immer grösser ist als in anderen Sektoren. Aber es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Fehler bei den beiden Instituten nicht vergleichbar sind. In der Finanzkrise haben alle Banken die gleichen Fehler gemacht. Wichtig ist auch die Rolle der Behörden, die versuchen, die Lage zu stabilisieren.»
Daniel Bosshard, Luzerner Kantonalbank:
«Die gemeinsame Stellungnahme von SNB und Finma unterstützt unsere Einschätzung, dass es sich bei der Credit Suisse fundamental um ein intaktes Unternehmen handelt, welches ausnahmslos auch die hohen Anforderungen an systemrelevante Banken bezüglich Kapital- und Liquiditätsanforderungen erfüllt. Wir verorten die aktuellen Probleme bezüglich Liquidität insbesondere im Vertrauensverlust angesichts der Situation im Bankensektor nach der Pleite von SVB sowie der verschiedenen unrühmlichen Vorkommnisse der letzten Tage – zum Beispiel der Verschiebung der Veröffentlichung des Geschäftsberichts. Der Konzernumbau wird weiter fortgesetzt. Es ist aber eine Herkulesaufgabe, die entsprechend Zeit brauchen wird. Wir halten daher aus fundamentaler Sicht an der LUKB-Anlagequalität ‹gut› fest, betonen aber wie bereits seit Längerem nochmals, dass der Titel sich nur für Anleger geeignet ist, die das hohe Risiko eines Totalverlustes bereit sind zu tragen.»
Christian Schmidiger, Zürcher Kantonalbank:
«Die Entscheidung der Finma und SNB dürfte Befürchtungen über negative Auswirkungen im Bankensystem verringern. Die LCR der CS dürfte mit der zur Verfügung gestellten Liquidität erhöht worden sein. Es bleibt fraglich, welche Auswirkungen die Mitteilung der SNB auf die Dynamik der Abflüsse von Kundengeldern bei der CS hat.»
Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldwirtschaft, Universität Freiburg:
«Die Credit Suisse ist mit einem doppelten Vertrauensverlust konfrontiert, zum einen auf den Finanzmärkten und zum anderen bei den Einlegern. Die Unterstützung der SNB, die viel Geld auf den Tisch legt, soll dazu beitragen, das Vertrauen der derzeitigen und potenziellen Aktionäre sowie der Kunden zurückzugewinnen. Es bleibt abzuwarten, was die Bank daraus machen wird, aber es sind diese beiden Säulen, an denen angesetzt werden muss. Aber selbst mit dem Kredit der SNB wird die Credit Suisse alle ihre Probleme in einer Woche nicht gelöst haben.»
Stephen Dover, Franklin Templeton Institute:
«Die Nervosität auf dem Markt hat dazu geführt, dass die Credit Suisse und ihre Fähigkeiten, die kommenden Herausforderungen zu meistern, angezweifelt werden. Die Credit Suisse ist eine Grossbank, die seit einigen Jahren ein schlechtes Risikomanagement hat und dabei ist, sich nun verkleinert. Das neue Management der Bank erst am Anfang eines dreijährigen Turnarounds, der eine radikale Umstrukturierung vorsieht. Auch wenn es keinen grundlegenden Anlass zur Besorgnis gibt, wird dies für die Credit Suisse eine schwierige Zeit werden.»
Susannah Streeter, Hargreaves Lansdown:
«Die Ankündigung, dass die Credit Suisse Notfallmittel der Schweizerischen Nationalbank in Anspruch nehmen wird, unterstreicht, wie fragil die Bank geworden war, nachdem der Abzug von Einlagen immer schneller voranschritt und das Vertrauen schwand. Sie verdeutlicht auch, wie schnell der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank den Bankensektor erschüttert und Investoren, die Schwachstellen bei anderen Instituten entdeckt haben, dazu veranlasst hat, sich aus dem Markt zu verabschieden. Das Rettungspaket in Höhe von 54 Mrd. $ dämpft die Sorgen über einen grösseren Ansturm auf die Credit Suisse und die Auswirkungen auf andere Institute in der ganzen Welt. Das Systemrisiko für den Sektor wird nach wie vor als gering eingeschätzt, da grössere Banken durch die Finanzkrise grössere Kapitalpuffer aufgebaut haben und über stabile Einlagen verfügen.
Die Zentralbanken befinden sich nun in einer Zwickmühle. Sie sind immer noch sehr besorgt über die hohe Inflation, aber neue Zinserhöhungen bergen die Gefahr, dass sie zu neuer finanzieller Instabilität führen. Die politischen Entscheidungsträger der EZB müssen heute die schwierige Entscheidung treffen, ob sie die Zinssätze wie geplant um 0,5 % anheben und ihre Inflationsbekämpfungsstrategie beibehalten oder ob sie eine weichere Gangart einlegen, um die fieberhafte Stimmung zu beruhigen. Es sieht immer wahrscheinlicher aus, dass sich die Entscheidungsträger für eine abgeschwächte Anhebung um 0,25 % entscheiden werden.»
Damien Boey, Barrenjoey:
«Es hilft wirklich. Es beseitigt ein unmittelbares Risiko. Aber es konfrontiert uns mit einer anderen Entscheidung. Je mehr wir dies tun, desto mehr stumpfen wir die Geldpolitik ab, desto mehr müssen wir mit einer höheren Inflation leben – und wie hoch wird sie sein? Machen Rettungsaktionen die Dinge besser? Einerseits beseitigt man eine Risikoquelle für die Märkte, die eine klare und aktuell Gefahr darstellt. Andererseits verstärken wir das Paradigma, dass sich die Geldpolitik in sich selbst verrennt.»
JP Morgan:
«Nach den Bedenken der Marktteilnehmer gegenüber der Credit Suisse sind denken wir, dass die Kapitalausstattung der CS nicht das Problem ist, sondern dass es sich bei der Situation der CS um anhaltende Vertrauensprobleme des Marktes mit ihrer Investmentbanking-Strategie und der anhaltenden Erosion der Marke handelt. Unseres Erachtens nach ist der Status quo keine Option mehr, da die Schwäche der Kredit- und Aktienmärkte zeigt, dass die Gegenparteien zunehmend Bedenken haben. Unserer Ansicht nach ist ein Abwicklungsszenario sehr unwahrscheinlich und eine Intervention wahrscheinlicher. Wobei die Option einer Übernahme, insbesondere durch die UBS, das wahrscheinlichere Szenario ist.»
Andreas Venditti, Bank Vontobel:
«Nach der gestrigen extremen Volatilität der Aktienkurse haben die Schweizer Behörden ihre Unterstützung angeboten. Dies ist ein starkes und wichtiges Signal. Wir hoffen, dass die Massnahmen die Märkte beruhigen und die Negativspirale durchbrechen werden. Die in den USA gehandelten ADRs der CS stiegen nach der Erklärung um circa zehn Prozent. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis das Vertrauen in die Marke wieder vollständig hergestellt ist.»
Dieter Münchow und Georg Messner, Bayern LB:
«Credit Suisse wurde in Europa zum Opfer der Ansteckungsgefahren der Liquiditätsnöte im US-Bankensystem. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Lehmann, konnte mit einer Kapitalerhöhung im vierten Quartal 2022 und mit dem zusätzlichen Ankerinvestor Saudi-Arabien (knapp zehn Prozent Anteil), nicht das erforderliche Vertrauen wiedergewinnen. Erst gestern beteuerte dieser nochmals, staatliche Unterstützung sei kein Thema. Der Chef der Saudischen National Bank antwortete zudem auf die Frage, ob er bereit sei, die CS erneut mit zusätzlicher Liquidität zu unterstützen: ‹Auf keinen Fall, und zwar aus vielen Gründen…'. Beide Herren scheinen die Logik der Kapitalmärkte und das Vertrauen als Basis für Finanzinvestments zu ignorieren.
Kurz vor dem Hexensabbat im März und den nächsten Sitzungen der EZB heute und der Fed am 22. März verharren die Märkte für Risikoaktiva im volatilen Modus. Ab nächster Woche sollte sich getrieben durch die breitgefassten staatlichen Stützungsmassnahmen für das US-Bankensystem das Fahrwasser wieder beruhigen. Schliesslich munkelt man auch schon, dass die EZB ähnlich der Fed ein anonymes Kreditprogramm zur Liquiditätsüberbrückung auflegen will.»
REUTERS/AWP
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