Bis auf den letzten Drücker verhandelten die Minister der Opec, der Organisation erdölexportierender Länder, diesen Mittwoch in Wien. Am Ende konnten sie sich auf eine Drosslung der Produktion um 1,2 Mio Fass pro Tag (b/d) auf 32,5 Mio b/d einigen. Sie erhielten sogar Zugeständnisse von Nichtmitgliedern, die sich auf 600‘000 b/d belaufen sollen. Russland sagte den Löwenanteil von 300‘000 b/d zu – von wem die anderen 300‘000 b/d beigesteuert werden sollen, ist dagegen unklar.
Seit 2014 hat die Opec uneingeschränkt auf Höchstkapazität produziert. Diese Politik, die auf Drängen Saudi-Arabiens zustande kam, hatte zum Ziel, Schieferölproduzenten mit ihren vergleichsweise hohen Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Die Rechnung ging nur teilweise auf: Der Preis fiel von 114 $ im Jahr 2014 auf leicht unter 30 $ Anfang 2016. Damit war die Schmerzgrenze selbst für die reichen Golfstaaten erreicht, einschliesslich Saudi-Arabiens, das kostspielige Wirtschafts- und Gesellschaftsreformen plant.
Wirtschaftliche Beweggründe
Seit dem vergangenen Frühjahr hat die Opec versucht, in verschiedenen Konstellationen unter sich sowie mit Nicht-Opec-Ländern einen Kompromiss zu erarbeiten. Man traf sich dazu in Doha, in Algier und in Istanbul. In Algier einigten sich die Vertreter darauf, die Fördermenge von etwa 33,6 auf 32,5 bis 33 Mio. b/d zu verringern – jedoch ohne jegliche Angabe von Länderquoten.
Im Oktober machte Russlands Präsident Wladimir Putin unterstützende Kommentare. Seitdem hat Opec-Generalsekretär Mohammed Sanusi Barkindo den Globus mehrmals umflogen, um sich mit sämtlichen Regierungen der vierzehn Länder umfassenden Organisation zu beraten.
Für die meisten Opec-Länder war es nahezu unmöglich, ihren Staatshaushalt auszugleichen. Selbst das reiche Saudi-Arabien verbrauchte in den vergangenen zwölf Monaten etwa 100 Mrd. $ seiner grossen Devisenreserven.
Die saudische Kehrtwende erklärt sich jedoch nicht allein mit den Sorgen um den Staatshaushalt. Der neue Vize-Kronprinz, Mohammed bin Salman, strebt grosse wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen an, die finanziert werden müssen. Das Königreich will für insgesamt etwa 120 Mrd. $ Staatsanleihen auf den internationalen Kapitalmärkten platzieren. Die erste Tranche von 17,5 Mrd. $ wurde Ende Oktober aufgelegt. Des Weiteren plant der Vize-Kronprinz eine Kotierung der staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco an internationalen Börsen.
Um diese Ziele zu erreichen, braucht es stabile und «gesunde» Ölpreise, denn der Erdölverkauf ist die Haupteinnahmequelle Saudi-Arabiens. Deshalb war das Land auch gewillt, mit fast 500 000 b/d den grössten Anteil der Produktionseinschränkung zu übernehmen. Für die meisten anderen Mitgliedstaaten war die wirtschaftliche Situation jedoch weit dramatischer: Venezuela steht wirtschaftlich am Abgrund, und die Situation in Nigeria und Algerien ist mehr als prekär, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Der erreichte Kompromiss hat zwar wirtschaftliche Beweggründe, ist jedoch politisch und diplomatisch hart errungen: Alle brauchten Geld, doch keiner wollte seine Marktanteile opfern. Nigeria und Libyen etwa machten geltend, dass sie durch interne Unruhen Teile ihrer Produktion verloren hatten und dies nun wieder aufholen müssten – sie erhielten eine Dispensation.
Spezialfälle Iran und Irak
Schwieriger wurde es mit dem Iran und dem Irak: Die Islamische Republik hat gerade Jahre von Sanktionen hinter sich und kann nun endlich wieder frei Erdöl exportieren. Der Plan ist, das Produktionsniveau von vor dem Sanktionsregime wieder zu erreichen. Iran ist diesem Ziel nahe und kann sowieso ohne grössere Investitionen kaum viel mehr als 4 Mio. b/d produzieren. Deshalb konnte die Regierung in Teheran mit einer kleinen Kürzung von 90 000 b/d leben.
Irak überraschte die Weltmärkte damit, dass es wider Erwarten seine Produktion in den vergangenen zwölf Monaten um 1,2 Mio. b/d hat erhöhen können. Das Land machte seine geopolitische Stellung im Kampf gegen Terrorismus geltend und kam mit einer Kürzung von 200 000 b/d glimpflich davon. Die Irak-Situation hielt die Konferenz übrigens sprichwörtlich bis fünf Minuten vor Schluss in Schach.
Die verzwickte geopolitische Situation im Nahen Osten erleichterte die Einigung auf einen Kompromiss nicht. In fast allen Konflikten stehen der Iran und Saudi-Arabien in Stellvertreterkriegen jeweils auf der Gegenseite. Das Königreich fürchtet um seine Vormachtposition, die auf Petrodollars aufgebaut ist. Die Islamische Republik wiederum tut alles in ihrer Macht stehende, um ihren regionalen Führungsanspruch geltend zu machen. Iran und Irak sind der festen Überzeugung, dass sie wegen Sanktionen und des Irakkriegs Marktanteile an Saudi-Arabien verloren hatten. Das Königreich jedoch will seine Marktanteile nicht preisgeben.
Die Marktreaktion auf den Opec-Beschluss ist nicht rein aufgrund der Fakten, sondern vor allem auch psychologisch zu verstehen. Die Einschränkungen fanden vor dem Hintergrund von Rekordproduktion statt. Die Arithmetik der einzelnen Quoten ist auch nicht ganz nachvollziehbar. Es ist nun wichtig, dass sich die Opec-Länder sowie Russland an ihre Versprechen halten. In den Wintermonaten dürfte das nicht weiter schwierig sein, da in Saudi-Arabien wegen der kühleren Temperaturen der Verbrauch (etwa für Klimaanlagen) zurückgeht und Russland wegen der Kälte etwas weniger produziert. Was nach dem auf sechs Monaten befristeten Zeitraum geschieht, ist noch ungewiss.
Langfristig Engpässe möglich
Eine weitere Frage ist, wie schnell und in welcher Menge Schieferöl und Öl aus anderer unkonventioneller, teurerer Förderung auf den Markt kommen wird.
Alles in allem war der Opec-Beschluss zu begrüssen, weil das von der Internationalen Energieagentur und der Opec für Ende 2017 vorhergesagte Marktgleichgewicht von Angebot und Nachfrage nun früher zustande kommen wird. Langfristig gesehen könnte eine rigorose Einhaltung der Quoten auch zu Engpässen führen, da sich die gestrichenen Investitionen der grossen internationalen Ölgesellschaften in ein paar Jahren in mangelnder Produktion auswirken werden und die Kapazitäten sowohl der Opec wie auch Russlands zu den gegenwärtigen Fördermengen so ziemlich erreicht sind.
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Die Opec auf dem Weg zu «gesunden» Ölpreisen
Erstmals seit 2008 haben die Opec-Staaten einen Kompromiss zur Drosselung der Produktion erreicht. Nun kommt es darauf an, ob sie sich an ihre Quoten halten und wie die Schieferölförderung reagiert, schreibt Cornelia Meyer.