Börsenbericht vom 31. Januar 2023Anleger ziehen sich vor Fed und EZB aus Schweizer Aktien zurück
Die Anspannung vor den Zinsentscheiden hat die Schweizer Börse am Dienstag geschwächt.

Der Schweizer Aktienmarkt hat am Dienstag schwächer geschlossen. Dabei konnte der SMI im Verlauf aber noch Boden gutmachen und sich deutlich vom Tagestief absetzen. Vor der mit Spannung erwarteten Zinsentscheidung der US-Notenbank am Mittwochabend und der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der Bank of England (BoE) am Donnerstag verhielten sich die Anleger vorsichtig. Viele Anleger schritten zu Gewinnmitnahmen nach dem starken Anstieg der Börsen seit Jahresanfang. Die Marktteilnehmer hatten auch eine Reihe von Firmenergebnissen und Konjunkturdaten zu verarbeiten, die unterschiedlich ausgefallen waren.
Die Marktteilnehmer rechnen mit weiteren Zinserhöhungen der Zentralbanken, nämlich +25 Basispunkte vom Fed und +50 BP von der EZB. Dies sei am Markt aber eskomptiert. Allerdings sei die Angst vor dem, was Fed-Chef Jerome Powell am morgigen Mittwoch sagen könnte, gross. Aussagen, dass die aggressiv restriktive Geldpolitik fortgesetzt werden könnte, wären ein echter Stimmungskiller, hiess es am Markt. Darüber hinaus spiele die Berichtssaison eine immer wichtigere Rolle. Im Rahmen des jüngsten Rally seien viele Vorschusslorbeeren vergeben worden. Diese müssten nun von den Unternehmen noch bestätigt werden, heisst es in einem Kommentar. Doch bisher ergebe sich diesbezüglich kein klares Bild, sagte ein Händler.
Der FuW Swiss 50 Index schloss um 0.99% tiefer auf 2194,12 Punkte. Der SMI schloss nach einem Tagestief von 11'239 Punkten um 0,82% tiefer bei 11'285,78 Punkten. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, büsste 0,91% auf 1764,76 und der breite SPI 0,76% auf 14'490,30 Zähler ein. Im SLI beendeten 27 Titel den Handel zu tieferen und drei zu höheren Kursen.
Im Fokus standen die Aktien der UBS (-2,1%), die im Verlauf zwar einen Teil der Einbussen aufholten, aber dennoch klar im Minus schlossen. Dabei hatte die Grossbank mit ihrem Quartalsergebnis die Erwartungen übertroffen. Aber dies sei zum Teil Sonderfaktoren geschuldet, was die Qualität des Ergebnisses schmälere, monierten Analysten. Dabei erwies sich der Heimmarkt in unsicheren Zeiten als grosse Stütze und schnitt im vierten Quartal deutlich über den Erwartungen ab. Im Sog von UBS schlossen auch Julius Bär (-1,4%), deren Zahlen am Donnerstag folgen, und CS (-0,7%) tiefer.
Die grösste Einbusse verbuchten AMS Osram (-4,4%). Bei dem Sensorenhersteller kommt es überraschend zu einem Chefwechsel. Alexander Everke wird nach sieben Jahren als CEO von Aldo Kamper abgelöst. Dies ist der zweite Wechsel an der Spitze des Unternehmen seit Herbst 2022. Das sorgte am Markt für grosse Verunsicherung, was den Kurs deutlich nachgeben liess.
Einbussen gab es auch bei Wachstumswerten wie Sonova (-3,8%), Straumann (-1,7%) oder Lonza (-2,7%). Am Markt war zu Sonova von Umschichtungen in die Aktien des Rivalen Demant die Rede. Wachstumswerte zählten in den ersten Wochen des Jahres zu den grössten Gewinnern. Daher überraschen Gewinnmitnahmen nicht. So auch bei Richemont (-1,4%), die von der Öffnung in China nach der Pandemie und von guten Ergebnissen profitiert hatten, hiess es am Markt. Adecco (-1,2%) hätten im Sog des durchwachsenen Quartalsberichts von Rivale Manpower nachgegeben, sagte ein Händler.
Bei den Schwergewichten notierten Novartis (-0,9%) und Roche (-1,0%) vor den am Mittwoch bzw. am Donnerstag erwarteten Ergebnissen im Minus. ABB (-0,9%) gaben vor dem Quartalsbericht am Donnerstag ebenfalls nach.
Nestlé (+0,3%) waren zusammen mit Kühne + Nagel (+0,2%) und SGS (+0,2%) die einzigen Gewinner im SLI.
Am breiten Markt brachen Idorsia (-9,7%) trotz guter Nachrichten ein. Mit Addex (-6,2%) und Spexis (-7,0%) gaben weitere Biotechtitel nach. Pierer Mobility (-1,2%) waren nach den Jahreszahlen ebenfalls tiefer.
Dagegen legten Landis + Gyr (+1,1%) nach Neuigkeiten vom Kapitalmarkttag zu. Fester waren auch Cosmo (+1,2%), nachdem Berenberg die Abdeckung mit «Buy» wieder aufgenommen hat.
New York: Erholung vor Fed-Zinsentscheid und nach Zahlenflut
Die US-Börsen haben sich nach einem schwachen Wochenbeginn am Dienstag berappelt. Die Anleger mussten dabei nicht nur eine Reihe von Konjunkturdaten sowie eine Flut von Unternehmenszahlen einordnen. Sie warten auch weiter gespannt auf den am Mittwoch anstehenden Zinsentscheid der amerikanischen Notenbank Fed.
Der Dow Jones Industrial zog nach einem verhaltenen Start etwas an und gewann zuletzt 0,25% auf 33 800,86 Punkte. Im zu Ende gehenden Januar steuert der New Yorker Leitindex damit auf ein Plus von 2% zu. Der marktbreite S&P 500 stieg am Dienstag um 0,61% auf 4042,29 Punkte, während es für den am Vortag besonders schwachen technologielastigen Nasdaq 100 um 0,91% auf 12 021,20 Zähler bergauf ging. Hier zeichnen sich sogar Monatsgewinne von 5,3 und knapp 10% ab.
Etliche Experten befürchten allerdings, dass die Erholungsrally nach dem schwachen Vorjahr schon bald ein Ende findet. «Es gibt erste Anzeichen, dass der Zinserhöhungszyklus einen Einfluss hat, nicht zuletzt auf die Ausblicke der Unternehmen», sagte etwa Richard Hunter, Marktexperte von Interactive Investor. Es gebe zunehmend vorsichtige oder sogar negative Prognosen angesichts des steigenden Drucks auf das Wachstum. Am Mittwoch entscheidet die Fed über ihren Leitzins. Es wird damit gerechnet, dass sie ihn um 0,25 Prozentpunkte erhöht, damit aber das Tempo bei den Zinserhöhungen weiter drosselt. Wichtiger als der Zinsschritt werden Äusserungen zur weiteren Entwicklung werden.
Er beobachte im Markt viel Vorsicht, was angesichts der wichtigen anstehenden Ereignisse aber kaum eine Überraschung sei, schrieb Analyst Craig Erlam vom Broker Oanda. Bisher verlaufe die Berichtssaison der US-Unternehmen nicht so gut wie erhofft, und die anstehenden Geschäftsberichte einiger grosser Namen könnten für einen weiteren Stimmungsdämpfer sorgen. Die Unsicherheit über die Konjunkturentwicklung sei zudem schon davor eine Herausforderung gewesen. Ab der Wochenmitte legen mit Meta, Amazon, Alphabet und Apple einige Tech-Riesen ihre Zahlen vor.
Millionenschwere Wertberichtigungen auf das Bahnsegment verhagelten dem erfolgsverwöhnten Baumaschinen- und Nutzfahrzeughersteller Caterpillar das Schlussquartal. Dazu belasteten höhere Kosten und der schwächere US-Dollar. Das bereinigte Ergebnis je Aktie blieb trotz eines Anstiegs hinter den Erwartungen zurück, so dass die Aktien am Dow-Ende weitere 3,5% einbüssten. Vor dem Wochenende hatte sie allerdings noch einen Rekordstand erreicht.
Zweitgrösster Tagesverlierer im Leitindex war McDonald's mit einem Minus von 2,5%. Die Schnellrestaurantkette verbuchte zum Jahresende trotz höherer Preise ein starkes Wachstum und verdiente deutlich mehr als vor einem Jahr. Allerdings enttäuschte die Profitabilität.
Dagegen zogen die Papiere von General Motors (GM) um gut 8% an. Der Autobauer äusserte sich zwar vorsichtig zum laufenden Jahr und geht nur unter guten Bedingungen von einer Gewinnsteigerung aus. 2022 ging der Gewinn unter dem Strich bereits zurück. Zahlen und Ausblick fielen aber besser aus als von Analysten erwartet. Im Kielwasser von GM gewannen die Anteilsscheine der Konkurrenten Ford und Stellantis jeweils über 3%.
UPS erfreute die Anleger mit einem Kursplus von 3,5%. Zwar stellt sich der Paketdienst nach einem überraschenden Umsatzrückgang im vierten Quartal auch im neuen Jahr auf geringere Erlöse ein. Der Konkurrent von Fedex und Deutscher Post DHL zeigt sich damit pessimistischer als der Durchschnitt der Analysten. Der zuletzt erzielte bereinigte Gewinn je Aktie aber überraschte positiv. Für den Rivalen Fedex ging es um 3,3% nach oben.
Die Anteilsscheine des Ölriesen ExxonMobil verteuerten sich nach einem Rekordjahr um 2,2%. Die Enttäuschung, dass der Konzern - im Gegensatz zu Konkurrent Chevron vergangene Woche - vorerst keine neuen Pläne zur Ausschüttung von Gewinnen an Aktionäre vorstellte, blieb damit auf den vorbörslichen Handel beschränkt.
Dem Pharmakonzern Pfizer nützte das coronabedingte Rekordjahr jedoch wenig, wie der Kursrückgang der Aktien um 0,3% zeigte. Der Rückenwind durch die Pandemie dürfte im neuen Jahr spürbar nachlassen, weshalb das Unternehmen mit einem deutlich sinkende Umsatz und Gewinn rechnet.
Den Kurssprung von elf Prozent auf ein Hoch seit September verdankte der Musikstreaming-Marktführer Spotify derweil der erstmals übersprungenen Marke von 200 Millionen Abo-Kunden. Experten sahen sowohl die Nutzerzahlen als auch die Marge über den Erwartungen. Der gegenüber dem Vorjahr ausgeweitete Verlust focht die Anleger nicht an.
Bonds Schweiz: Gut gehalten - Gegenbewegung
Nach Tagen fallender Kurse zeigt sich die Schweizer Obligationenbörse am Dienstag freundlich. Händler sprechen von einer technischen Gegenbewegung. Die wegweisenden Swapsätze, die zuletzt klar über 1,7% gestiegen waren, entspannten sich laut Händlern ebenfalls wieder ein wenig. Vor den Zentralbankterminen am Mittwoch und Donnerstag herrsche allerdings eine gewisse Zurückhaltung.
Am Mittwoch gibt die US-Notenbank Fed die Zinsentscheidung bekannt, gefolgt von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bank of England am Donnerstag. Dabei dürfte das Fed den Leitzins 25 und EZB und BoE um je 50 Basispunkte (BP) erhöhen. Dass die Schweizerische Nationalbank (SNB), die erst im März wieder über ihre Geldpolitik informiert, ebenfalls «ausserplanmässig» aktiv werden könnte, gilt im Markt als eher unwahrscheinlich.
Die SNB dürfte aber laut Ansicht von Händlern im März die Zinsschraube ebenfalls um 25 BP anziehen. Nach Ansicht der SGKB hätte die SNB aufgrund der stabilen wirtschaftlichen Lage und des noch immer tiefen Zinsniveaus (von aktuell 1,00%) die Möglichkeit, den Zins gar um 50 BP zu erhöhen, sollte der Franken zu stark abwerten.
Konjunkturdaten beeinflussen laut Händlern am Berichtstag das Marktgeschehen kaum. Das Wirtschaftswachstum ist im Euroraum im Schlussquartal 2022 weitgehend zum Stillstand gekommen. Die Erosion der Kaufkraft durch eine rekordhohe Inflation habe deutliche Bremsspuren beim privaten Konsum hinterlassen, kommentiert die Commerzbank. In der ersten Jahreshälfte 2023 dürfte die Wirtschaft wohl sogar leicht schrumpfen. Denn dann dürften die Zinsanhebungen der EZB allmählich ihre Wirkung entfalten. Im Jahresdurchschnitt 2023 rechnet die Commerzbank unverändert mit einer Stagnation der Wirtschaft im Euroraum. Nach Ansicht der VP Bank befinden sich Deutschland und Italien bereits in einer Rezession.
Am Primärmarkt hat die Kraftwerke Linth Limmern AG eine vierjährige Anleihe über 100 und eine siebenjährige über 205 Mio. Fr. emittiert. Die Transaktion sei überzeichnet und im Nu platziert gewesen, heisst es am Markt. Die Renditen werden mit 2,302 bzw. 2,737% angegeben.
In den kommenden Wochen dürften vermehrt Unternehmen den Kapitalmarkt anzapfen, heisst es am Markt. Denn viele hätten nun ihre Jahresabschlüsse veröffentlicht und könnten daher auch wieder Anleihen platzieren.
Der März-Conf-Future notiert um 13.30 Uhr um 14 BP höher auf 141,19% nach. Gehandelt sind 7 Kontrakte. Am Vortag war der Conf um 66 BP gefallen. Der für den Markt wegweisende Swiss Bond Index gewinnt 10 BP nach auf 125,28% nach -30 BP am letzten Handelstag.
Von den sieben gehandelten Eidgenossen geben sechs nach und einer notiert fester. Die Rendite zweijähriger Anleihen der Eidgenossenschaft wurde zuletzt mit 1,080 und die der zehnjährigen mit 1,318% angegeben.
Der zehnjährige Kassazinssatz sinkt auf 1,257 von 1,268% am Vortag.
Euro legt zum US-Dollar etwas zu - zum Franken unter Parität
Der Euro hat zum Dollar am Dienstag etwas zugelegt. Am Nachmittag kostete die europäische Gemeinschaftswährung 1.0858 $. Am Vormittag war er noch bis auf 1.0802 $ gefallen.
Zum Franken ist der Euro am Nachmittag unter die Parität gefallen. Aktuell notiert das Währungspaar bei 0.9981 nach 1.0055 im Mittaghandel. Das Aktuelle Niveau des EUR/CHF-Kurs sei angesichts der erwarteten Zinserhöhungen und einer bald wieder wachsenden Wirtschaft in der Eurozone angemessen, schreiben die Experten der ZKB in einem Kommentar. Der faire Wert liege allerdings mittlerweile klar unter der Parität und die Experten sähren den Franken auf Jahressicht zum Euro stärker. Der Dollar wird aktuell leicht tiefer zu 0.9192 Fr. gehandelt.
Konjunkturdaten aus der Eurozone fielen besser aus als erwartet. Im vierten Quartal 2022 stieg das Bruttoinlandsprodukt zum Vorquartal um 0,1%. Volkswirte hatten hingegen im Schnitt einen Rückgang um 0,1% erwartet. Im dritten Quartal war die Wirtschaft um 0,3% gewachsen. Im weiteren Wochenverlauf werden Zinserhöhungen der US-Notenbank und der EZB erwartet.
«Die harten Fakten zeigen, dass sich der gemeinsame Währungsraum über den Winter hinweg schwertut», kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. «In Anbetracht deutlich verbesserter Konjunkturfrühindikatoren war bereits zu vermuten, dass die Rezession ganz ausbleiben würde.» Dies gelte jedoch nicht für alle Mitgliedsländer. Deutschland und Frankreich dürften laut Gitzel bereits in der Rezession stecken.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0.88073 (0.87978) britische Pfund und 141.27 (141.79) japanische Yen fest.
Die Feinunze Gold wurde am Nachmittag in London bei 1928 $ gehandelt. Das waren etwa 5 $ mehr als am Vortag.
Ölpreise tendieren uneinheitlich
Die Ölpreise haben am Dienstag uneinheitlich tendiert. Am frühen Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im März 84.54 $. Das waren 36 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg hingegen um 56 Cent auf 78.46 $.
Derzeit halten sich positive und negative Aspekte am Ölmarkt die Waage. Für konjunkturelle Hoffnung sorgt die Abkehr Chinas von der strikten Corona-Politik. So hat sich der chinesische Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor im Januar deutlich aufgehellt. Für die globale Wirtschaft sind viele Marktteilnehmer aber eher skeptisch, da die starken Zinsanhebungen vieler Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation ihre wachstumsdämpfende Wirkung erst noch entfalten dürften.
Daher verfolgen die Marktteilnehmer die in dieser Woche anstehenden Zinsentscheidungen genau. Mit der US-Notenbank am Mittwoch und der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag beschliessen die beiden Notenbanken über ihrer Geldpolitik. Die Zinsen dürften erneut steigen. Ungewiss ist, in welchem Tempo es im weiteren Jahresverlauf weiter geht.
AWP/REUTERS
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