Das Hickhack um die Sanierung der Altersvorsorge geht in der Frühjahrssession des Parlaments, die nächsten Montag beginnt, in die letzte Runde. Am Dienstag wird sich die grosse Kammer erneut über die Vorlage beugen. Ihre vorberatende Kommission hat eine Lösung gefunden, die den Weg zu einer nachhaltigen Sanierung der Altersvorsorge weist. Nur: Der Ständerat scheint auf seiner deutlich unterlegenen Variante zu beharren. Er spielt so mit dem Feuer. Doch einen Scherbenhaufen kann sich die Schweiz nicht leisten.
Zwei der drei Säulen des schweizerischen Systems der Altersvorsorge sind notleidend: die erste Säule AHV sowie die zweite Säule, die berufliche Vorsorge (BVG). Ursachen sind in erster Linie die stetig fortschreitende Alterung der Bevölkerung sowie die seit einiger Zeit extrem niedrigen Zinsen.
Zwei Hauptstreitpunkte
Das Paket Altersvorsorge 2020 will Gegensteuer geben und das System auf Dauer sanieren. Kernpunkte der Vorlage sind die Erhöhung der Rentenalters der Frauen auf ebenfalls 65 Jahre sowie die Senkung des schon seit Jahren viel zu hohen Umwandlungssatzes im BVG (er bestimmt, in welchem Verhältnis das angesparte Kapital in eine Rente umgewandelt wird). Hinzu kommt eine Reihe weiterer, ergänzender Bestimmungen.
In der parlamentarischen Schlussrunde geben vor allem zwei Punkte zu reden: die Kompensation der aufgrund des gesenkten Umwandlungssatzes geringeren Renten sowie die Frage, ob ein Interventionsmechanismus eingeführt werden soll. Er würde, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, automatisch zu einer schrittweisen Anpassung des Rentenalters nach oben führen.
Die vorberatende Kommission des Nationalrats hat das Modell der eigenen Kammer nun noch verfeinert. Die Kompensation des geringeren Umwandlungssatzes soll innerhalb der zweiten Säule geschehen. Zudem hat sie den Gedanken des Interventionsmechanismus, wenn auch nur sehr knapp, wieder aufgenommen. Gemäss diesem Modell würden zusätzliche Mittel im Umfang von 0,6 Prozentpunkten der Mehrwertsteuer genügen. Zudem würde der Interventionsmechanismus dafür sorgen, dass die Renten mit höchster Wahrscheinlichkeit auch über 2030 hinaus gesichert wären.
Dem steht das – letztlich von der SP initiierte – Modell des Ständerats gegenüber. Es will die Renteneinbusse wegen des niedrigeren Umwandlungssatzes in der zweiten Säule über eine pauschale Erhöhung aller Neurenten um 70 Fr. (für Ehepaare von 150 auf 155%) in der AHV erhöhen. Überdies will der Ständerat nichts von einem Interventionsmechanismus wissen – das Rentenalter scheint für ihn sakrosankt zu sein. Zur Finanzierung ist ein volles Mehrwertsteuerprozent vorgesehen. Zusätzlich wären 0,3 Lohnprozente nötig, um die Rentenerhöhung in der AHV zu finanzieren.
Damit ist das Modell des Ständerats deutlich teurer als dasjenige des Nationalrats – zu diesem Schluss kommt auch das Bundesamt für Sozialversicherungen. Zudem werden die erste und die zweite Säule der Altersvorsorge miteinander verkettet – ein Sündenfall. Es ist eine auch international beachtete Qualität des schweizerischen Systems der Altersvorsorge, dass es aus drei unabhängigen Säulen besteht. Daran darf nichts geändert werden.
Die SP fühlt sich nach dem Abstimmungserfolg gegen die Unternehmenssteuerreform III offenbar im Aufwind: Ungeachtet der höheren Kosten des Ständeratsmodells will sie an ihrer Linie festhalten. Sie fordert FDP und SVP sogar ultimativ auf, sich in Richtung SP zu bewegen.
Die SP wird unterstützt von der CVP. Das ist insofern erstaunlich, als die Absichten der Sozialdemokraten durchsichtig sind: Mit der pauschalen Rentenerhöhung und der Verkettung der zwei Säulen kommt sie ihrem alten – wenn auch hier unausgesprochenen – Ziel einer Volkspension einen Schritt näher. Dieses Ziel verfolgte auch die vom Volk überaus deutlich abgelehnte AHVplus-Initiative, die eine generelle Rentenerhöhung um 10% verlangte. Die pauschale Rentenerhöhung um 70 Fr. kann auch als «AHVplus light» betrachtet werden. Das Paket haben SP und CVP im Ständerat zusammen geschnürt. Die CVP wird damit zum willfährigen Gehilfen der SP in der Erfüllung ihrer ideologischen Ziele.
Das ständerätliche Modell führt gleich in doppelter Hinsicht in die Sackgasse. Erstens kostet es viel Geld – Tendenz steigend. Die für die Finanzierung der pauschalen Rentenerhöhung vorgesehenen 0,3 Lohnprozente werden nicht lange reichen, die Zahl der Neurentner wächst stetig. Zweitens führt das Nein zum Interventionsmechanismus dazu, dass das strukturelle Problem der alternden Bevölkerung unangetastet bleibt. Es ist kaum zu glauben, dass SP und CVP der Meinung sind, die notleidende Altersvorsorge über höhere Renten sanieren zu können.
Sollte der Ständerat stur an seinem untauglichen Modell festhalten, droht ein Scherbenhaufen: Das Paket könnte schon im Parlament scheitern und aus Abschied und Traktanden fallen. Das wäre ohne Zweifel der «Worst Case» und würde zunächst heissen: weiter wie bisher. Da sind die Perspektiven klar – der AHV-Fonds wäre spätestens 2030 leer, die jährlichen Defizite in der ersten Säule würden sich auf 8 Mrd. Fr. belaufen, Tendenz auch da steigend.
Höheres Rentenalter
Die Sanierung der Altersvorsorge bedarf zusätzlicher finanzieller Mittel und einer schrittweisen Anpassung des Rentenalters nach oben. Einen anderen nachhaltigen Sanierungsweg gibt es nicht. Die Hauptursache der Schwierigkeiten, das Altern der Bevölkerung, muss angegangen werden. Das ist nur über eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters zu haben, wie dies übrigens international schon etliche Länder vollzogen haben. Die Behauptung, eine Sanierung sei ohne solche Schritte möglich, ist falsch. Der Bevölkerung wird Sand in die Augen gestreut.
Sollte sich die Version des Ständerats durchsetzen, müsste gleich die nächste Sanierungsvorlage in Angriff genommen werden, doch das kann nicht der Sinn der Sache sein. Sollte gar ein Scherbenhaufen resultieren, wären die künftigen Renten nicht mehr gesichert – das gilt es in aller Deutlichkeit festzuhalten. Die Zeche hätten in diesem Fall die jungen Generationen über exorbitante Steuererhöhungen zu berappen.
Die Version des Nationalrats sichert die AHV, ohne Folgeprogramm, bis weit über das Jahr 2030 hinaus. Wem die Sicherheit der Altersvorsorge ein Anliegen ist, der unterstützt dieses Modell. Die Politiker sind gefordert, Farbe zu bekennen.
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Altersvorsorge 2020 darf nicht scheitern
Die notleidende AHV kann nicht über höhere Renten saniert werden, wie dies der Ständerat will. Es würden neue finanzielle Löcher entstehen, und es müsste gleich eine neue Revision angepackt werden. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Peter Morf.