«Die Kartellfrage wird uns nicht stoppen»
Rolf Soiron und Bruno Lafont, die Verwaltungsratspräsidenten von Holcim und Lafarge, wollen mit der Fusion im weltweiten Zementmarkt ein Zeichen setzen.

Ein Paukenschlag, wie er in der Wirtschaft selten vorkommt: Die Nummern eins und zwei einer Branche wollen fusionieren. Die beiden Verwaltungsratspräsidenten von Holcim und Lafarge erachten das Kartellproblem als lösbar und nicht als entscheidende Hürde. Es sollen Produktionskapazitäten mit einem Gesamtumsatz von 6 Mrd. Fr. veräussert werden. «Mit den Mitteln werden wir in erster Linie die Verschuldung reduzieren und die Bilanz stärken», betont der abtretende Holcim-Präsident Rolf Soiron. Der neue Zementriese soll ab 2015 Aktionärswert schaffen – was weder Holcim noch Lafarge seit 2008 gelungen ist.
Das Austauschverhältnis eine Aktie Holcim für eine Aktie Lafarge scheint gemessen an zahlreichen Kennziffern zum Nachteil für Holcim-Aktionäre ausgefallen zu sein. Haben diese den Kürzeren gezogen? - Rolf Soiron: Wir haben sehr lange über das Austauschverhältnis verhandelt. Es kommt ja immer etwas darauf an, welcher Zeitraum für die Bewertungen herangezogen wird. Aber mit Blick auf das Potenzial, das sich auch für die Holcim-Eigner ergibt, sind solche Feinheiten nicht zentral. Wir sind zum Beispiel nicht mehr gezwungen, in vielen Ländern in die Präsenz zu investieren. Daher bin ich zutiefst überzeugt, dass das Austauschverhältnis auch im Interesse unserer Aktionäre liegt.
Seit Jahren leidet die Baustoffbranche unter Margendruck und Überkapazitäten. Werden diese als eine Folge der Fusion nun endlich abgebaut? - Bruno Lafont: Die Transaktion hat nicht zum Ziel, Produktionseinheiten zu schliessen. Wir haben unsere Kapazitäten bereits in den vergangenen Jahren kräftig heruntergefahren. Es bestehen zwar noch Überkapazitäten. Doch die Konjunktur in Europa beginnt sich zu erholen, und der Aufschwung könnte vor allem in Zentral- und Osteuropa signifikant sein.
Wie viel Wachstum ist nötig in Europa, damit Nachfrage und Kapazitäten wieder im Lot sind? - Lafont: Seit 2008 ist der Baumarkt stark geschrumpft. In Ländern wie Frankreich und Grossbritannien, wo die Häuserproduktion 25 bis 30% zurückgegangen ist, aber zum Beispiel auch in Polen und Rumänien gibt es einen hohen Nachholbedarf. Die Anlagen sind vorhanden, ihr Wert ist abgeschrieben, und so ist es sinnvoller, sie stehen zu lassen für die Zeit, wenn die Nachfrage anzieht. Ich sehe eher Kapazitätsreserven als -überhänge.
Aber weder Holcim noch Lafarge haben in den letzten Jahren die Kapitalkosten verdient. Wann wird das der Fall sein? - Lafont: Ich denke, 2015. Die Rechnung ist simpel. 3% Volumenwachstum bedeuten eine Steigerung der operativen Marge um einen Prozentpunkt. Mit 20% wären es sechs Prozentpunkte. Noch ist es nicht so weit. Der Zementmarkt hat sich erst stabilisiert, wächst aber noch nicht.
Soiron: Der Blick sollte aber auch über Europa hinausgehen. Auf dem Kontinent werden noch etwa 20% unserer Kapazitäten stehen. Die geplanten Fortschritte sind keine Träumereien. Die USA etwa erholen sich, im wichtigen Markt Indien könnte die Wende zum Besseren nach den Wahlen kommen.
Welche Botschaft haben Sie an die Aktionäre von Holcim und Lafarge? - Soiron: Es geht um stete, überschaubare Fortschritte, die wir tatsächlich erreichen und nachher auf Dauer bestätigen wollen. Das Ziel lautet, unseren Investoren stabilere, berechenbarere Resultate zu liefern. Wir müssen ihr Vertrauen wiedergewinnen, dass wir fähig sind, uns Schritt für Schritt zu verbessern.
Mit anderen Worten: Die Rendite auf dem eingesetzten Kapital soll konstant über den gewichteten Kapitalkosten liegen. - Soiron: Wir müssen unsere Kapitalkosten auf jeden Fall verdienen. Das ist ein Ziel, das jeder vernünftige Geschäftsmann anstreben sollte. Danach gilt es, weitere Fortschritte zu erzielen.
Lafont: Unser Plan ist, in drei Jahren vier Prozentpunkte auf Stufe Betriebsergebnis Ebitda herauszuholen. Auf einem Umsatz von 30 Mrd. Fr. sind das 1,2 Mrd. Fr. oder 800 Mio. Fr. mehr Gewinn nach Steuern als im vergangenen Jahr.
Inwieweit könnten kartellrechtlichen Auflagen der Behörden den Fusionsprozess behindern? - Lafont: Die Überlappungen der Standorte summieren sich auf 10 bis 15% des Umsatzes. Für uns spielt es keine entscheidende Rolle, ob es 10, 15 oder gar etwas mehr sind. Zentral ist, den Kartellbehörden Lösungen zu präsentieren, die sie akzeptieren werden. Das Ziel besteht wirklich nicht darin, die allerletzte Optimierung herauszupressen. Wir haben so viele Vermögenswerte anzubieten, dass wir potenziellen Käufern ein hübsches Paket anbieten können.
Wer könnte Interesse zeigen? - Lafont: Das können Private-Equity-Häuser sein oder ein Zementhersteller aus einem anderen Kontinent, der noch nicht in Europa präsent ist. Und natürlich bereits existierende Konkurrenten.
Soiron: Die Europäische Kommission wird jeden einzelnen Fall separat analysieren und die Frage klären, ob die Marktmechanismen beeinträchtigt werden oder nicht. Daher werden wir eine sehr kooperative Haltung einnehmen.
Sie haben erwähnt, dass Mitbewerber an Fabriken interessiert sein könnten. Einige von ihnen sind aber hoch verschuldet. - Lafont: Nicht alle. Sie sprechen vor allem von den Konkurrenten in Europa und der mexikanischen Cemex. Bedenken Sie: Noch nie hat sich Unternehmen aus bedeutenden Schwellenländern wie Brasilien und Indien eine solch einzigartige Gelegenheit geboten, in den rechtlich sicheren europäischen Zementmarkt einzutreten, moderne Anlagen und gut ausgebildete Mitarbeiter auf einen Schlag zu übernehmen und auf eine wirtschaftliche Erholung zu setzen. Uns dagegen hat es Jahrzehnte gekostet, diese Kapazitäten aufzubauen.
Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Mittel mit den Verkäufen gelöst werden? - Lafont: Nein, dafür ist es zu früh.
Was wird mit dem Erlös passieren? - Soiron: Wir werden in erster Linie die hohe Verschuldung reduzieren und unsere Bilanz stärken. Auch so wird Aktionärswert geschaffen. Die Mittel betrieblich zu investieren, erachten wir im momentan herrschenden wirtschaftlichen Umfeld als nicht sinnvoll.
Werden Sie unter Umständen gezwungen sein, zu niedrigen Preisen zu verkaufen? - Lafont: Nein, es handelt sich wirklich um gute Vermögenswerte. Lafarge ist es selbst in den schwierigsten Jahren gelungen, Assets zu einem guten Preis zu veräussern.
In wie vielen Ländern rechnen Sie mit grösseren kartellrechtlichen Problemen? - Lafont: Weniger als zehn.
Soiron: Unser Hauptaugenmerk gilt dem Wachstum. Zusammen sind wir in sämtlichen Emerging Markets massgeblich vertreten, während sich das Gewicht Europas verringern wird. Die Kartellfragen werden uns nicht stoppen. Die zentrale Botschaft lautet vielmehr: Die Zementindustrie muss die Kapitalkosten verdienen und Aussichten auf Wachstum haben, sodass sich Aktieninvestments für Investoren wieder lohnen.
Welches ist das grösste Risiko im Fusionsprozess? - Soiron: Die Umsetzung der Pläne. Es gibt Tausende von Dingen, die gleichzeitig zu reorganisieren sind. Wichtig ist, dass der Prozess durch ein Management geleitet wird, das dieselbe Sprache spricht, die gleichen Werte verfolgt sowie unbürokratisch, effizient und performanceorientiert handelt. Und nicht zuletzt müssen die Mitarbeiter am richtigen Ort platziert werden und am selben Strick ziehen.
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