Die Ansteckungszahlen mit dem Coronavirus stagnierten auf sehr hohem Niveau, und mit der neuen, viel ansteckenderen Virusvariante drohe ein rascher Wiederanstieg der Zahlen: So begründet der Bundesrat seine massiven Verschärfungen der geltenden Coronamassnahmen. Nur: Die Ansteckungszahlen sinken seit Tagen, aktuell liegt der 7-Tage-Durchschnitt 15% niedriger als vor Wochenfrist. Der Wiederanstieg der Ansteckungen ist vorerst reine Spekulation.
Konkret wird die schon geltende Schliessung der Restaurants, Kulturbetriebe, Sportanlagen und Freizeiteinrichtungen bis Ende Februar verlängert. Überdies werden ab dem 18. Januar die Läden mit Waren des nicht täglichen Bedarfs geschlossen, private Treffen auf maximal fünf Personen beschränkt, dasselbe gilt für Treffen im öffentlichen Raum. Zudem werden die Unternehmen verpflichtet, dort Homeoffice anzuordnen, wo dies möglich ist. Zum Thema der Verhältnismässigkeit und damit auch der Verfassungskonformität dieser Massnahmen schweigt der Bundesrat.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Bundesrat zumindest teilweise von der Realität abgehoben hat. Am Dienstag hat die Wirtschaftskommission des Nationalrats in einem Schreiben an den Bundesrat festgehalten, dass Verschärfungen der Massnahmen «nur in Abhängigkeit von der tatsächlichen epidemiologischen Lage und nicht bereits vorsorglich verhängt werden». Überdies lehnt sie sowohl eine Homeoffice-Pflicht wie auch eine Schliessung der Läden ab. Der Bundesrat kümmert sich jedoch offenkundig nicht um die Mahnungen dieser Kommission. Das ist nicht das, was man unter gelebter Demokratie versteht.
Ebenso wenig interessieren den Bundesrat offenbar Aufrufe und offene Briefe verschiedener Branchen. Stellvertretend sei auf den offenen Brief von Gastrosuisse verwiesen, der am Dienstag in verschiedenen Zeitungen als Inserat publiziert worden ist; die Branche schlägt Alarm. Auch wenn sie in der Tendenz wohl eher überzeichnet, stimmt der Kern der Aussage, wonach die Existenz weiter Teile der Gastronomie auf dem Spiel steht. Auf den Punkt gebracht: «Es kann nicht sein, dass Sie den Niedergang der Schweizer Gastronomie als Kollateralschaden in Kauf nehmen und Tausende von Existenzen vernichten.»
Von anderen Branchen, wie etwa der Textilpflege, der Car- und Taxibranche oder der Event-Branche klingt es ähnlich. In der Tat stehen Tausende von Arbeitsplätzen und Existenzen auf dem Spiel, es werden massive soziale Probleme provoziert. Es ist kaum zu glauben, dass das den Bundesrat kalt lässt.
Hinzu kommt noch die Verschärfung der Lage des Bundeshaushalts. Der Bund wird zur Abfederung der schlimmsten Schäden erneut etliche Milliarden Franken ausgeben müssen. Gemäss Finanzminister Ueli Maurer könnten die Zusatzschulden zum Jahresende 2021 über 30 Mrd. Fr. betragen. Sein Ziel ist nach wie vor, diese ohne Steuererhöhungen wieder abzubauen. Wie realistisch das ist, wird sich noch zeigen müssen. Auf jeden Fall sind alle Prognosen und Budgets für das neue Jahr schon jetzt zur Makulatur geworden.
Eines ist klar: Der Bundesrat verschafft sich mit seinem Vorgehen kaum neue Freunde. Seine schlecht begründeten Verschärfungen werden die Skepsis in der ohnehin schon coronamüden Bevölkerung verstärken und das Vertrauen in die Regierung weiter schädigen. Das hat sich der Bundesrat selbst zuzuschreiben.
Leser-Kommentare
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Klar. dann warten wir mal bis die Lawine runter kommt bevor wir die vorsorglichen Verbannungen beginnen. Kann die Position nicht teilen
In der Zoologie nennt man das Herdentrieb.
Ja, Berset ist so lange ein williges Werkzeug, wie er noch Skifahren kann – denn diesen Sport verteidigt er vehement. Ich bin sehr davon überzeugt, dass die Entscheidungen derjenigen, die zu entscheiden haben oder dürfen, nicht ganz uneigennützig ausfallen!