Die Nationalbank warnt vor Deflationsgefahr
An der geldpolitischen Lagebeurteilung bestätigt die SNB den Mindestkurs. Der Franken-Euro-Wechselkurs sinkt erneut deutlich unter 1.21 Fr./€.

Alle Quartale wieder: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung am Donnerstag erklärt, sie halte «unverändert am Mindestkurs von 1.20 Fr./€ fest», werde ihn «weiterhin mit aller Konsequenz durchsetzen» und sei bereit, wenn nötig «unbeschränkt Devisen zu kaufen». Bei Bedarf werde sie «unverzüglich weitere Massnahmen ergreifen». Das «unverzüglich» ist allerdings neu.
Zu den Abwehrmassnahmen der SNB gehören auch negative Zinsen, die – wie es zu erwarten war – zumindest derzeit nicht eingeführt werden. Vergangene Woche hatten entsprechende Spekulationen am Devisenmarkt für Aufregung gesorgt.
Der Wechselkurs schoss allerdings am Donnerstag nach der Publikation der geldpolitischen Lagebeurteilung in die Tiefe, von 1.2113 auf 1.2066 Fr./€. Offenbar hatten Devisenhändler mit «weiteren Massnahmen» gerechnet. Am Freitag handelte das Währungspaar auf 1.2067 Fr./€.
Die Nationalbank betont die Abwärtsrisiken deutlich stärker als vor drei Monaten und schreibt im Communiqué: «Die Wirtschaftsaussichten haben sich spürbar verschlechtert», und «für die Schweiz haben die Deflationsrisiken wieder zugenommen». Die aktualisierte Inflationsprognose – dazu unterstellt die SNB einen unveränderten Leitzins von 0% – zeigt einen mittelfristig deutlich verringerten Teuerungsdruck, auch wenn die bis 2017 erwarteten Inflationsraten nach wie vor positiv sind.
Grund für die Deflationsgefahr seien die schlechter gewordenen Aussichten für die internationale Konjunktur. Die weltwirtschaftliche Erholung bleibe anfällig für Störungen. Hinzu komme das langsamere Wachstum in der Schweiz, die SNB senkt die Prognose für das Bruttoinlandprodukt 2014 von «rund 2%» im Juni auf nun «knapp 1,5%».
Währungs-Clinch mit EZB
Mit Blick auf den Mindestkurs befindet sich die SNB weiterhin im Währungs-Clinch mit der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Nationalbank wünscht einen starken Euro, damit sie den Mindestkurs nicht verteidigen und dazu weitere Fremdwährungsreserven anhäufen muss. Die EZB will dagegen einen schwachen Euro: Das begünstigt Exporteure und damit das Wirtschaftswachstum, zudem steigen die Importpreise und drücken die ausserordentlich tiefe Inflation nach oben resp. wirken gegen den Deflationsdruck.
Ein wenig Schützenhilfe kommt von der US-Notenbank Fed. Ihre am geldpolitischen Entscheid vom vergangenen Mittwoch revidierte Zinsprognose deutet an: Nach der ersten Zinserhöhung könnte der Straffungsprozess schneller als gedacht vollzogen werden. Das hat den Dollar gestärkt, was Europa entgegenkommt, und auch der Schweiz. Der Aussenwert des Euros schwächt sich ab, ohne dass die EZB weitere Massnahmen ergreift und ihre Währung – auch gegenüber dem Franken – nach unten drückt.
Druck auf den Mindestkurs war ab Anfang Mai befürchtet worden, als EZB-Präsident Mario Draghi Massnahmen zur weiteren Lockerung der Geldpolitik in Aussicht stellte. Zuerst erwies sich die Besorgnis als unbegründet; wie gewünscht wertete sich der Euro zum Dollar ab, und ebenso wunschgemäss handelte er zum Franken fast unverändert. Diese Konstellation gab es schon früher: «In der Vergangenheit war zu beobachten, dass sich gemeinsam mit dem Euro häufig auch der Franken zum Dollar abwertete», erklärte Tom Flury, Währungsexperte der UBS.
Dennoch geriet die Eurountergrenze der SNB schliesslich unter Druck. Im August sank der Wechselkurs zielstrebig von 1.2177 auf das Tief von 1.2045 Fr./€. Ursache dafür war die schwache Gemeinschaftswährung angesichts der flauen Konjunktur und der geringen Inflation in der Währungsunion, was den Zinsvorteil des Euros zum Franken schrumpfen liess.
Die Zinsdifferenz ist der Hauptgrund für den Druck auf den Mindestkurs. Die Überschussreserven der Banken bei der SNB seien in den letzten Monaten nicht gewachsen, erklärt die Bank J. Safra Sarasin. Somit habe es keinen zusätzlichen Zufluss in den Frankengeldmarkt gegeben. Die Funktion des Frankens als sicherer Hafen stand also nicht im Vordergrund.
Vorerst keine Negativzinsen
Gegensteuer zur Abwärtsbewegung des Wechselkurses gab – wenn auch unbeabsichtigt –Thomas Moser, Stellvertreter von SNB-Präsident Thomas Jordan. Er antwortete letzte Woche am Rand einer akademischen Veranstaltung auf eine Frage des «Wall Street Journal», die SNB schliesse negative Zinsen als Instrument zur Verteidigung des Mindestkurses nicht aus.
Diese Antwort geben Nationalbankvertreter jedes Mal. Gleichwohl sprang der Wechselkurs prompt über 1.21 Fr./€ und parierte damit die zügige Abwärtsbewegung seit Anfang August. Fast schon amüsant ist: Der Vorfall folgte exakt dem Drehbuch vom Mai 2013, als Jordan in Frankfurt die gleiche Antwort gab.
Leider genügt das Reizwort «Negativzinsen» nicht immer, um die Devisenhändler in Aufruhr zu versetzen und den Wechselkurs nach oben zu hieven. Gerät die Eurozone erneut in die Bredouille und wird der Franken als sicherer Hafen begehrt, wird die Nationalbank Devisen kaufen müssen, um ihr vierteljährlich wiederholtes Versprechen einzulösen.
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