Das kleine Zypern zeigt das grosse Problem Europas: Der Kontinent leidet unter schwach kapitalisierten Banken, die im Notfall ihren Heimatstaat strangulieren. Fünf Jahre Krise und etliche Banken-Stresstests haben daran nichts geändert.
Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Eurogruppe, hat Anfang der letzten Woche die Weltfinanzmärkte aufgeschreckt: Die Bankensanierung in Zypern werde der neue Modellfall für Europa sein, sagte er. Künftig würden im Insolvenzfall einer Bank auch ihre Gläubiger – inklusive Obligationäre und Sparer mit Guthaben über 100 000 € – bluten müssen. Und im Fall von Zypern kann tatsächlich von bluten die Rede sein: Spareinlagen über 100 000 € könnten einen «Haircut» von bis zu 60% erleiden.
Mal davon abgesehen, dass der Zeitpunkt seiner Ankündigung unglaublich dumm gewählt war: In der Theorie hat Dijsselbloem recht. Es wäre tatsächlich wünschenswert, wenn ungesicherte Gläubiger einer kollabierten Bank Verluste erleiden. Bloss ist seine Aussage realitätsfremd. Eine systemrelevante Bank müsste im Notfall im Verlauf eines Wochenendes isoliert und saniert werden können, damit keine Panik ausbricht. Damit das möglich ist, braucht Europa eine Bankenunion, die nicht nur eine übernationale Aufsicht und Einlagenversicherung, sondern vor allem eine mit allen Kompetenzen ausgestattete Abwicklungsbehörde umfasst. Ein gutes Beispiel dafür ist die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) in den USA, die ausgesprochen effizient insolvente Banken abwickelt.
Im Juni 2012 haben die Staatschefs der Eurozone im Prinzip die Schaffung einer derartigen Bankenunion beschlossen. Doch seither haben sie, wie so oft in den vergangenen Jahren: nichts getan. Trotz hehrer Ankündigungen ist von einer funktionierenden übernationalen Aufsichtsinstanz, einer Einlagenversicherung und einer mit Zähnen ausgestatteten Abwicklungsbehörde in Europa weit und breit nichts zu sehen.
Nehmen wir den vollkommen hypothetischen Fall einer italienischen Grossbank, die ins Trudeln gerät: Angenommen, diese Grossbank besitze eine gewichtige Tochter in Deutschland, sei am Interbankenmarkt eng vernetzt und habe Anleihen nach italienischem wie auch nach britischem Recht ausgegeben. Dijsselbloems Worten zum Trotz wären die Instanzen der Eurozone heute überhaupt nicht in der Lage, diesen Fall zu bewältigen. Im Fall eines Kollapses dieser hypothetischen italienischen Grossbank käme es sofort zu einem Kompetenzgerangel zwischen nationalen Aufsichtsbehörden. Mit allergrösster Wahrscheinlichkeit müsste der Staat respektive der ESM-Rettungsschirm einspringen, um eine Marktpanik zu verhindern.
Die Bank of England tut daher in diesem Umfeld das einzig Richtige: Sie befiehlt ihren Banken, mehr Eigenkapital aufzubauen ( lesen Sie hier mehr dazu ). Das bietet zwar keinen absoluten Schutz. Aber es erhöht die Robustheit des Systems. Und genau das hat die Eurozone dringend nötig.
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Das kleine grosse Problem Europas
Der Kontinent leidet nach wie vor unter schwach kapitalisierten Banken, die im Notfall ihren Heimatstaat strangulieren. Ein Kommentar von FuW-Chefredaktor Mark Dittli.