Rezessionsängste setzen dem SMI zu
An der Schweizer Börse geht die Angst vor einer tiefgreifenden Rezession um.

(AWP/Reuters) Nachdem der Leitindex SMI bereits mit roten Vorzeichen in die neue Woche gestartet war, setzte sich die Talfahrt am Dienstag beschleunigt fort. Von den Abgaben der Schwergewichte belastet, fiel der SMI klar unter die Marke von 11’000 Zähler. Und die Verlustserie könnte weitergehen, befürchten Händler. Die Anleger hätten vor einigen Wochen, als sich die Börse vom Juni-Rückschlag erholte, wohl zu viel Optimismus an den Tag gelegt, hiess es. Das räche sich nun.
Allgegenwärtig sind auch die Zinssorgen. Am Notenbankertreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming wird am Freitag der US-Notenbankchef Jerome Powell seine Rede halten und Hinweise zur Geldpolitik liefern. Am Markt wird befürchtet, Powell könnte die Zinsen im September im Kampf gegen die hohe Inflation und trotz Rezessionsgefahren um 75 Basispunkte weiter stark anheben. Die Hoffnung der Anleger, dass die Notenbank der Börse zu Hilfe eilen wird, dürfte verfrüht sein, warnen die Experten der VP Bank. Am Dienstag lieferten darüber hinaus schwache Einkaufsmanagerindizes aus den USA und Europa Hinweise auf die drohende Rezession.
Der SMI schloss den Handel 1,4% tiefer bei 10’933,06 Punkten. So tief hatte er letztmals Mitte Juli notiert, während das im Juni gesetzte Jahrestief bei knapp 10’350 Zählern liegt. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, gab am Berichtstag um 1,06% auf 1675,19 weniger stark nach und der breite SPI verlor 1,30% auf 14’121,87 Punkte. Am Ende standen im SLI 24 Verlierer den nur sechs Gewinnern gegenüber.
Für das schwache Abschneiden im SMI waren die Schwergewichte Roche GS, Novartis und Nestlé massgeblich verantwortlich, die ihre Abgaben im Tagesverlauf deutlich ausbauten. Die Gewinnmitnahmen überraschten nicht, schliesslich sei zuletzt viel Geld in die defensiven Werte geflossen, so ein Händler. Vor demselben Hintergrund büssten auch Givaudan stark an Terrain ein.
Auf der Verliererliste waren aber auch eine Reihe zyklischer Papieren zu finden: So verloren die Aktien des Lifescience-Konzerns Lonza 2,1%, jene des Logistikers Kühne + Nagel 2,3% oder die Papiere der Bauchemiegruppe Sika 1,5%. Sonova, die vor Wochenfrist im Zuge einer Gewinnwarnung bereits abgestraft wurden, erlitten mit einem Minus von 1,5% einen nächsten Rückschlag.
Im Gegensatz dazu rückten Richemont um 0,8% vor. Der Luxusgüterkonzern erhält im Kampf gegen den aktivistischen Investor Bluebell und somit gegen die Wahl des früheren Bulgari-Chefs Francesco Trapani in den Verwaltungsrat Unterstützung vom Aktionärsberater ISS. Alcon hielten sich dank einer von Analysten positiv bewerteten Übernahme im Bereich der verschreibungspflichtigen Augentropfen auf Vortagesniveau.
Die ausgedünnte Gruppe der Gewinner wurde von der Credit Suisse angeführt. Die Aktien der Grossbank liegen allerdings mit einem Kurs von 5,11 Fr. immer noch auf einem historisch tiefen Niveau. UBS fielen leicht ins Minus, während Julius Bär um 0,3% höher schlossen.
Im breiten Markt fielen die Avancen von Feintool ins Auge. Die Lysser Industriegruppe hatte mit der Vorlage der Halbjahreszahlen positiv überrascht und die Vorgaben der Analysten übertroffen. Das Management hob mit den gut gefüllten Auftragsbüchern im Rücken die Umsatzprognose zum laufenden Jahr an. Ebenso gewannen die Aktien der im Bereich Isolatortechnologie tätigen Skan Group und des Flughafens Zürich klar an Wert. Der grösste Schweizer Flughafen erholt sich weiter von der Coronakrise.
Arbonia wurden nach Zahlen ebenfalls höher bezahlt. Dagegen wurden bei U-Blox Gewinne mitgenommen, nachdem das Unternehmen Ende letzter Woche mit starkem Ergebniswachstum im ersten Halbjahr und einer Prognoseerhöhung fürs Gesamtjahr überzeugt hatte. Die Aktien der Onlineapotheke Zur Rose büssten weiter an Wert ein. Bereits am Montag hatten kritische Medienberichte zum lange erwarteten E-Rezept in Deutschland belastet.
Aktien New York: Erholung scheitert
Ein zaghafter Erholungsversuch der US-Aktienmärkte nach der jüngsten Talfahrt ist am Dienstag erst einmal gescheitert. Schwache heimische Konjunkturdaten konnten die Angst vor weiter steigenden Zinsen nur kurzzeitig mindern.
Gut anderthalb Stunden nach dem Handelsstart verlor der Leitindex Dow Jones Industrial 0,48% auf 32’905,44 Punkte. Für den marktbreiten S&P 500 ging es hingegen um 0,18% auf 4130,49 Punkte hoch. Der technologielastige Nasdaq 100 sank um 0,11% auf 12’876,85 Zähler.
Am Markt wird seit Tagen befürchtet, die US-Notenbank Fed könnte auf dem am Donnerstag beginnenden, internationalen Notenbanker-Treffen in Jackson Hole einen aggressiven Ton bezüglich weiterer Leitzinserhöhungen anschlagen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Der Markt dürfte dabei vor allem die Rede von Fed-Chef Jerome Powell am Freitag mit Spannung verfolgen, hiess es von der Credit Suisse .
Eine weitere geldpolitische Straffung droht die Konjunkturentwicklung der weltgrössten Volkswirtschaft abzuwürgen, die in den beiden vergangenen Quartalen per definitionem bereits in eine Rezession gerutscht war. Steigende Zinsen schmälern zudem tendenziell die Attraktivität von Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren wie etwa Anleihen.
Die Stimmung im Dienstleistungssektor der USA hat sich im August deutlich verschlechtert. Dies belegt der überraschend deutlich gesunkene Einkaufsmanagerindex von S&P Global, der zudem den tiefsten Stand seit Mai 2020 erreichte. Er zeigt für den Sektor weiterhin eine Rezession an, da er unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten liegt. Auch der Einkaufsmanagerindex für die Industrie blieb mit einem moderaten Rückgang hinter den Erwartungen zurück , signalisiert aber immerhin weiter ein Wachstum. Zudem fielen die Verkäufe neuer Häuser im Juli deutlich stärker als von Analysten prognostiziert.
Unter den Einzelwerten stachen am Dienstag die Aktien von Zoom mit einem Kurseinbruch um 14% negativ heraus. Der Videokonferenz-Dienst enttäuschte mit schwachen Quartalszahlen und senkte seine Jahresziele.
Der chinesische Online-Händler JD.com hatte ein stärkeres Umsatzwachstum als prognostiziert erzielt und nach drei Verlustquartalen wieder einen Nettogewinn erwirtschaftet. Die in New York gelisteten Anteilscheine stiegen um über 2%.
Die Kaufhauskette Macy’s hatte sich im zweiten Quartal trotz eines Gewinnrückgangs besser als erwartet geschlagen, woraufhin die Aktien fast 6,5% gewannen. Dick’s Sporting Goods hob nach einem überraschend guten Zwischenbericht die Umsatzprognose an. Dessen Papiere legten um 1,3% zu.
Palo Alto Networks meldete dank eines starken Wachstums bei Grossaufträgen Quartalsgewinne und -umsätze, die besser ausfielen als die durchschnittlichen Analystenprognosen. Zudem wurden ein Aktiensplit im Verhältnis eins zu drei sowie ein Aktienrückkauf angekündigt. Zahlreiche Analystenhäuser hoben daraufhin ihre Kursziele. Die Aktien gewannen 10,5%.
Die Papiere der Ölkonzerne Chevron und Exxon Mobil profitierten mit Kursaufschlägen von 3,2 und 3,9% von den bereits seit Montag steigenden Ölpreisen. Marktbeobachter verwiesen auf Aussagen des saudi-arabischen Energieministers Abdulaziz bin Salman, der eine mögliche Verringerung der Ölförderung durch das Ölkartell Opec+ angedeutet und damit die jüngsten Kursverluste bei den Ölpreisen gestoppt hatte.
Euro und Franken legen zum Dollar zu
Der Euro hat am Dienstag nach schwachen US-Konjunkturdaten zugelegt. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde am Nachmittag mit 0,9988 $ gehandelt. Am Vormittag war die Gemeinschaftswährung noch zeitweise bis auf 0,9901 $ abgerutscht. Dies war der niedrigste Stand seit 2002.
Auch der Franken gewann gegenüber dem Dollar an Kraft. Nach Kursen um die Marke von 0,9650 Fr. im frühen Geschäft notiert der «Greenback» aktuell nur noch bei 0,9626 Fr. Der Euro hat sich derweil wieder über der Schwelle von 0,96 Fr. installiert, die er am Montag erstmals unterschritten hatte. Derzeit kostet ein Euro 0,9626 Fr. Am Morgen war ein Euro noch für 0,95515 Fr. zu haben – so tief lag das Währungspaar noch nie.
Die Stimmung im Dienstleistungssektor der USA hat sich im August deutlich verschlechtert. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global fiel auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020. Er signalisiert jetzt eine Rezession für den Sektor und für die Gesamtwirtschaft. Belastet wird die Wirtschaft durch steigende Zinsen und der Kaufzurückhaltung der Verbraucher angesichts der hohen Inflation. Zudem sind am Immobilienmarkt die Verkäufe neuer Häuser im Juli überraschend deutlich gefallen.
Kein klarer Impuls ging am Vormittag vom Einkaufsmanagerindex für die Eurozone aus. Das Barometer für die Unternehmensstimmung fiel im August auf ein 18-Monatstief, auch wenn der Rückgang minimal geringer ausfiel als von Analysten erwartet. Die Kennzahl lag den zweiten Monat in Folge unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten, die zwischen Wirtschaftswachstum und Schrumpfung trennt. Ökonomen werteten die Daten als Signal für eine anstehende Rezession.
Eine allgemein trübe Stimmung an den Finanzmärkten und die Aussicht auf einen drohenden Gasmangel in der Eurozone hatte den Euro am Montag bereits unter die Parität zum Dollar gedrückt. Unter Parität versteht man ein Tauschverhältnis von eins zu eins zwischen zwei Währungen.
Für eine Feinunze Gold zahlten Anleger am Nachmittag in London 1750 $. Das waren knapp 14 $ weniger als am Vortag.
Ölpreise legen deutlich zu
Die Ölpreise sind am Dienstag deutlich gestiegen. Marktbeobachter verwiesen auf Aussagen des saudi-arabischen Energieministers Abdulaziz bin Salman, der eine mögliche Verringerung der Ölförderung durch das Ölkartell Opec+ angedeutet hatte und damit jüngste Kursverluste bei den Ölpreisen stoppte.
Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 99,67 $. Das waren 3,13 $ mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 3,35 $ auf 93,71 $.
Die Preise am Ölmarkt spiegelten nicht die zugrunde liegenden Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage wider, sagte der saudische Minister zu Beginn der Woche der Nachrichtenagentur Bloomberg. Das könne den Ölverbund Opec+ veranlassen, die Förderung zu drosseln. Auch schwache Konjunkturdaten aus den USA belasteten in diesem Umfeld die Ölpreise nicht.
Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank erkannte in den Aussagen des Ministers einen direkten Zusammenhang zu jüngsten Verhandlungen zur Wiederauflage des Atomabkommens mit dem wichtigen Förderland Iran. «Möglicherweise will Saudi-Arabien für den Fall vorbauen, dass die USA einer Wiederauflage des Atomabkommens dem Iran zustimmen und diesem damit die Rückkehr an den Ölmarkt erlaubt wird», sagte Fritsch. Derzeit ist das Opec-Land Iran noch mit Sanktionen belegt und kann sein Rohöl nur begrenzt exportieren.
In der vergangenen Woche waren die Ölpreise angesichts wachsender Rezessionssorgen in führenden Industriestaaten unter Druck geraten. In China hat die Wirtschaft unter anderem wegen harter Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie an Schwung verloren, was die Nachfrage der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt nach Rohöl bremst.
AWP/REUTERS
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