Zwei Haushaltsnachrichten der vergangenen Wochen erinnern uns auf unsanfte Weise an den gefährlichen Zustand der Haushaltspolitik in den Vereinigten Staaten. Präsident Barack Obamas Büro für Management und Haushaltsbudget kündigte an, das Defizit des Staatshaushalts werde in diesem Haushaltsjahr etwa 600 Mrd. $ betragen. Das sind 162 Mrd. mehr als 2015, was einer Steigerung von über 35% entspricht. Und im jährlichen langfristigen Haushaltsausblick des Haushaltsbüros des Kongresses (CBO) wird vorhergesagt, dass die Staatsschulden ohne haushaltspolitische Änderungen in zehn Jahren von 75 auf 86% des BIP und 2046 auf ein Rekordniveau von 141% des BIP steigen werden, womit es auf dem Niveau von Ländern wie Italien, Portugal und Griechenland liegen wird.
Obwohl sich das Verhältnis der Schulden zum BIP im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt hat, haben der Kongress und die Obama-Regierung das Problem ignoriert und stattdessen betont, das jährliche Defizit sei seit 2012 zurückgegangen und es sei im Verhältnis zum BIP relativ stabil. Diese temporären Fortschritte spiegeln die wirtschaftliche Erholung und die Entscheidungen des Kongresses, in der Verteidigung und anderen Bereichen die Ausgaben zu begrenzen.
Aber der längerfristige Anstieg der jährlichen Defizite – aufgrund einer alternden Bevölkerung, Veränderungen in der Medizintechnik und steigender Zinsen – und die damit verbundene Steigerung der BIP-Schuldenquote waren unvermeidlich (und wurden vom CBO genau prognostiziert). Durch die grössere Zahl älterer Amerikaner, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, werden die Kosten des Sozialversicherungsprogramms von momentan 4,9% des BIP über die nächsten dreissig Jahre auf 6,3% steigen. Die Hälfte der Kostensteigerung für die grossen staatlichen Gesundheitsprogramme (von 5,5% des BIP heute auf 8,9% im Jahr 2046) geht auf das Konto der immer höheren Anzahl älterer Leistungsberechtigter, und die andere Hälfte ist der technologischen Kostensteigerung ihrer Behandlung geschuldet.
Grosser Teil der Schulden im Ausland
Durch die unkonventionelle Geldpolitik des Federal Reserve konnten die Nettozinskosten für Staatsschulden trotz des Schuldenzuwachses auf nur 1,4% des BIP fallen. Aber im Zuge sich normalisierender Zinsen und weiter steigender Schuldenlast wird erwartet, dass die Zinszahlungen für Staatsschulden auf 5,8% des BIP steigen.
Stimmt die Vorhersage über das Defizit und die Schulden, könnten die tatsächlichen Zinskosten allerdings deutlich über den Prognosen liegen. Angesichts der Staatsschulden in Höhe von 141% des BIP würden die prognostizierten Zinskosten von 5,8% des BIP einer durchschnittlichen Nominalzinsrate von nur 4% und unter Einbezug der CBO-Inflationsvorhersage einem Realzins von etwa 2% entsprechen – ähnlich den historischen Zinsen zu Zeiten, als das Schuldenverhältnis unter 40% des BIP lag. Aber es könnte geschehen, dass Investoren dafür, dass sie ihre Portfolios mit US-Staatsanleihen füllen, deutlich höhere Zinsen verlangen. In diesem Fall wären die Zinskosten und die Schuldenlast viel grösser.
Die Tatsache, dass über die Hälfte der öffentlich gehaltenen US-Staatsschulden heute in den Händen ausländischer Investoren liegt, könnte die Zinsen noch sensibler für das relative Ausmass der Schulden machen. Solche Investoren könnten befürchten, dass die Regierung Massnahmen ergreift, die zu einem Wertverlust ihrer Bestände führen. Auch wenn die US-Regierung niemals explizit ihren Bankrott erklären würde, könnte sie beispielsweise Einkommenssteuern auf Zinszahlungen einführen, die ausländische Anleihenhalter benachteiligen und den Wert ihrer Anlagen beeinträchtigen. Darüber hinaus könnten ausländische Investoren befürchten, dass das sehr hohe Schuldenniveau eine inflationäre Geldpolitik zur Folge hat, die den Dollar abwerten und den Realwert ihrer Anleihen verringern würde.
Nachfolgerin oder Nachfolger Obamas muss handeln
Die Vorhersage des CBO könnte faszinierende und verstörende Auswirkungen haben: Bleiben die Steuersätze bis dahin auf gleichem Niveau, wären die prognostizierten Aufwendungen für die «verbindlichen» Sozialprogramme (Sozialversicherung und die grossen Gesundheitsprogramme) gemeinsam mit den Schuldzinsen im Jahr 2046 höher als die Steuereinnahmen der Regierung. Noch vor den Ausgaben für Verteidigung und andere jährlich bewilligte «optionale» Programme bliebe ein kleines Defizit (von 1,6% des BIP).
Also gibt es keine Möglichkeit, das Wachstum der verbindlichen Programme durch die Verringerung der optionalen Ausgaben für Verteidigung und anderes auszugleichen. Die gesamten Ausgaben für Verteidigung liegen heute bei nur 3,2% des BIP, und es wird erwartet, dass sie in zehn Jahren auf 2,6% zurückgehen und dann zwanzig Jahre lang auf diesem Niveau bleiben. Dies wäre dann der geringste Anteil der Verteidigungskosten am BIP seit dem Zweiten Weltkrieg. Auch für alle anderen optionalen Ausgabenprogramme wird – bezogen auf das BIP – ein Rückgang auf ein Rekordtief prognostiziert.
Der Hoffnungsschimmer bei diesen trostlosen Aussichten liegt darin, dass eine nur geringfügige Senkung der jährlichen Defizite ausreichen würde, um eine steigende Schuldenquote zu verhindern oder sie gar auf das Niveau von vor zehn Jahren zurückzufahren. Wird das jährliche Defizit durch eine beliebige Kombination verringerter Ausgaben und höherer Einkünfte um 1,7% des BIP gesenkt, könnte, wenn damit im Jahr 2017 begonnen wird, eine Steigerung der aktuellen Schuldenquote von 75% des BIP verhindert werden. Und wird das Defizit gar um 3% jährlich verringert, würde damit die Schuldenkurve umgekehrt und auf das Niveau der Jahrzehnte vor der Rezession zurückgebracht.
Noch hat keiner der Präsidentschaftskandidaten einen Plan vorgelegt oder die Absicht gezeigt, den prognostizierten Anstieg der Staatsschulden rückgängig zu machen. Aber wer auch immer im nächsten Jahr ins Weisse Haus einziehen wird: Für sie oder ihn sollte dies höchste Priorität besitzen. Angesichts dessen, dass schnelles Handeln erforderlich ist, um das schlimmste Szenario abzuwenden, gibt es keine Entschuldigung für weiteres Zögern.
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Amerikas explodierendes Defizit
Schon ein geringfügiges Senken der jährlichen Defizite würde reichen, um den Anstieg der Schuldenquote zu verhindern oder sie gar zu verringern. Ein Kommentar von Martin Feldstein.