Alles offen
Gleich die erste Einzelklage in den USA endet mit einem Verdikt gegen Sulzer Medica.
Gleich die erste Einzelklage in den USA endet mit einem Verdikt gegen Sulzer Medica. Ein Geschworenengericht in Corpus Christi, Texas, hat das Medtech-Unternehmen zu einer Zahlung von insgesamt 4,4Mio.$ an drei Patientinnen verurteilt, die wegen schadhafter Hüftschalen reoperiert werden mussten. Zudem wurden gemäss erstinstanzlichem Entscheid Strafzahlungen von 11 Mio.$ verhängt. Sulzer Medica habe die Informationen über die fehlerhaften Implantate verzögert, lautet die Begründung. Das Urteil ist ein Rückschlag für das Unternehmen, auf den der Aktienmarkt am Freitag mit deutlichen Abgaben reagierte. - Die Höhe der Zahlungen verheisst nichts Gutes, und sie bedeuten, dass das Thema Strafzahlungen nicht weg vom Tisch ist, obwohl die Geschäftsleitung solche bislang für unwahrscheinlich hielt. Medica wird gegen den Entscheid Rekurs einlegen. Konzernchef Stephan Rietiker erklärte, dass Medica der Bankrott drohe, sollten weitere Urteile in dieser Grössenordnung folgen. Steuert das Unternehmen dem Konkurs zu, würde eine geringe Anzahl von Patienten profitieren, der Rest ginge leer aus. Das spreche für den Vergleichsvorschlag von 780 Mio.Fr., argumentiert Rietiker zweckoptimistisch. - Am Donnerstag hatte die Bundesbezirksrichterin Kathleen O’Malley in Cleveland, Ohio, den Vergleich vorläufig gutgeheissen. Damit nahm Medica zwar ein wichtige Hürde, den die Börse mit einem Kurssprung von 19% quittierte. Der Weg ist indes noch weit. In einem nächsten Schritt werden alle Patienten über die Konditionen des Vergleichsvorschlags informiert. Die Frist, bis wann sie sich entscheiden müssen, dauert in der Regel 90 bis 120 Tage. Sie kann allerdings ausgedehnt werden, wie Finanzchef Georg Hahnloser bestätigte. Anschliessend kommt es zu einer zweiten Anhörung der Patientenanwälte. Dann zeigt sich, wie viele beim Vergleich mitmachen. Und erst in der Folge wird das Gericht darüber befinden, ob der Vergleich zu Stande kommt oder nicht. - Nach dem Urteil in Corpus Christi werden die Kläger wohl vermehrt den Weg über Einzelklagen suchen, um an mehr Geld zu gelangen. Wer eine Klage auf eigene Faust versucht, wird allerdings erst dann Geld erhalten, wenn alle Patienten aus dem Vergleich entschädigt sind. Das heisst, dass sie – vorausgesetzt, der Vergleich kommt zu Stande – Jahre warten müssten, bis sie eine Entschädigung erhalten. Denn ein wichtiges Element des Vorschlags ist das Pfandrecht, das Medica den Patienten auf sämtliche Vermögenswerte einräumt. Alle Werte sind damit bis zum Jahr 2008 dem Zugriff von Einzelklagen entzogen. - Die Konditionen des Vergleichs sind jedoch nicht in Stein gemeisselt, wie Hahnloser erklärte. Zum Beispiel besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Medica nach dem Verdikt in Corpus Christi die Vergleichssumme erhöhen muss, um den Klägern genügend Anreiz zu offerieren. Zudem will die Gruppe die Patienten zu zwei Dritteln bar entschädigen, den Rest mit Wertpapieren. Derzeit favorisiert Medica die Abgeltung mittels Aktienzertifikaten (ADR). Geht der Druck auf den Aktienkurs weiter, wird das dem Appetit auf Teilhaberpapiere kaum förderlich sein. - Sollte es finanziell eng werden, kann Medica die US-Tochtergesellschaft Sulzer Orthopedics, die die Fehler in der Produktion begangen hat, Konkurs gehen lassen. Angesichts dessen, dass die Tochtergesellschaft bislang rund 40% des Gruppen-Gewinns generiert hat, wäre das ein herber Verlust. In der Affäre Sulzer Medica ist nur eines gewiss: Die Aktien werden in den nächsten Monaten sprunghaft bleiben.PF