Das Ende einer Epoche
Die italienischen Fussballclubs und ihre Mäzene haben nicht mehr viel zu lachen.
Die italienischen Fussballclubs und ihre Mäzene haben nicht mehr viel zu lachen. Zum neuesten Opfer der Fussballmisere sind das Nahrungsmittelunternehmen Cirio und sein Hauptaktionär Sergio Cragnotti geworden, die die römische Lazio kontrollieren. - Die Affäre wirbelt an der Mailänder Börse, an der sowohl Lazio als auch Cirio gehandelt werden, viel Staub auf. Die Anleger sind hellhörig geworden, als Ende September für den Club Fiorentina und seinen Kontrollaktionär, das Medienunternehmen Cecchi Gori, die Zahlungsunfähigkeit ausgesprochen wurde. Anders als im Fall Fiorentina – inzwischen vom Schuhfabrikanten Diego Della Valle übernommen – haben aber die Banken die Notbremse gezogen. Sie fordern zur Rettung von Cirio den sofortigen Verkauf der 51%-Quote von Lazio. Als Interessent ist nun die Libyan Arab Foreign Investment aufgetreten, die bereits einen 7,5%-Anteil an Juventus hält. - Die Gläubigerbanken spielen im italienischen Fussball mittlerweile eine grosse Rolle. Die meisten der 38 Vereine der Serie A und B sind hoch verschuldet. Die neuesten Vorfälle zeigen, dass die Geldgeber die Risiken des Fussballgeschäfts inzwischen kritischer einstufen als noch vor kurzem. Angesprochen ist erneut der Verein Lazio, der am Ende des Geschäftsjahres 2001/2002 Nettoverbindlichkeiten von 137,2 Mio. Euro auswies – mehr als viermal so viel wie das Nettovermögen, das sich durch Verluste auf 30,7 Mio. Euro vermindert hat. Für die Hauptgläubigerbanken Capitalia und BNL ist die Lage kritisch, weil sie durch die im August durchgeführte Kapitalerhöhung gezwungen wurden, den 35%-Anteil der Lazio-Emission zu übernehmen, der vom Markt nicht absorbiert wurde. Wie hoch die Gesamtverschuldung der A- und der B-Clubs ist, kann nur geschätzt werden. Eine Untersuchung von Deloitte & Touche für 2001 ergab allein für die 18 A-Vereine kurz- und mittelfristige Verbindlichkeiten von 1904 beziehungsweise 884 Mio. Euro, wovon allerdings ein – nicht genannter – Teil auf die Kontrollaktionäre entfiel. - Die fünf grössten Vereine (Juventus, Inter, Roma, Lazio und Milan) erzielten im Geschäftsjahr 2001/2002 (30.Juni) einen Umsatz von insgesamt 715,5 (706,3) Mio. Euro und erlitten dabei einen Gesamtverlust von 224,3 (204,1) Mio. Euro. Dabei war selbst das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen mit 169,6 (58,7) Mio. Euro deutlich negativ. Den höchsten Verlust (+156% auf 103,1 Mio. Euro) erlitt Lazio. Nur zwei Vereine erzielten einen Gewinn: Angesprochen sind Roma (0,55 Mio. nach 0,86 Mio. im Vorjahr) und Juventus (6,1 Mio. nach 5,8 Mio. Euro). - Die Perspektiven der einzelnen Vereine hängen davon ab, wie sie ihre Kosten unter Kontrolle bringen. Eine weitere Zunahme der Aufwendungen – die fünf Grossen kamen in der Saison 2001/2002 auf insgesamt 881,9 Mio. Euro (+16 %) – lässt sich nicht mehr verkraften, und die Gläubigerbanken werden nicht mehr in die Bresche springen. Deshalb sind vor wenigen Tagen auf Verbandsebene Verhandlungen angelaufen, um ab Anfang Januar den Spielerhonoraren ein Limit zu setzen. Die Zielvorgabe des Präsidenten der Lega Calcio, Adriano Gallani, ist klar: «Es kann nicht sein, dass die Eigentümer der Clubs Probleme bekommen, während sich ihre Beschäftigten eine goldene Nase verdienen.» Die Verhandlungen sollen vor Weihnachten abgeschlossen sein. Unter den A-Vereinen sollen die Honorare 30% gekürzt werden, im Kreis der B-Clubs gar 50%.GD, Mailand