SMI bröckelt weiter ab
Die Schweizer Börse hat am Dienstag nicht in die Gänge gefunden. Neue US-Konjunkturdaten setzen derweil der Wall Street zu.

(AWP/Reuters) Der Schweizer Aktienmarkt hat den Handel am Dienstag in der Verlustzone abgeschlossen. Nachdem der Leitindex SMI über weite Strecken Kursgewinne verzeichnet hatte, verlor er im Sog schwacher US-Börsen an Fahrt. Die Wall Street wurde von Konjunktursorgen der Anleger nach unten gezogen, nachdem die Zentralbanken zuletzt die Bekämpfung der Inflation zur Priorität erklärt hatten. «Die Rezession hat bereits begonnen», titelte denn auch die VP Bank im jüngsten Konjunkturkommentar. Das am Berichtstag veröffentlichte US-Konsumentenvertrauen lasse daran keine Zweifel, hiess es weiter. Hinzu kämen die Konsumschwäche und hohe Energiepreise in China. Auch die Inflation sei noch nicht vollständig in den Kursen eingepreist, schrieb Chefökonom Thomas Gitzel.
Auch Craig Erlam von Oanda sieht eine weitere Trübung der Konjunktur: Dass die Zentralbanken der Inflation den Kampf ansagen, könnte eine «harte Landung» der Wirtschaft nach sich ziehen, so der Analyst. Als Belastung kamen am Dienstagnachmittag noch die Spannungen zwischen China und Taiwan hinzu. Laut Medienberichten hat das Militär in Taiwan Warnschüsse auf zivile Drohnen in der Nähe einiger zu Taiwan gehörenden Inseln abgegeben. Die Drohnen seien danach in Richtung China abgezogen. Besonders die in New York gelisteten Aktien chinesischer Tech-firmen litten unter diesen Nachrichten.
Der SMI schloss um 0,11% tiefer bei 10’884,95 Punkten. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind und in dem die Gewichtung der Einzelwerte stärker gekappt ist, sank um 0,17% auf 1662,74 Zähler. Der breite SPI gab um 0,19% auf 14’038,83 Punkte nach. Insgesamt hielten sich im SLI Verlierer und Gewinner bei Handelsschluss die Waage mit 15 Gewinnern und 15 Verlierern.
Im Fokus standen Partners Group, die 3,1% einbüssten. Die Gruppe erlitt im ersten Semester einen Ertrags- und damit auch einen Gewinneinbruch. Dies hatte sich jedoch bereits abgezeichnet. Händler erklärten sich die Kursverluste denn auch weniger mit firmenspezifischen Gründen als vielmehr mit den erneuten Verlusten bei Wachstumswerten. Steigende Zinsen gälten halt weiterhin als «Gift» für dieses Titelsegment, heisst es.
Auch einige weitere Wachstumswerte gehörten zu den Verlierern am Markt. So büssten etwa Straumann 2,0% und VAT Group 1,4% ein. Sonova schlossen 0,9% tiefer. Die stärksten Abgaben unter den Blue Chips verzeichneten Kühne + Nagel mit einem Minus von 3,3%. Sie gaben im Verlauf des Nachmittags stark ab, im Einklang mit europäischen Branchenvertretern wie etwa Hapag Lloyd, die ebenfalls absackten.
Auf der Gewinnerseite fanden sich vor allem Titel, die zuletzt starke Verluste eingestrichen hatten, wie etwa Adecco. Aber auch die zuletzt gebeutelten Sika holten auf, ebenso wie Geberit. «Sie dürften nun wieder die Marke von 500 Fr. in Angriff nehmen», kommentierte ein Händler. Die Luxusgütertitel Swatch Group gewannen, während Konkurrent Richemont die anfänglichen Gewinne nicht verteidigen konnten.
Bei den Schwergewichten fiel das Fazit unterschiedlich aus: So gewannen Roche GS 0,6% hinzu und stützten den Markt, während Nestlé und Novartis diesen nach unten zogen. Letztere gaben am Berichtstag bekannt, dass sie am ESMO-Kongress neue Daten zu zwei Mitteln präsentieren werden.
Auf den hinteren Rängen waren die Aktien des österreichischen Motorradbauers Pierer Mobility mit einem Kursplus von 5,2% gefragt. Das Unternehmen hat im ersten Semester den Rekordumsatz des Vorjahres noch einmal gesteigert und die Prognose erhöht . Das Tageshoch im zweistelligen Bereich wurde jedoch im Tagesverlauf wieder etwas geschmälert.
Peach Property schlossen nach Zahlen 2% höher. Die Valoren verloren im bisherigen Jahresverlauf fast die Hälfte ihres Werts und zählen zu den schwächsten der Immobilienbranche 2022. TX Group büssten – ebenfalls nach Zahlen – 0,3% ein. Molecular Partners büssten nach einer Rating- und einer Kurszielsenkung durch RBC 5,1% ein.
Konjunktursorgen setzen Wall Street zu
An der Wall Street hält die Furcht vor einem starken wirtschaftlichen Abschwung die Anleger weiter in Schach. Nach einer Talfahrt am Freitag und weiteren Verlusten zu Wochenbeginn drehten die wichtigsten Indizes am Dienstag deutlich ins Minus. Zudem fürchteten die Anleger ein Wiederaufflammen der Spannungen zwischen China und Taiwan.
Der Leitindex Dow Jones Industrial fiel um 0,88% auf 31’816,77 Punkte und bewegte sich damit auf dem Niveau von Ende Juli. Der marktbreite S&P 500 büsste 1,09% auf 3986,55 Punkte ein. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 1,35% auf 12’315,57 Zähler nach unten.
Das Umfeld sei insgesamt trüb und von Nervosität geprägt, hiess es von Börsianern. Denn «die Zentralbanken haben klargemacht, dass der Kampf gegen die hohe Inflation ihr Hauptanliegen ist» und eine sogenannte harte Landung, also die Inkaufnahme einer Rezession, der Preis sein könnte, der dafür gezahlt werden müsse, sagte Marktanalyst Craig Erlam vom Handelshaus Oanda.
Als Belastung kamen am Dienstagnachmittag Medienberichte hinzu, wonach das taiwanesische Militär Warnschüsse auf zivile Drohen in der Nähe einiger zu Taiwan gehörenden Inseln abgegeben habe. Die Drohnen seien danach Richtung China geflogen.
Unter dieser Nachricht litten in New York insbesondere die Aktien dort gelisteter chinesischer Technologieunternehmen. So knickten die Anteilsscheine des Suchmaschinenbetreibers Baidu zuletzt um fast 7% ein. Zudem verwies das Unternehmen bei der Vorlage der aktuellen Quartalszahlen auf «das herausfordernde gesamtwirtschaftliche Umfeld».
Die Beziehungen zwischen den USA und China sind aktuell angespannt. China sieht die demokratisch regierte Insel Taiwan als Teil der Volksrepublik an. Taiwan hingegen versteht sich als unabhängig. Ein Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in dem Inselstaat hatte Anfang August schwere Spannungen mit China ausgelöst.
An der S&P-500-Spitze zogen die Aktien von Best Buy um knapp 4% an. Der Unterhaltungselektronik-Händler meldete einen geringer als befürchteten Umsatzrückgang und rechnet im laufenden dritten Jahresviertel mit einem nochmals geringeren Umsatzrückgang als im zweiten.
Euro gibt Gewinne wieder ab
Der Euro hat am Dienstag zwischenzeitliche Kursgewinne teilweise wieder abgegeben. Am Nachmittag kostete die Gemeinschaftswährung 1,0005 $. Am Vormittag war sie noch zeitweise bis auf 1,0055 $ gestiegen.
Gegenüber dem Franken überschritt der Euro mit 0,9748 Fr.wieder die Marke von 0,97 Fr. Am Morgen war der Euro noch zu 0,9672 Fr. gehandelt worden. Der Dollar verteuerte sich auf 0,9744 Fr. nach 0,9672 Fr. am Vormittag.
Am Nachmittag stützte ein robustes US-Verbrauchervertrauen den Dollar. Die Stimmung der Konsumenten hat sich im August stärker als erwartet aufgehellt. Experten verwiesen auf die zuletzt in den USA merklich gefallenen Benzinpreise. Dies sorge für mehr Zuversicht.
Zuvor hatte der hohe Preisdruck in der Eurozone den Eurokurs beflügelt. Schliesslich wächst so der Druck auf die EZB, die Zinsen anzuheben. Nach zwei Monaten mit rückläufigen Werten sprang die Jahresinflationsrate im August auf 7,9%. Die EZB strebt für den gesamten Währungsraum lediglich eine Rate von 2% an.
Zu Wochenbeginn hatten sich zahlreiche EZB-Vertreter überraschend deutlich geäussert. An den Märkten wird für die nächste EZB-Sitzung kommende Woche eine weitere Zinsanhebung um 0,5 Prozentpunkte erwartet, möglicherweise sogar um 0,75 Punkte.
Ob ein derart deutlicher Schritt im EZB-Rat mehrheitsfähig ist, gilt als fraglich. «Hoffentlich ringt sich die EZB auf ihrer Sitzung nächste Woche zu einem grossen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten durch», mahnte Commerzbank -Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,85645 (0,85420) britische Pfund und 138,71 (138,49) japanische Yen fest.
Ölpreise geraten stark unter Druck
Die Ölpreise sind am Dienstag stark unter Druck geraten. Am Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 100,11 $. Das waren 4,98 $ weniger als am Montag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 4,66 $auf 92,35 $.
Gedrückt wurden die Ölpreise durch Nachrichten aus dem Irak. Das staatliche irakische Ölunternehmen Somo teilte mit, dass die Ölexporte trotz der heftigen Konflikte im Land unverändert weiterliefen. Der politische Konflikt im Irak war in der Nacht zum Dienstag weiter in Gewalt umgeschlagen. Videos zeigten die Miliz Saraja al-Salam des einflussreichen Schiitenführers Muktada al-Sadr, die sich in der sogenannten Grünen Zone in Bagdad mit Iran-treuen Milizen schwere Kämpfe liefert. Der Irak ist ein wichtiges Ölförderland und Mitglied des Ölkartells Opec.
Am Montag hatten die Erdölpreise noch kräftig zugelegt. Auslöser waren Sorgen über das ohnehin knappe Angebot. Neben den Unruhen im Irak beunruhigt auch die Lage in Libyen die Märkte. «Es kam am Wochenende in der libyschen Hauptstadt Tripolis zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit mehreren Todesopfern, was neue Zweifel an der Stabilität des Landes und damit auch der Ölproduktion in Libyen aufkommen lässt», schreibt Commerzbank-Experte Carsten Fritsch. Die Produktion hatte sich dort nach monatelanger Blockade von Ölfeldern und Ölhäfen gerade erst wieder normalisiert. Hinzu kommen Äusserungen aus dem besonders ölreichen Land Saudi-Arabien, die auf eine künftig geringere Förderung durch den Ölverbund Opec+ hindeuten könnten.
Begrenzt werden die Preisaufschläge durch die Nachfrageseite. Dort herrscht die Sorge vor, dass die erwartete deutliche Abkühlung der globalen Konjunktur den Bedarf an Rohöl, Benzin und Diesel spürbar verringern könnte. Ungeachtet dessen bewegen sich die Ölpreise immer noch auf hohem Niveau, was vor allem auf den Ukraine-Krieg und scharfe Sanktionen westlicher Länder gegen Russland zurückgeht.
AWP/REUTERS
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