40% Kursgewinn in wenigen Wochen – Rekordtiefer Auftragseingang für Chip-Ausrüster – PC-Branche hofft auf Erfolg von Windows XP
Stimmungshoch am Nasdaq: Innerhalb weniger Wochen wich abgrundtiefer Pessimismus der Euphorie.
Stimmungshoch am Nasdaq: Innerhalb weniger Wochen wich abgrundtiefer Pessimismus der Euphorie. Seit dem Tiefstand vom 4.April hat das Technologiebarometer annähernd 40% zugelegt. Zwar liegt der Index damit weiterhin 55% unter dem Höchststand vom März 2000. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Erholung nicht zu rasant ausgefallen ist. - Unbestritten ist, dass die Börse die Entwicklung der Realwirtschaft vorwegnimmt. Doch abgesehen von den fünf Zinssenkungen durch das Fed gibt es wenig Argumente für einen Wirtschaftsaufschwung. Die vor kurzem veröffentlichten Zahlen des US-Handelsdepartements deuten an, dass das erste Quartal schwächer ausfällt als bisher ausgewiesen. Das Wirtschaftswachstum wurde revidiert. Ein Nachlassen der Flut von Gewinnwarnungen genügte, um in den vergangenen Wochen vielerorts die Hoffnung aufkeimen zu lassen, das Schlimmste sei nun vorüber. Doch vieles entpuppt sich als Wunschdenken und gegenseitiges Zusprechen von Mut – fundamentale Ursachen für einen Wirtschaftsaufschwung sind nicht auszumachen. - Obwohl dem PC schon oft ein Verlust seiner Dominanz prognostiziert wurde, bleibt die PC-Industrie eine wichtige Kraft im Technologiebereich. Dass das Wachstum der Nachfrage nach Desktop-Computern in den USA im vergangenen August eingebrochen ist, beschleunigte den Niedergang der Technologievaloren. Um die Marktanteile halten zu können, liessen sich die PC-Hersteller auf einen mörderischen Preiskrieg ein. Während sich - die Preisschlacht im Privatkundenbereich abschwächt, zeichnet sich im Server-PCSektor eine Verschärfung ab. Die Aussendienstmitarbeiter von Compaq Computer haben angeblich von der Geschäftsleitung freie Hand erhalten, um an Dell Computer verlorene Marktanteile mit allen Mitteln zurückzugewinnen. Wer sich im ServerBereich behauptet, kommt mit hochmargigen Folgebestellungen für Hardware und Dienstleistungen zum Zug. - Grosse Hoffnungen werden von der PCIndustrie in das neue Windows XP (Experience) von Microsoft gesetzt. Das Betriebssystem braucht für ein reibungsloses Funktionieren eine Speicherleistung von 128 Megabytes. Rund 95% der weltweit im Einsatz stehenden PC erfüllen diese Anforderung nicht. Nach Ansicht von Credit Suisse First Boston werden von Privatanwendern rund 34 Mio. Computer ersetzt werden müssen. Weltweit werden pro Quartal rund 10 bis 12 Mio. PC verkauft. Bereits ein moderater Erfolg von Windows XP sollte die PC-Industrie also unterstützen. Andererseits ist es schon Windows 2000 nicht gelungen, der PC-Branche den prognostizierten Stimulus zu verschaffen. - Auch im Halbleitersegment gründet die Kauflust der Anleger auf der Hoffnung, dass sich die Lage nicht noch stärker verschlechtern kann. Ein Wunsch, der sich bisher nicht materialisiert hat – im Gegenteil. Die Chip-Ausrüster verspüren einen Aufschwung in der Industrie jeweils als Erste. Doch der Bestellungseingang der Ausrüster notiert auf einem Rekordtief, obwohl Chip-Hersteller es sich in einem Abschwung nicht leisten können, auf die Entwicklung von neuer Technologie zu verzichten. Allein der Branchenführer Intel will im laufenden Jahr 7,5 Mrd.$ in Equipment investieren, um neue Chips wie den 64-Bit-Mikroprozessor Itanium zu entwickeln und zu produzieren. Trotz dieser Projekte wiesen die Halbleiterausrüster im April mit 0,42 eine rekordtiefe Book-to-bill ratio aus – d.h. für jede Auslieferung - im Wert von 100$ verzeichneten sie neue Aufträge für nur 42$. Doch die Titel - der Nummer eins unter den Chip-Ausrüstern, Applied Materials, haben seit Jahresbeginn 41% zugelegt, obwohl das Unternehmen vor wenigen Tagen bekannt gab, auch die reduzierten Vorgaben für das dritte Quartal nicht zu erfüllen. - In der Netzwerk- und Software-Branche bietet sich ein ähnliches Bild. Ohne es fundamental begründen zu können, sehen viele Unternehmen wieder Licht am Ende des Tunnels. Speziell in der Netzwerkindustrie werden Produktionsüberkapazitäten und Zahlungsschwierigkeiten der Abnehmer aus der Telecomindustrie aber dazu führen, dass Angebot und Nachfrage erst Ende 2002 ins Gleichgewicht kommen. - Die Korrektur der Technologiewerte, die vor etwas mehr als einem Jahr einsetzte, hat viele Titel zu hart bestraft. Doch in der neusten Technologieeuphorie wird von den Investoren erneut zu wenig differenziert. Unbestritten ist, dass die Technologiebranche auch in den nächsten Jahren eine der Wachstumsmaschinen der Wirtschaft bleiben wird. Viele Aktien aus diesem Segment haben jedoch bereits hohe Bewertungen erreicht. Die Gesellschaften müssen erst einmal beweisen, dass sie dies auch verdienen, und konkrete Wachstumsprognosen abgeben.