Die Mall of America in Minnesota – ein Konsumtempel der Superlative
Jedem amerikanischen Ort sein Superlativ.
Jedem amerikanischen Ort sein Superlativ. So nennt sich Bristol, Rhode Island, beispielsweise die «patriotischste Stadt des Landes». Cleveland, Ohio: The best location in the nation. Green River, Utah: die Wassermelonenkapitale der Welt. Minneapolis, Minnesota: Heimat der grössten skandinavischen und somalischen Immigrantengemeinden des Landes – und Domizil der Mall of America, des grössten Einkaufszentrums der USA. - Von Seattle bis Miami und von Boston bis San Diego ist die Mall die Quintessenz des amerikanischen Konsumtraums. Ausserhalb der Stadtzentren auf billigem Boden gebaut, sind die grossen Namen der Detailhandelsbranche in der Regel rund um ein riesiges Parkfeld aufgereiht. Die Mall of America weicht aus klimatischen Gründen leicht von diesem Konzept ab: Wer sein Fahrzeug auf einem der 12550 gedeckten Parkplätze abgestellt und die Mall betreten hat, muss nie mehr einen Fuss in die winterliche Eiseskälte von Minnesota setzen. Er ist im Nirvana des Konsums angekommen. - 1992 zwölf Kilometer ausserhalb von Minneapolis auf einer Grundfläche von 46 Hektaren gebaut, vier Stockwerke hoch, beherbergt die Mall of America über 520 Geschäfte, 50 Restaurants, 14 Kinosäle und eine Heiratskapelle. Der Bau ist so geräumig, dass 258 Freiheitsstatuen, 32 Boeing-747 Jumbo Jets oder sieben Baseballstadien von der Grösse des Yankee Stadiums in New York darin Platz fänden. Wer zehn Minuten in jedem Lokal verbringt, benötigt 86 Stunden, um den Einkaufstempel zu bezwingen. Mit anderen Worten: Die Mall of America ist gross. In der Prärieödnis rund um den Bau stehen über ein Dutzend Hotels und Motels, um den aus dem ganzen Land anreisenden Shopping-Touristen während ihrer mehrtätigen Konsumorgie Unterkunft zu bieten. - Und das Beste – zumindest für Kinder und ihre Mütter: In der Mitte der Mall liegt auf einer Fläche von sechs Fussballfeldern Camp Snoopy, ein Vergnügungspark – selbstverständlich gedeckt und klimatisiert – mit Karussells, Achter- und Geisterbahnen, Riesenrad, Schiessbuden, Legoland und Clownvorstellungen. Spielparadies supersized. Hier verbringen Väter mit ihren Sprossen den Tag, während Mommy in Ruhe von Gap zu Macy’s zu Ann Taylor zu Coach zu Nine West zu Bloomingdale’s schlendern kann. - Der Ort ist eine Stadt für sich, in der das ganze Jahr über angenehme einundzwanzig Grad herrschen. Hier verhängen aufgedonnerte Teenies ihre Abende, hier feiern Paare ihren Hochzeitstag, hier verbringen Familien den Sonntag. Alles glänzt, alles klingelt, alles lacht, alle sind glücklich – und alle sind weiss. Ausser die Arbeiter, die die Mall of America sauber und sicher halten oder in den Restaurantküchen schuften. Die sind schwarz oder aus Mexiko. - Wer leidenschaftlich Superlative sammelt, kommt übrigens auf seine Rechnung: In der Mall of America ist das grösste Untergrundaquarium der Welt zu besuchen. Leser werden sich fragen, was es die Fische oder ihre Bestauner kümmert, ob das Aquarium unter oder über dem Boden gebaut ist. Das fragt sich der Schreibende auch. Aber Superlativ ist nun mal Superlativ.MD, Minneapolis