Aufgefallen in... Berlin
Schlussendlich Fischer

Die Schweiz lässt Urs Fischer auch in Berlin nicht los. Nicht nur, dass der Trainer aus Zürich-Affoltern in der 1. Bundesliga ständig auf andere Fussballlehrer trifft. Alte Bekannte, die er aus der Meisterschaft daheim kennt. Vor kurzem waren wieder Landsleute zu Besuch im Stadion in Köpenick, dem Stadtteil im südöstlichen Grün der Metropole. Anhänger des Vereins, für den Fischer zwischen 1987 und 1995 als Verteidiger zehn Tore in der Liga geschossen hat. Ein Freundschaftsspiel zwischen dem FC St. Gallen und 1. FC Union steht einen Tag nach Beginn der Rückrunde in Deutschland an.
All die Berliner Spieler, die im ersten Match des Jahres in Leipzig nicht auf dem Rasen aufliefen, dürfen sich beweisen an diesem fast schon sonnigen Nachmittag im Januar. Beweisen will sich auch der Besuch aus der Ostschweiz. Ein Mob von rund 100 Leuten begrüsst die Unioner, samt den Trainerstab um Urs Fischer. Und zwar so wie es sich offenbar im «Stadion an der Alten Försterei» in dieser Spielzeit zu gehören scheint. Lässig mit bunten Rauchtöpfen in den Farben der Gastmannschaft, bei St. Gallen also in Grün. Dazu schwenken Ultrafans rote Pyrofackeln in ihren Händen.
An heisse Begrüssungen hat sich Fischer gewöhnt. Wohl oder übel. Auch wenn das Sportgericht des Deutschen Fussballbunds jeden Monat aufs Neue die Vereine bestraft: Die mitgereisten Anhänger fast aller Gegner wollen beim Ostberliner Neuling in der höchsten Spielklasse ihre Duftmarken hinterlassen und die heimische Fanszene beeindrucken. Diese steht gleich auf drei Seiten ihres Stadions, keinen einzigen Sitzplatz gibt es hier.
«Fussball pur» nennen sie es in Köpenick, ohne Eventrummel. Auch Werbung darf das Anfeuern nicht stören. Selbst die braven Freiburger verwundern ihren Trainer Christian Streich doch arg. Wie sie mit leuchtenden Fackeln italienische Verhältnisse in den deutschen Herbsthimmel zaubern und dabei fast verpassen, wie ihre Mannschaft im Nebel untergeht.
Fischer nimmt die Pyroshows mit Humor. Wie neulich, als die Schiedsrichter wieder einmal ein Heimspiel wegen zu viel Rauch im Gästeblock unterbrechen. Zum Spielverlauf sagt der Schweizer später: «Ich wäre froh gewesen, die Fans von Leverkusen hätten nochmals gezündet, dann hätte ich vielleicht Zeit gehabt, noch etwas bei meiner Mannschaft anzusprechen.» Schlussendlich verliert Union knapp und erst in den Schlussminuten in einer sehr guten Partie gegen den Tabellenfünften. Kommentatoren staunen aber, wohin der Schweizer Meistertrainer die Berliner bereits geführt hat.
Doch auch für solche Sprüche lieben sie ihren Fischer, die Unioner – die Fans des kleineren der beiden Hauptstadtclubs in der Bundesliga. Sie drucken jetzt sogar Bierdeckel mit dem Konterfei des Trainers, wie er nach dem Aufstieg im Mai 2019 die Fäuste in den Himmel reckt. Dazu ein abgewandelter Schlachtruf, in dem das Wort «schlussendlich» auftaucht. Fischer hat es auf fast jeder Pressekonferenz gesagt, seit er vor fast zwei Jahren bei den Berlinern angeheuert hat. Bis ihm jemand von der Presseabteilung steckte, dass er damit längst zum Kult geworden sei. Seitdem sagt er lieber «zum Schluss». Doch dann fiel sie kürzlich wieder, die magische Floskel: Und vergangenen Montag gegen die Eintracht in Frankfurt gewinnt Union prompt (niemand in Berlin sagt «die» Union). Zum Klassenerhalt fehlen jetzt noch sechs Punkte in elf Spielen. Sagen jedenfalls Leute, die sich auskennen.
Im Flieger nach Zürich, damals nach dem verlorenen Testspiel im Januar gegen St. Gallen, bekommt der Trainer noch seine verdiente Sonntagabendruhe. Selbst die mitfliegenden Gästefans stören nicht weiter. Dafür berichtet ihm nach der Landung ein deutscher Journalist der grössten Schweizer Wirtschaftszeitung voller Stolz, wie er in dieser Aufstiegssaison noch kein Spiel der Unioner verpasst hat. «Ich auch nicht», sagt Fischer. Lacht und verschwindet schlussendlich im Untergeschoss des Zürcher Flughafens.
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