«Die SNB ist eine passive Anlegerin»
Fritz Zurbrügg, Direktoriumsmitglied der Nationalbank, erklärt, wie die SNB 72 Mrd. Fr. in Aktien investiert und weshalb Grossbanken, Bösewichte und Schweizer ausgeschlossen sind.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält 16% der Fremdwährungsreserven in Aktien und ist damit fast schon ein Exot. Von sechzig vor einem Jahr weltweit befragten Zentralbanken hielten nur acht Aktien. Immerhin gaben weitere sechs an, sie wollten künftig damit ihre Währungsreserven diversifizieren. Die 16% entsprechen dem Betrag von rund 72 Mrd. Fr. Wie die SNB diese namhafte Summe investiert, erklärte Direktoriumsmitglied Fritz Zurbrügg am jährlich stattfindenden Geldmarkt-Apéro am Donnerstag in Zürich.
«Die SNB ist eine passive Anlegerin», sagte Zurbrügg mit Blick auf das Aktienportefeuille. Sie betreibe keine Titelselektion, sondern investiere regelgebunden in ein sehr breites Aktienuniversum. Zurzeit halte die SNB rund 6000 Aktien in über zehn Währungen. Das zugrundeliegende Universum decke etwa 90% der globalen Marktkapitalisierung ab.
A uch viele kleinere Unternehmen
Der überwiegende Teil des investierten Kapitals liege in mittel- und grosskapitalisierten Unternehmen – dies folge nur schon aus den hohen Anforderungen an die Liquidität. Kleinere Unternehmen machen nur einen geringen Teil der Marktkapitalisierung des Aktienportefeuilles aus, doch zahlenmässig entfallen darauf drei Viertel aller Titel. Zurbrügg: «Auch dies zeigt die Breite unseres Aktienuniversums.»
Selbst passive Investoren müssen allerdings eine Auswahl treffen. «Wir orientieren uns an einer Benchmark.» Als Referenz fungiere eine von der SNB erstellte Kombination verschiedener gebräuchlicher Indizes. Zurbrügg folgert: «Sobald wir über die Benchmark entschieden haben, ist die Aktienanlage damit ein weitgehend automatisierter Prozess.»
Keine strategischen Beteiligungen
Weshalb agiert die SNB nicht aktiver? Zurbrügg zitiert Warren Buffett, der einmal gesagt haben soll, «breite Diversifikation ist nur dann nötig, wenn Investoren ihr Handwerk nicht verstehen», und entgegnet: «Ich kann Ihnen versichern, dass unsere Anlagespezialisten ihr Handwerk ausgezeichnet verstehen.» Für die Diversifikation gebe es vier Gründe. Erstens wolle die SNB regional und sektoral möglichst breit investieren, um eine bessere Diversifikation innerhalb des Aktiensegments zu erreichen.
Es dürfe zweitens nicht das Ziel sein, mit Investitionen in einzelne Unternehmen strategische oder gar politische Interessen durchzusetzen. «Dies könnte unsere geldpolitische Handlungsfähigkeit einschränken und würde uns zudem angreifbar machen.» Bei aktivem Management und entsprechenden Übergewichtungen könnte die SNB aufgrund der Grösse ihrer Devisenreserven rasch hohe Unternehmensanteile halten, die womöglich als strategische Beteiligungen missverstanden würden.
«Fast unmöglich, den Index systematisch zu schlagen»
Mit einer passiven Strategie ohne Bevorzugung einzelner Aktien oder Sektoren könne die Nationalbank drittens ihren Einfluss auf den Markt minimieren. Viertens sei der Anlagehorizont sehr langfristig, über mehrere Konjunkturzyklen hinweg. «Die akademische Literatur zeigt, dass es unter Berücksichtigung der Kosten nahezu unmöglich ist, dauerhaft und systematisch einen breiten Aktienindex zu schlagen.»
Weder Banken noch Bösewichte noch Schweizer
Zwei Bereiche würden vom Anlageuniversum ausgeschlossen, sagte Zurbrügg – eigentlich sind es drei. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, meidet die SNB Aktien von mittleren und grossen Banken. Da die Nationalbank auch für die Stabilität des Finanzsystems zuständig ist, kann sie in gewissen Situationen gegenüber dem Markt einen Informationsvorsprung in Sachen finanzielle Lage einzelner Banken erhalten. «Um jeglichen Verdacht auszuräumen, dass die SNB in ihrer Rolle als Anlegerin diesen Informationsvorsprung ausnützen könnte, verzichten wir komplett auf Aktieninvestitionen in solche Banken.» Zudem werde dadurch verhindert, dass Marktteilnehmer Transaktionen der SNB irgendwelche Signalwirkungen zuschreiben.
Die Nationalbank verzichte auch auf Aktien von Unternehmen, die international geächtete Waffen produzieren, grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen. Das sei eine «sehr begrenzte Zahl», es würden nicht ganze Sektoren ausgeschlossen. Für die Auswahl stützt sich die SNB auf die Analyse von «etablierten Institutionen» – welche Aktien und Institutionen das sind, wird nicht bekanntgegeben.
Ausserdem will Zurbrügg zum Thema Interessenkonflikte «betonen, dass die SNB aus Prinzip keine Aktien von Schweizer Unternehmen zu Anlagezwecken hält». Die Aktienanlagen der Nationalbank lassen sich also umschreiben als diversifiziertes Weltportfolio ohne grössere Banken sowie ethisch verwerfliche und Schweizer Unternehmen.
16% Aktien sind genug
Wird die Aktienquote der Fremdwährungsreserven erhöht? Der Diversifikationseffekt sei für die SNB geringer als für andere Investoren, erklärt Zurbrügg. Aktien in Franken seien ausgeschlossen. Überdies werde der Franken als sicherer Hafen oft stärker, und damit würden die Fremdwährungen schwächer, wenn gleichzeitig die Aktienkurse fielen. Das belaste die Aktienposition doppelt, da die Rendite in Franken massgeblich sei, und schmälere die Diversifikation.
Sich gegen eine Erstarkung des Frankens absichern kann die SNB nicht, denn das hätte den gleichen Effekt wie der Verkauf von Devisenreserven und würde «geldpolitische Wirkung entfalten» – sprich den Mindestkurs unterminieren. Für die Aktienquote komme zum Diversifikationseffekt die Abwägung zwischen zusätzlichem Risiko und höherem Ertrag. «Zurzeit ergibt diese Abwägung den Aktienanteil von 16%.»
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