Es herrscht inzwischen weitgehende Einigkeit, dass das 2010 in den USA verabschiedete Dodd-Frank-Gesetz zur Finanzreform die mit der Systemrelevanz einiger Grossbanken verbundenen Probleme nicht gelöst hat. Was jedoch die Lösungsvorschläge hierfür angeht, besteht kein derartiger Konsens. Im Gegenteil: Die Finanzregulierung hat sich zu einem zentralen Thema der Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November entwickelt.
Wer also hat den plausibleren und praktikableren Plan zur Verringerung der mit sehr grossen Finanzunternehmen verbundenen Risiken? Die Demokraten haben eine vereinbarte und umsetzbare Strategie, die eine klare Verbesserung gegenüber dem Status quo darstellen würde. Der Vorschlag der Republikaner ist leider ein sicherer Weg in eine noch grössere Katastrophe, als die USA (und die Welt) sie 2008 erlebt haben.
Auf demokratischer Seite weisen Hillary Clintons Wahlkampfmaterialien und das Parteiprogramm auf einen detaillierten Plan hin, um Dodd-Frank zu verteidigen und den Weg weiterzuverfolgen, die grössten Unternehmen unter Druck zu setzen, weniger komplex und gegebenenfalls kleiner zu werden. Die Banken müssen sich zudem auf stabilere Weise finanzieren. Falls Clinton die Wahl gewinnt, kann sie auf starke Unterstützung von den Demokraten im Kongress – darunter ihrem Rivalen um die Nominierung ihrer Partei, Bernie Sanders, und seiner Amtskollegin Elizabeth Warren – zählen, wenn sie in diese Richtung drängt.
Trump, der «Schuldenkönig»
Einige Kommentatoren behaupten, dass Clinton in der Frage der Finanzregulierung im Wahlkampfverlauf «nach links gezogen» worden sei. Betrachtet man Clintons Aussagen während dieses Wahlzyklus jedoch sorgfältig, so sieht man, dass sie von Anfang an fast völlig mit dem identisch waren, was Warren während der vergangenen sechs Jahre angestrebt hat. Und diese Ziele sind perfekt mit dem abgestimmt, was alle verantwortlichen staatlichen Amtsträger wollen. Jeder, der bei klarem Verstand ist, sucht zu verhindern, dass die grössten Banken ausser Kontrolle geraten, ihre Risiken in fragwürdige, unregulierte Aktivitäten (ob in der Bilanz ausgewiesen oder nicht) verlagern und die Verbraucher über den Tisch ziehen.
Dies ist eine absolut verantwortungsbewusste und vernünftige Agenda. Sie wird natürlich von denjenigen abgelehnt, die auf die eine oder andere Weise dafür bezahlt werden, dass sie die grössten Banken repräsentieren.
Auf republikanischer Seite sind Donald Trumps genaue Absichten weniger klar. Allerdings bezeichnet er sich selbst stolz als «Schuldenkönig», was nicht besonders ermutigend ist. Enorme Schuldenberge mögen dazu beitragen, einzelne Bauträger oder Financiers reich zu machen, aber für die Gesamtwirtschaft verheissen sie in der Regel nichts Gutes. Es waren genau solche Schuldenberge, die 2008 über der US- und der Weltwirtschaft zusammenbrachen. Viele wurden in der grossen Rezession, die darauf folgte, darunter begraben; noch viel mehr sind immer noch dabei, sich einen Weg an die Oberfläche freizuschaufeln.
Zu simpler Ansatz
Anders als Trump haben die Republikaner im Repräsentantenhaus detaillierte Pläne formuliert und veröffentlicht, die sich in fairer Weise mit den Vorschlägen der Demokraten vergleichen lassen. Und im Falle einer Präsidentschaft Trumps würde die Finanzpolitik voraussichtlich in weiten Teilen vom Ausschuss für Finanzdienstleistungen des Repräsentantenhauses abgefasst, und die klar geäusserten Prioritäten des Ausschussvorsitzenden sind, den Verbraucherschutz zu verringern und alle wirksamen Beschränkungen der Aktivitäten der Grossbanken abzubauen.
Im Kern der Strategie der Republikaner im Repräsentantenhaus steht eine simple Idee: Alle Finanzhäuser sollten in der Lage sein, in Konkurs zu gehen, ohne die übrige Volkswirtschaft zu beschädigen und ohne dass sich die Regierung einmischen muss. Das ergibt einen guten Wahlkampfslogan. Doch mit der Logik hapert es beträchtlich.
Als im September 2008 Lehman Brothers bankrottging, leistete der Staat keinerlei Unterstützung. Dies hatte katastrophale Folgen für den restlichen Finanzsektor, für die Volkswirtschaft ausserhalb des Finanzsektors und für die Beschäftigungssituation.
Globale Krisen verhindern
Die Republikaner im Repräsentantenhaus schlagen vor, dem durch eine Änderung des Konkursrechts zu begegnen. Auch dies klingt gut, aber was genau bedeutet es?
Lediglich zu versprechen, die Banken im Fall der Fälle nicht zu retten, ist nicht glaubwürdig. Die USA sind ein grosses und mächtiges Land, und wenn sich eine Gefahr manifestiert, kaufen die Anleger US-Bundesanleihen, was die Zinsen nach unten treibt. Amerika verfügt über eine grundsolide Bilanz sowie über eine der glaubwürdigsten Notenbanken der Weltgeschichte.
Wenn in einer Situation die jeweiligen politischen Entscheidungsträger der Ansicht sind, dass die Unterstützung durch die Regierung oder die Notenbank dazu beitragen würde, eine globale Wirtschaftskrise zu verhindern, werden sie entsprechend handeln. Dies ist, was US-Finanzminister Henry Paulson, Notenbankchef Ben Bernanke und Präsident George W. Bush (alles Republikaner) taten, nachdem die Auswirkungen des Zusammenbruchs von Lehman Brothers vollumfänglich deutlich geworden waren.
Regierung muss eingreifen
Es geht in der Frage der Realisierbarkeit des republikanischen Konkursvorschlags im Kern um Folgendes: Wer wird global agierenden, grossen, komplexen Finanzinstituten, die nach einem Konkurs umstrukturiert werden, Geld zur Verfügung stellen? Nicht der Privatsektor, und die Gerichte selbst können keine Kredite aufnehmen. Ohne eine Finanzierung bricht das Vorhaben zusammen – und dann haben wir einen weiteren Fall Lehman Brothers, oder Schlimmeres.
Wir sprechen also zwangsläufig von einem Szenario, in dem ein Teil der US-Bundesregierung mit oder ohne ausdrückliche parlamentarische Zustimmung in aller Eile über einen Richter einen Ad-hoc-Kredit im Umfang von Dutzenden oder Hunderten Milliarden Dollar zur Verfügung stellt. Dies ist verrückt und zutiefst verstörend.
Man stelle sich die geschäftlichen Fehler vor, die dabei passieren werden, und die politische Gegenreaktion. Und dazu kommen dann noch die wirtschaftlichen Verzerrungen, die damit einhergehen, dass eine derart starke Absicherung gegen Risiken zur Verfügung gestellt wird.
Die Demokraten haben sich auf einen Finanzierungsansatz geeinigt, der das Finanzsystem sicherer machen wird, damit es nie wieder an diesen Punkt gelangt. Der Plan der Republikaner hilft nur den systemrelevanten Banken. Und diese Hilfe würde sie noch gefährlicher machen.
Copyright: Project Syndicate.
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Die Konkursillusion der Republikaner
Die Demokraten schlagen einen Finanzierungsansatz vor, der das Finanzsystem sicherer machen soll. Der Plan der Republikaner hilft nur den systemrelevanten Banken. Ein Kommentar von Simon Johnson.