Leichte Verluste im SMI vor EZB-Entscheid
Zins- und Konjunktursorgen haben zur Wochenmitte die Aktien an der Schweizer Börse erneut unter Druck gesetzt.

(AWP/Reuters) Der Leitindex SMI konnte die Einbussen gegen Handelsende eingrenzen und verteidigte die Marke von 10’800 Punkten. Davor war er von den Verlusten in konjunktursensitiven Aktien und Finanztiteln belastet beinahe bis auf 10’700 Zähler abgerutscht. Im Fokus steht das weitere Vorgehen der wichtigen Notenbanken im Kampf gegen die allgegenwärtige Inflation, während Russlands Machthaber Wladimir Putin in der Energiekrise weiteres Öl beziehungsweise Gas ins Feuer giesst.
Seit US-Notenbankchef Jerome Powell in seiner Rede am Notenbankertreffen in Jackson Hole von Ende August in wenigen Minuten das entschlossene Vorgehen im Kampf gegen die Inflation unterstrichen habe, werde an der Börse mit weiteren deutlichen Zinsschritten gerechnet, hielt ein Händler fest. Das habe zu einem Abwärtstrend geführt. Ob das Fed an diesem Kurs ungeachtet aller negativen Folgen für die Konjunktur festhalten werde, bleibe aber abzuwarten. Am Donnerstag steht zunächst die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf dem Programm. Auch die EZB dürfte mit einem grossen Zinsschritt von möglicherweise 75 Basispunkten gegen die Inflation vorgehen.
Der SMI schloss den Handel am Mittwoch 0,27% tiefer bei 10’805,16 Punkten ab. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, sank um 0,22% auf 1647,52 und der breite SPI um 0,31% auf 13’870,48 Zähler. Am Ende hielten sich Verlierer (17) und Gewinner (13) beinahe die Waage, nachdem das Tableau am frühen Nachmittag noch tiefrot gefärbt war.
Angeführt wurden die nicht mehr so zahlreichen Verlierer im Blue-Chip-Segment von konjunktursensitiven Werten wie Straumann, Sonova oder Adecco. Darunter mischten sich aber auch Finanzwerte wie jene von Zurich Insurance, Swiss Life oder UBS. Die angeschlagene UBS-Konkurrentin Credit Suisse gab um 0,5% nach.
Im Fokus standen am Berichtstag aber Temenos: Die Titel des Bankensoftwareunternehmens schlossen den Handel nach zahlreichen Vorzeichenwechsel mit 1,6% klar im Minus ab. Das Portal «Inside Paradeplatz» hatte am Morgen zunächst die Gerüchteküche über einen möglichen Verkauf von Temenos wieder angeheizt und den Kurs in die Höhe schnellen lassen. Allerdings gab es einige Händler, die nicht mit einem Verkauf von Temenos rechnen.
Klar schwächer schlossen auch eigentlich defensive Werte wie Swisscom oder Nestlé. Dagegen bewegten sich die Pharma-Schwergewichte Roche und Novartis zum Handelsende kaum mehr vom Fleck.
Besonderes Augenmerk verdienten sich Swatch Group und Richemont, die mit Blick auf schwache Konjunkturdaten in China zunächst deutliche Kursverluste zu verdauen hatten und am Ende uneinheitlich aus dem Handel gingen. Bei Richemont erhielt die Besitzerfamilie um VRP Johann Rupert an der Generalversammlung die Rückendeckung der Publikumsaktionäre. Diese wählten nicht den Kandidaten des aktivistischen Aktionärs Bluebell Capital als ihren Vertreter in den Verwaltungsrat, sondern die Richemont-Kandidatin Wendy Luhabe. Auch die Pläne zu Anpassungen der VR-Strukturen hatten keine Chancen.
Steigende Kurse waren derweil zu Börsenschluss beim Logistiker Kühne + Nagel und dem Baustoffkonzern Holcim auszumachen. Dabei profitierte Holcim von News rund um den geplanten Verkauf des Brasilien-Geschäfts. Holcim hat dazu von den brasilianischen Behörden grünes Licht erhalten. Fester gingen auch Geberit aus dem Handel. CEO Christian Buhl sieht den Sanitärkonzern gut auf die Energiekrise vorbereitet.
Im breiten Markt setzten die Analysten von UBS Polypeptide unter Druck. Siegfried legten hingegen um 2,1% zu. UBS hatte die Abdeckung von Polypeptide mit «Sell» und die für Siegfried mit «Buy» aufgenommen.
Dufry rutschten am Tag nach dem Investorentreffen weiter ab. Die Bank Vontobel hatte das Kursziel gesenkt.
USA: Schleppender Start erwartet
Nach der Erholung zur Wochenmitte steht am Donnerstag an den US-Börsen ein eher zögerlicher Start bevor. Vorbörslich hatten die Anleger erst einmal den Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank abgewartet. Mit einer Anhebung um 0,75 Prozentpunkte trafen die Währungshüter letztlich die Voraussagen der Fachleute.
Eine Stunde vor dem Start taxierte der Broker IG den Dow Jones Industrial um 0,1% höher auf 31 618 Zähler. Der technologielastige Nasdaq 100 wurde hingegen mit minus 0,1% leicht schwächer erwartet.
Die EZB stemmt sich mit einer historischen Zinserhöhung gegen die Rekordinflation im Euroraum. Die EZB folgt damit – mit deutlicher Verzögerung – dem Trend auch der US-Notenbank Fed. Deren Chef Jerome Powell hatte angesichts der unverändert hohen Inflation zuletzt klargemacht, dass er weitere massive Zinsschritte für nötig hält, um das für die Teuerung ausgegebene Ziel von zwei Prozent wieder zu erreichen. Einige Börsianer fürchten wiederum, dass die Geldpolitik das Wirtschaftswachstum schädigen könnte. Allerdings hat eine dauerhaft hohe Inflation noch schlimmere Folgen für die Konjunktur.
Wichtiger als der Zinsentscheid der EZB könnte daher für die Wall Street ein Auftritt des Fed-Chefs im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung der Denkfabrik Cato Institute haben. Ebenfalls im Fokus stehen die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe.
Unter den Einzelwerten stachen bereits im vorbörslichen Handel die Papiere von First Solar heraus. Die Papiere des Solartechnikspezialisten legten nach einer Kaufempfehlung der US-Bank Goldman Sachs zuletzt um fast vier Prozent zu. Analyst Brian Lee begründete sein brandneues positives Votum unter anderem mit dem voraussichtlichen weiteren Rückenwind durch das US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung (IRA). Darüber hinaus verwies der Experte auf den positiveren Ausblick, was die Erholung der Bruttomarge im Segment Module betreffe.
Nach der jüngsten Kursschwäche könnte auch den Anlegern von Gamestop ein guter Tag bevorstehen, denn der Hersteller von Computerspielen schnitt mit seinen Quartalszahlen besser abgeschnitten als befürchtet. Einen Blick wert sind ebenso die Papiere von Tencent, nachdem Prosus den Verkauf von knapp 1,2 Mio. € mitgeteilt hatte. Die Tech-Beteiligungsgesellschaft hält nun noch knapp 28% an Tencent.
Nicht die erhoffte positive Wirkung am Aktienmarkt scheint unterdessen die jüngste Produktpräsentation von Apple zu entfalten, auf der der Konzern unter anderem sein neues iPhone mit einigen technischen Neuerungen präsentiert hatte. Die Aktien zeigten sich vor dem offiziellen Handelsbeginn mit 0,6% im Minus. Apple hatte zwar die US-Preise weitestgehend stabil gelassen, wie Shannon Cross von der Credit Suisse lobend hervorhob; allerdings bekommen die europäischen Kunden durch den starken Dollar aber zum Teil saftige Preissteigerungen aufgetischt. Eine zentrale Frage für viele Marktbeobachter ist deshalb, wie robust die Nachfrage bleibt, wenn das frei verfügbare Einkommen schrumpft.
Euro erholt sich zum Dollar
Der Euro hat sich am Mittwoch erholt und über seinem am Vortag markierten Tiefstand seit fast zwanzig Jahren notiert. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde mit 0.9949 $ gehandelt. Am Morgen hatte sie noch unter 0.99 $ notiert.
Auch zum Schweizer Franken hat der Dollar zuletzt etwas nachgegeben. Der «Greenback» kostet aktuell 0,9818 Fr., nachdem der Kurs am frühen Nachmittag noch über die Marke von 0.9860 Fr. geklettert war. Der Euro notiert derweil bei 0.9768 Fr. nach Tiefstkursen von rund 0.9730 Fr. am späten Morgen.
Gestützt wurde der Euro zum Dollar durch die merklich gesunkenen Erdgas- und Erdölpreise. Die Energieversorgung in der Eurozone ist angesichts der hohen Abhängigkeit von Russland deutlich prekärer als die der USA. Dies belastet die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone. Für die jüngste Euroschwäche war dies ein Grund.
Produktionsdaten aus Deutschland konnten hingegen nicht überzeugen: Zum Vormonat sank die Gesamtproduktion im Juli um 0,3%. Analysten hatten zwar mit einem noch deutlicheren Rückgang gerechnet. Das Bundeswirtschaftsministerium kommentierte aber: «Die Industrie ist schwach ins dritte Quartal gestartet.» Während die Warenherstellung in der Industrie nachgab, stützten die Energieerzeugung und das Baugewerbe.
Merklich unter Druck geraten ist das britische Pfund. Einen Tag nach dem Amtsantritt der Premierministerin Liz Truss fiel die Währung zum Dollar auf den niedrigsten Stand seit 1985. Auch zum Euro geriet das Pfund unter Druck. Die britische Wirtschaft hat mit Lieferengpässen und einer Inflation zu tun , die noch höher liegt als im Euroraum. Hinzu kommt die Stärke des Dollar.
Truss sorgte zudem mit Aussagen für Aufsehen, sie wolle das Mandat der Bank of England überprüfen. Die Zentralbank setzte zuletzt einen düsteren ökonomischen Ausblick und hält eine mehr als einjährige Rezession für möglich.
Ölpreise geraten deutlich unter Druck
Die Ölpreise haben am Mittwoch angesichts wachsender Konjunktursorgen deutlich nachgegeben. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent sank auf 89.38 $. Das waren 3.46 $ weniger als am Vortag. Mit 88.92 $ fiel der Brent-Preis erstmals seit Februar zeitweise unter die Marke von 89 $. Ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) gab um 3.74 $ auf 83.17 $ nach. Hier wurde mit 82.76 $ sogar der niedrigste Stand seit Januar erreicht. Beide Ölpreise notieren damit unter Niveaus, die sie vor Kriegsbeginn in der Ukraine am 24. Februar hatten.
Derzeit lasten vor allem die weltweit trüben Konjunkturaussichten auf den Ölpreisen. Dies dämpft die Nachfrage nach Rohöl. Die Leitzinserhöhungen wichtiger Notenbanken belasten die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich. Hinzu kommt die harte Corona-Politik Chinas, die weiterhin die Lieferketten stört und die Nachfrage aus China dämpft. Der starke Wechselkurs des Dollar belastet die Nachfrage nach Rohöl in anderen Währungsräumen, da Rohöl in der US-Devise gehandelt wird.
Der Ölverbund Opec+ hat auf die fallenden Preise bereits reagiert. In dieser Woche drosselten die rund 20 Förderländer ihre Produktion, wenn auch nur leicht. Analysten interpretierten den Schritt als Bekenntnis zu weiteren Kürzungen, falls diese erforderlich werden sollten. Der Schritt hat die Märkte offenbar nicht dauerhaft überzeugt.
Bitcoin fällt unter 19’000 $
Der Kurs des Bitcoin ist zur Wochenmitte deutlich unter die Marke von 20’000 $ abgerutscht. Die Kryptowährung leidet laut Marktbeobachtern weiterhin unter Zins- und Rezessionsängsten und der damit einhergehenden Risiko-Aversion. Der Fokus liegt derzeit auf dem «Ethereum-Merge».
Am Mittwochmittag notiert der Bitcoin im Vergleich zur Vorwoche rund 7% tiefer auf 18’775 $. Mit starken Verlusten zur Wochenmitte wurde die in den Vorwochen weitgehend gehaltene runde Marke von 20’000 deutlich unterschritten und der Kurs ist in die Region der Jahrestiefststände von Mitte Juni gefallen. Die Marktkapitalisierung liegt aktuell bei rund 360 Mrd. $ und damit rund 28 Mrd. unter dem Wert der Vorwoche.
AWP/REUTERS
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