Die 3-D-Druck-Revolution aus dem Nichts
Waren entstehen dank 3-D-Druckern Schicht für Schicht bei jedermann zu Hause. Dies wird die «Wirtschaftswelt erschüttern», meint ein MIT-Professor.

Das Herz eines jeden Oldtimer-Fans hat beim letzten «James Bond» für einen Schlag ausgesetzt. Mindestens. Ein Aston Martin DB5 geht in «Skyfall» nach einer spektakulären Explosion in Flammen auf. Das Auto, das der Kinoheld im ersten Bond-Film vor fünfzig Jahren fahren durfte – und das nun gerade den Besitzer für 5 Mio. $ gewechselt hat. Sind die vollends des Wahnsinns beim Film? Nein – Hollywood hat nur 3-D-Druck für sich entdeckt. Und auch Anleger sollten einen Blick auf die Technik werfen.
Voxeljet hat den DB5 als Replika für Bond hergestellt, und zwar gleich drei Modelle mithilfe der 3-D-Technologie. Der deutsche Hersteller von 3-D-Druckern aus Augsburg betreibt nach eigenen Angaben eines der grössten Dienstleistungszentren Europas für Metallgussformen auf Abruf.
Produkte im Handumdrehen
Schicht für Schicht bauen sich Objekte praktisch aus dem Nichts auf bei diesem Verfahren, das nun auch für zu Hause erhältlich ist. Nur wenig mehr als 1000 Fr. kosten solche Geräte noch für den Heimgebrauch. Mit CAD-Software (Computer Aided Design) wird jeder zum Produzenten eigener Waren: Tassen, Spielzeuge, Handyhüllen – alles Erdenkbare entsteht im Handumdrehen.
In der Industrie ist die Technik schon einen Schritt weiter. Es gibt kaum eine Branche, die nicht damit experimentiert: von Ersatzteilen für die Automobilindustrie über Möbelstücke bis hin zu menschlichen Organen – gleichsam aus dem Drucker. Die Erwartungen sind dementsprechend hoch. «3-D-Druck wird nicht nur die Machtverhältnisse in der industriellen Fertigung neu definieren», sagt Neil Gershenfeld, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), «sondern die Wirtschaftswelt als Ganzes erschüttern.»
Das wirft eine Menge Fragen auf: Wie verändert sich die Wertschöpfungskette,
wenn Hersteller nicht mehr auf die Montage von Teilen in Niedriglohnländern angewiesen sind? Wie sehen Produkte künftig aus, wenn klassische Fertigungsverfahren die Ideenvielfalt der Designer nicht mehr beschränken? Welche Folgen hat die Technik für das Urheberrecht, wenn Produkte in Sekundenbruchteilen digitalisiert und nachgeahmt werden können?
Antworten darauf fehlen. Die Technik reift in vielen Feldern erst noch. «Wir befinden uns in der Phase der Amateurinformatiker der Siebzigerjahre», erklärte MIT-Professor Gershenfeld unlängst in einem Interview. «Wir stehen kurz vor dem Umschwung.» Dabei ist die Palette möglicher Einsatzgebiete gross – und in erster Linie vom Können der 3-D-Drucker sowie von den verwendbaren Materialien abhängig.
Zügiger Fortschritt führt zu besserer Qualität
Die häufigste Nutzungsform bleibt Rapid Prototyping: Die zeitnahe Fertigung von Modellen und Prototypen erlaubt es, optische und ergonomische Gesichtspunkte besser im Designprozess zu berücksichtigen. Immer widerstandsfähigere Materialien und bessere Fertigungstechnologien begünstigen ein weiteres Einsatzgebiet, das Rapid Manufacturing. Professionelle Drucker fertigen hierbei Komponenten, die qualitativ gut genug sind, um in industriellen Endprodukten verbaut zu werden.
Inzwischen ist das Geschäft mit 3-D-Druckern dicht bevölkert. Laut Erhebungen von Wohler Associates, einem auf das Thema spezialisierten Marktforscher, stellen weltweit über dreissig Gesellschaften Endgeräte her. Viele sind dabei in mehreren Segmenten aktiv. Wie auch der US-Konzern Stratasys. Der 1989 gegründete Branchenveteran bietet professionelle 3-D-Drucker in der Preisspanne zwischen 15 000 und 380 000 $ an – und hat 2012 dank seiner Fusion mit dem israelischen Rivalen Objet die Marktführung gefestigt.
Auch nutzt er den eigenen Maschinenpark, um Auftragsarbeiten für Kunden durchzuführen, die sich keine eigenen Drucker leisten können. Zuletzt stellte Stratasys zudem Geräte für Hewlett-Packard her, die HP unter eigenem Logo weiterverkaufte. Die Kooperation wurde vergangenen Sommer aufgelöst.
Bekanntes Geschäftsmodell
Noch breiter aufgestellt ist 3D Systems: Neben professionellen Geräten und Services ist das US-Unternehmen im Privatkundengeschäft präsent, das über den Zukauf des britischen Wettbewerbers Bits From Bytes verstärkt wurde.
Geld fliesst nicht nur über den Geräteverkauf in die Kassen.
Einträglich gestaltet sich – wie bei Tintenstrahldruckern – auch das Geschäft mit Verbrauchsmaterialien: Laut Wohlers Associates betragen die Absatzpreise für den professionellen Einsatz zwischen 100 und 300 $ pro Kilogramm. Gerade Maschinen für Unternehmenskunden werden dabei häufig so konzipiert, dass sich nur Materialen der jeweiligen Gerätehersteller nutzen lassen.
Während 3-D-Printer erschwinglicher werden, zieht die Softwarebranche nach: US-Branchenführer Autodesk bietet ein App, über das sich Gegenstände einfach ausmessen lassen.
Es genügt, mehrere Dutzend Fotos des Objekts zu schiessen. Die Applikation berechnet aus den zweidimensionalen Bildern ein dreidimensionales Modell, das sich anschliessend modifizieren lässt. Angesichts der engen Verknüpfung zwischen CAD und 3-D-Druck betätigen sich viele Hardwareanbieter auch als Wiederverkäufer von Software – ohne diese selbst zu entwickeln. Das liegt gemäss Wohlers Associates einerseits daran, dass sich im Geschäft mit Geräten, Materialien und Services die attraktiveren Margen erzielen lassen. Andererseits verfügen CAD-Softwarehäuser wie Autodesk oder Dassault über Patente, die den Markteintritt neuer Wettbewerber erschweren.
Zuspruch durch Obama
Der Verfall der Preise für 3-D-Geräte und die Aussicht eines stark expandierenden Privatkundengeschäfts haben einen Börsenboom ausgelöst – weiter angefacht von Barack Obama: Die Technik habe das Potenzial, die Herstellung von «beinahe allem» zu revolutionieren, erklärte der US-Präsident jüngst in einer Rede an die Nation. Stratasys und 3D Systems sind schon stark gestiegen. Trotzdem ist das Potenzial nicht ausgeschöpft.
Heimgeräte werden zwar immer günstiger, es ist aber nicht davon auszugehen, dass künftig alles Mögliche auch zu Hause gedruckt wird. Fehlende Kreativität stellt dabei kein Problem dar: Aus Online-Datenbanken lassen sich gratis fixfertige CAD-Daten laden, vom nachmodellierten Museumsstück über den Schlüsselanhänger in Hundeform – bis zum täuschend echten Imitat der Google-Hightech-Brille Glass, die es noch gar nicht gibt.
Nach 3-D kommt 4-D
Schwierigkeiten bereitet vielmehr die Physik. 3-D-Heimgeräte dürften noch einige Jahre lang kaum in der Lage sein, Produkte in ausreichender Qualität mit feiner Oberflächenstruktur oder hoher Widerstandskraft zu versehen. Experten gehen jedoch davon aus, dass immer mehr Konsumenten bei lokalen Anbietern – die über Profi-Equipment verfügen – gedruckte Produkte bestellen werden.
So gewinnen wie bei jedem Goldrausch nicht nur die Goldgräber allein, sondern auch die Hersteller der Schaufeln – also spezialisierte Dienstleister. Und bereits ist die Rede von 4-D: Als vierte Dimension kommt die Zeit ins Spiel. Über ihre Lebensdauer sollen sich Objekte selbständig verändern, etwa an ihre Umgebung anpassen. Skylar Tibbits vom MIT sagt: «Drucken an sich ist ja eigentlich nichts Neues. Wichtig ist, was danach geschieht.»
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