Der Ton im Zwist zwischen den USA und China über angeblich unfaire Handelspraktiken wird schärfer. Doch auch wenn sich die Spirale der von beiden Seiten gegenseitig auferlegten Strafzölle weiter dreht, bleibt das Ganze bisher in erster Linie ein Schattenboxen. Dabei geht es im Streit nicht einmal primär um den gewaltigen Überschuss, den China im Handel mit den USA erzielt, sondern um die von Staatspräsident Xi Jinping vorangetriebene ehrgeizige Industriepolitik.
Hier hat sich allerdings ein Konfliktpotenzial aufgebaut, das mittel- und längerfristig weit explosiver ist als der Streit über chinesisches Aluminium oder amerikanische Sojabohnen. Die Pläne sind ambitioniert: Chinesische Unternehmen sollen bis 2025 in zehn Schlüsselbranchen zur Weltspitze aufschliessen. Bis 2035 soll das Reich der Mitte den USA den Rang der weltweit grössten Volkswirtschaft abgelaufen und sich in eine moderne Gesellschaft verwandelt haben. Und bis 2050 sieht sich China als eine globale Supermacht.
Ein Programm solchen Ausmasses hat die Welt wohl noch nie gesehen. China hat in den vergangenen vier Jahrzehnten bewiesen, dass es wirtschaftliche Reformen effizient umsetzten kann. Allerdings ist der Sprung, zu dem China nun ansetzt, weit kühner als alles bisher Dagewesene. Pekings ehrgeiziges Modernisierungsprogramm kommt einer direkten wirtschaftlichen wie auch geostrategischen Herausforderung für die USA gleich.
Damit sind auch die liberaldemokratischen Modelle der traditionellen Industrienationen einerseits sowie des chinesischen Staatskapitalismus andererseits auf Konfrontationskurs geraten. Das muss zwar nicht unbedingt auf einen Frontalzusammenstoss hinauslaufen. Doch kann eine Eskalation des Streits wahrscheinlich nur dann abgewendet werden, wenn China seinen Heimmarkt weiter öffnet.
Denn bisher ist der Zugang zu den 1,3 Mrd. chinesischen Konsumenten etwa für Autobauer nur in Form von Partnerschaften mit lokalen Konzernen und einem damit verbundenen massiven Technologietransfer möglich. Auch werden ausländische IT-Unternehmen gezwungen, Verschlüsselungen offen zu legen, während aus dem Ausland eingeführte Filme strikten Quoten unterliegen. Der Internet-Verkehr ausländischer Gesellschaften mit ihren Mutterhäusern wird genauestens kontrolliert. Zudem platziert die Kommunistische Partei vermehrt Vertreter in den Aufsichtsgremien ausländischer Tochterunternehmen.
Mit all dem verschafft Peking nicht nur seinen Staatskonzernen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, sondern zementiert auch die Macht der Kommunistischen Partei. Das steht der von den USA verlangten grösseren Marktöffnung diametral entgegen. Allein handelstechnische Anpassungen lösen dieses Problem nicht. Peking steht damit unter wachsendem Druck, weitreichende marktwirtschaftliche und damit letztlich auch politische Reformen umzusetzen. Ob Xi Jinping den dazu nötigen Willen aufbringt, bleibt offen.
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China setzt sich hohe Ziele
Pekings ehrgeiziges Modernisierungsprogramm ist eine geostrategische Herausforderung für die USA. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Ernst Herb.