Die Limousinenversion des Continental GT Coupé bietet viel Exklusivität und Platz Luxusliner zum Selbstfahren und Chauffiertwerden
Als Bentley noch zu Rolls-Royce gehörte, wurde die Einführung eines kleineren Modells kategorisch abgelehnt.
Als Bentley noch zu Rolls-Royce gehörte, wurde die Einführung eines kleineren Modells kategorisch abgelehnt. Seit die beiden getrennt sind, Bentley zum Volkswagen-Konzern gehört (Sommer 1998), ist das anders. Im Herbst 2002 brachte die britische VW-Nobeltochter den kleinen Continental GT Coupé auf den Markt, der sich umgehend zum Verkaufsrenner entwickelte. Das mag ein Grund sein, weshalb Bentley dem Coupé im Januar 2005 die technisch identische, statt 4,8 aber 5,3m lange Limousine Continental Flying Spur folgen liess. Sie kostet ab 262635 Fr., wer will, kann die Investition mit verschiedenen Extras um bis rund 40000 Fr. erhöhen. Auch so ist der Flying Spur 90000 Fr. günstiger als der grosse Bentley ArnageR, der im Innenraum kaum mehr Platz bietet. - Mittlerweile erfreut sich Bentley einer so grossen Nachfrage, dass ein Teil der Produktion nach Dresden in die Gläserne Manufaktur verlegt werden musste, wo der erfolglose VW Phaeton hergestellt wird. Das lag nahe, der Bentley hat vieles mit dem Phaeton (und zum Teil mit dem AudiA8) gemeinsam, etwa die Bodengruppe, das Fahrwerk, den Vierradantrieb, Motor und Getriebe – allerdings speziell für Bentley präpariert – sowie die Ausstattung der Mittelkonsole und der Instrumententafel mit Anzeigen, Schaltern und Bedienelementen. Wer sich in einem VW auskennt, fühlt sich im Bentley heimisch. - Wer den Phaeton kennt, spürt ihn im Flying Spur. Das Fahrwerk mit der elektronischen, in vier Stufen einstellbaren Federung/Dämpfung hinterlässt gemischte Gefühle. In der Komfortstellung bügelt sie lange Wellen nahezu glatt. Kurze, harte Schläge werden besonders mit Innerortsgeschwindigkeit an die Insassen weitergegeben und mit Poltern der Aufhängung akustisch untermalt. Die strafferen Einstellungen sind unstandesgemäss hart. - Eine so lange Karosserie ist viel schwieriger verwindungssteif hinzukriegen als die eines Sportcoupés. Verschiedentliches Knacken und Knistern wie im Flying Spur kommt in anderen Premiumfahrzeugen kaum mehr vor. Da müssen die Briten noch etwas tun. Im Übrigen ist die Verarbeitung der ausgesucht edlen Materialien, allen voran des Leders und der Hölzer, von höchster Qualität. Im verschwenderisch grossen Innenraum fühlt man sich wie in einem exklusiven, allerdings modernen, aufgeschlossenen Herrenclub. Besonders mit der für 10190 Fr. erhältlichen Vierplätzerausrüstung mit hinterer Mittelkonsole und elektrisch verstellbaren Einzelsitzen mit Massagefunktion werden lange Reisen auf Autobahnen und gut ausgebauten Landstrassen zum erholsamen Genuss. - Dem Fahrer bereitet der Bentley keine Probleme, wenn er sich – wie in jedem neuen Auto – eingehend mit der Bedienungsanleitung auseinandergesetzt und sich die Funktion der vielen Knöpfe und Schalter gut eingeprägt hat. Auch wenn es ums Fahren geht, zeigt sich die lange Limousine von der besten Seite. Das Auto läuft wie an der Schnur gezogen geradeaus. Trotz des enormen Gewichts von maximal 2,9t lassen sich Kurven mit erstaunlich hoher Geschwindigkeit sicher umrunden. Allerdings ist das ESP zu einem guten Teil mitverantwortlich, es greift früh, aber kaum spürbar ein und hilft, den Wagen auf Kurs zu halten. - Das ist gut so. Die hohe Leistung von 411 kW/560 PS und das Drehmoment von 650 Nm bei 1600/m des sechs Liter grossen, mit Twinturbo aufgeladenen W12-Motors aus dem Audi-/VW-Regal erfordern behutsamen Umgang mit dem Gaspedal. Durch einen festen Tritt darauf macht der leer 2,5t wiegende Flying Spur seinem Namen alle Ehre und wird in 5,2s von null auf 100 km/h katapultiert. Das ist gleich schnell wie der 500kg leichtere Audi A8 6.0 W12. Gewicht und Leistung schlagen sich unweigerlich im Benzinverbrauch nieder. Ihn unter 15l/100 km zu bringen, ist kaum möglich. Wird die Bentley-Limousine häufig im innerstädtischen Stop and go betrieben, verbrennt der Sechslitermotor gut und gern 25 l/100 km, und zwar vom teureren Superbenzin 98 ROZ. - Der Bentley Continental Flying Spur ist kein alltägliches Automobil und wird in den wenigsten Fällen als solches eingesetzt. Wie in dieser Preisklasse üblich, ist er das vierte oder fünfte Auto in der Garage, wird vornehmlich für lange Fahrten genutzt. Da kann er seine Trümpfe voll ausspielen. Es ist ein erhebendes Gefühl, in dieser wunderschönen, hochwertigen Limousine zu reisen.Guy Walder