Die grosse Rotation
Steht eine grosse Verschiebung der Kapitalströme vom Bond- in den Aktienmarkt bevor? Einiges deutet darauf hin.
Dieser Chart aus einer Studie von Michael Hartnett, Chefstratege von Bank of America Merrill Lynch, sagt eigentlich alles:

In den vergangenen sieben Jahren sind weltweit kumuliert 819 Mrd. $ Anlagegelder in Bondfonds geflossen (orange Kurve), während Aktienfonds (Long only) einen kumulierten Mittelabfluss von 573 Mrd. $ (blaue Kurve) erlitten haben.
In der kürzeren Frist sieht es ähnlich aus, wie die folgende Grafik von Hartnett zeigt:

Die Anlageklasse Equities (Long only) verzeichnete in den letzten drei Jahren Abflüsse, während von inflationsgeschützten Treasuries (TIPS) bis zu verbrieften Hypothekarkrediten (Mortgage Backed Securities, MBS) alle Segmente der Festverzinslichen zum Teil markante Zuflüsse erlebten.
Meldungen aus dem Feld der institutionellen Investoren passen in dieses Bild. In Grossbritannien halten Pensionskassen erstmals seit den Fünfzigerjahren eine höhere Allokation ihrer Anlagegelder in Bonds als in Aktien. Lebensversicherer in Deutschland und der Schweiz melden Aktienquoten von unter 2%, und auch in Schweizer Pensionskassen steht die Aktienallokation auf einem Mehrjahrestief. Kurz: Aktien sind unbeliebt.
Und genau weil sie so unbeliebt sind, könnte sich das Blatt nach Ansicht Hartnetts jetzt zu ihren Gunsten wenden. Der folgende Chart zeigt die Bondrenditen am Beispiel zehnjähriger US-Treasuries (Quelle: BoA ML):

Sie liegen auf dem niedrigsten je verzeichneten Niveau. Wer heute Treasuries kauft, erhält eine nominelle jährliche Rendite von 2%. Keinen Basispunkt mehr.
Der folgende Chart, den Hartnett mit «Geburt der Aktien» überschreibt, zeigt die Renaissance der Anlageklasse Aktien:

Der über die letzten zehn Jahre rollend erzielte Return mit grosskapitalisierten Aktien liegt wieder deutlich im positiven Bereich. Die Jahre, als Anleger feststellen mussten, dass sie über zehn Jahre mit Aktien Geld verloren haben, sind – zumindest vorerst – vorbei.
Besonders attraktiv ist die folgende Grafik von Hartnett:

Sie zeigt den amerikanischen Bond- und Aktienmarkt seit 1900. Sehr eindrücklich ist zu sehen, wie der Bondmarkt (orange Kurve) einem langen zyklischen Muster folgt. Der letzte untere Wendepunkt war zwischen 1948 und 1950 zu verzeichnen. Die blaue Kurve zeigt, wie der Aktienmarkt vor den Wendepunkten am Bondmarkt jeweils eine mehrjährige Seitwärtsbewegung durchlief (rot markiert). Mit Erreichen des Wendepunktes am Bondmarkt – sowohl am Hoch- wie auch am Tiefpunkt – begann am Aktienmarkt dann wieder eine lange, strukturelle Hausse (1920 bis 1929, 1950 bis 1966, 1982 bis 2000).
Nun könnte also wieder eine derartige Stabsübergabe anstehen. Wie die erste Grafik oben zeigt, könnte in den kommenden Monaten und Jahren eine gigantische Summe an Anlagegeldern vom Bond- in den Aktienmarkt fliessen – eine These, die übrigens auch Ray Dalio vom grössten Hedge Fund Bridgewater Associates unterstützt ( lesen Sie hier mehr dazu ).
Aber Achtung: Es wird sich dabei um eine lange, gemächliche Verschiebung mit vielen kurzfristigen Gegenbewegungen handeln. Derzeit zeigen die Stimmungsindikatoren an den Börsen eher eine überkaufte Situation an, wie meine Redaktionskollegen Gregor Mast und Peter Rohner in diesem und in diesem Beitrag dargelegt haben. Das lässt auf eine baldige Korrektur an den Aktienmärkten schliessen.
Damit die von Hartnett skizzierte «grosse Rotation» funktioniert, sollten die Zinsen an den Bondmärkten zudem langsam steigen. Ein starker, abrupter Anstieg der Zinsen wäre ein Schock, den die Börsen wahrscheinlich mit kräftigen Abgaben quittieren würden.
Wir bleiben dran.
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