Analysten kommen mit Senken der Kursziele nicht nach
Wegen den Auswirkungen des Ukrainekrieges und den Inflationssorgen kommen die Analysten mit ihrem Rotstift bei den Kurszielen fast nicht nach.

(AWP) Die Aktienkurse sind im ersten Halbjahr 2022 wegen dem Ukraine-Krieg, Inflations- und Rezessionssorgen arg ins Schlingern geraten. Auch die Analysten haben seit Anfang Jahr bei ihren Kurszielen kräftig den Rotstift angesetzt. Allerdings war das Tempo bei den Rückstufungen häufig nicht ganz so hoch wie die tatsächlichen Kursrückgänge.
Seit Anfang Jahr wurden die Kursziele am Schweizer Aktienmarkt im Durchschnitt um rund 7% gekappt, wie eine Datenanalyse der Nachrichtenagentur AWP ergibt. So wurde bei der Erwartungshaltung über die Sektorgrenzen hinweg zurück buchstabiert.
Da die Kursziele in der Regel die erwartete Entwicklung in den nächsten 12 Monaten prognostizieren, deutet dies auch auf eine vorsichtigere Haltung in Analysten-Kreisen hin.
Da der Gesamtmarkt SPI sich im selben Zeitraum jedoch noch stärker in Richtung Süden bewegte, ist das Aufwärtspotenzial bei den aktualisierten Kurszielen dennoch deutlich höher als noch zu Jahresbeginn. Gemäss der Daten-Auswertung ist die Abweichung der durchschnittlichen Kursziele nach oben von 10% per Anfang Jahr auf rund 35% angewachsen. Eine weitere Kürzungsrunde im Anschluss an die Halbjahreszahlen erscheint vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen.
Zur Rose als Extrem-Beispiel
Am kräftigsten zusammen gestrichen wurden seit Anfang Jahr die Kursziele bei der Versandapotheke Zur Rose. Lag die durchschnittliche Erwartung Anfang Jahr noch bei einem Kurs von 443 Franken, ist sie derzeit nur noch bei 180 Franken. Das entspricht einer Reduktion von rund 60%.
Verzögerungen bei der Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland sowie Sorgen um eine weitere Finanzierungsrunde hatten den Titeln im Jahresverlauf arg zugesetzt. Obwohl die Kursziele mittlerweile deutlich tiefer angesetzt wurden, ergibt sich gegenüber dem aktuellen Kurs, der nahe einem Allzeit-Tief liegt, immer noch ein Aufwärtspotenzial von 150%.
Drastische Abstriche bei den Erwartungen nahmen die Analysten auch für die Aktien von Software One (-39%), Rieter (-30%), Basilea (-29%) und Bystronic (-29%) vor. Um rund einen Viertel tiefer als Anfang Jahr sind die durchschnittlichen Kursziele bei Vetropack, Bossard, Autoneum und Tecan. Auch für die im Halbleiter-Bereich tätigen Comet, Inficon und AMS-Osram wurden die Kursprognosen im Schnitt um etwa 20% reduziert.
Ausreisser gegen oben
Neben Kürzungskaskaden auf breiter Front zeigt die Auswertung aber auch einige Ausreisser gegen oben. So überraschte etwa der Sensoren-Hersteller U-Blox die Analysten positiv: Aktuell liegt das durchschnittliche Kursziel um rund 40% über dem Stand von Ende 2021. Ebenfalls höhere Kursziele haben die Experten im Schnitt für Burckhardt Compression (+18%), Sensirion (+18%), Mobilezone (+18%) und Leonteq (+16%).
Wenig überraschend deutlich höher liegen die Prognosen für den Kioskbetreiber Valora. Hier haben die Analysten das vor Kurzem eingegangene Kaufangebot von Femsa in ihren Schätzungen berücksichtigt, das eine deutliche Prämie gegenüber dem damaligen Kurs aufwies. Auch die Aktien des Industriekonzern Huber+Suhner werden von den Experten um rund 10% höher gesehen, wobei das Unternehmen als Profiteur von grossen Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur sowie steigenden Verteidigungsbudgets gilt.
UBS und CS gegenläufig
Bei den Grossbanken zeigt sich bei den Analysten eine gegenläufige Revision der Einschätzungen. Während das durchschnittliche Kursziel für die UBS um rund 10% höher angesetzt wird wie zu Jahresbeginn, befindet sich die Credit Suisse mit einer Reduktion von rund 37% auf den hintersten Plätzen. Ein interessantes Beispiel aus der Finanzbranche ist auch die Digitalbank Swissquote: Obwohl sich der Kurs seit Anfang Jahr halbierte, wurde bislang noch keine Reduktion eines Kursziels vorgenommen.
Relativ stabil blieben die Einschätzungen für die beiden grossen Pharmakonzerne, wobei Roche mittlerweile etwas vorsichtiger und Novartis leicht zuversichtlicher beurteilt wird. Ebenfalls keine grossen Änderungen erfuhren bislang auch die Kursziele der Immobiliengesellschaften PSP, SPS und Mobimo, sowie des defensiven Schwergewichts Swisscom.
Rebound-Potenzial?
Das grösste Aufwärtspotenzial zu den aktuellen Kursen sehen die Analysten bei den Aktien des Biotechunternehmens Molecular Partners, denen im Durchschnitt eine Verdreifachung des Aktienkurses zugetraut wird. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Analysten ihre Modelle jeweils nur sporadisch anpassen und die Risiken in der Biotech-Branche als besonders hoch gelten. Die Möglichkeit einer Kursverdoppelung oder mehr sehen die Experten neben Zur Rose auch bei AMS-Osram, Comet und Ascom.
Aussichten auf deutlich höhere Kurse haben gemäss der durchschnittlichen Kursziele auch die Titel von Idorsia (+86%), Zehnder (+85%), Logitech (+70%), Pierer Mobility und Also (beide +69%). Eine mögliche Höherbewertung im Bereich zwischen 50 und 60% sehen die Experten auch bei Partners Group, Sika, VAT, Adecco, Arbonia und Vetropack. Gemäss den Prognosen ausgereizt sind dagegen U-Blox, Swisscom, Helvetia, DKSH und Valora.
Für die Auswertung berücksichtigt wurden die durchschnittlichen Kursziele gemäss AWP-Analyser von 99 an der Schweizer Börse SIX kotierten Unternehmen, die jeweils von drei oder mehr Analysten abgedeckt werden. Für die Kursveränderungen und Kursziele wurden der 31.Dezember 2021 und der 11. Juli 2022 als Stichtage genommen.
AWP
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch