Der Chart des Tages
Liegt der Gleichgewichtszins bei 2 oder bei 0%?

Quelle: Bank of America Merrill Lynch
Wieder einmal wurde die Zinswende zu früh ausgerufen. Für dieses Jahr rechneten die meisten Investoren mit steigenden US-Langfristzinsen und rückläufigen Anleihenkursen, da die US-Notenbank der ersten Leitzinserhöhung näherrückt. Doch stattdessen sind die Anleihenrenditen gefallen, lange US-Treasuries haben deutlich an Wert gewonnen.
Die anhaltend niedrigen Zinsen stellt Anleger vor ein Rätsel. Einige vermuten, dass die fallenden Zinsen mit dem niedrigeren erwarteten Gleichgewichtszins zusammenhängen, da das zukünftige Wachstum in den USA tiefer als in den vergangenen Jahrzehnten ausfallen wird. Er soll demnach näher bei 0 liegen als bei 2%, wie bisher angenommen. Der Gleichgewichtszins ist der Zins, bei dem Vollbeschäftigung mit stabiler Inflation herrscht.
Ein gutes Mass für den Gleichgewichtszins ist der über lange Zeit durchschnittliche reale Kurzfristzins. Dieser reale Zins, gemessen als Fed Fund Rate – den US-Leitzinsen – abzüglich der Inflationsrate, ist in in der Grafik seit 1921 abgetragen. Im Mittel betrug er 0,8%, was näher bei 0 als bei 2% wäre. Die Analysten von BofA ML zweifeln allerdings, ob die Daten vor 1960 für die heutige Zeit relevant sind. Es gab damals heftige Ausschläge des Realzinses, einmal während der Deflation der 1930er-Jahre und dann wegen der Inflation und der fixierten Zinssätze während des Zweiten Weltkriegs. Sie beschränken sich bei der Analyse deshalb auf die Zeit nach 1960.
Dabei massen sie den durchschnittlichen Realzins über komplette Konjunktur- und Inflationszyklen, da zum Beispiel Perioden mit steigender Inflation ungewöhnlich tiefe Realzinsen ausweisen. Sie kommen zum Schluss, dass der Gleichgewichtszins nahe bei 2% war. Sie gestehen zwar ein, dass weniger Potenzialwachstum den Gleichgewichtszins senken könnte. Doch er würde immer noch näher bei 2% als bei 0 liegen.
Trifft das zu, dann wäre die aktuelle Gegenbewegung bei den Anleihenrenditen nur von kurzer Dauer und die Zinsen müssten bald wieder steigen.
Den Chart vom Dienstag finden Sie hier.
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