Die USA werden ihren Wachstumsvorsprung nicht verlieren – Eine zu ausgeprägte Abwertung durchkreuzt die Antiinflationspolitik des Fed
Es gibt wohl kaum einen Ökonomen, der nicht davon ausgeht, dass sich der Dollar in den kommenden ein, zwei Jahren abwerten wird.
Es gibt wohl kaum einen Ökonomen, der nicht davon ausgeht, dass sich der Dollar in den kommenden ein, zwei Jahren abwerten wird. Die makroökonomischen Voraussetzungen sind zu eindeutig, allen voran der rekordhohe Importüberschuss der USA im Warenverkehr und das nicht durch heimische Sparguthaben gedeckte Investitionswachstum. Sie müssen durch ausländische Nettokäufe von US-Anleihen und -Aktien in der Grössenordnung von 75 Mrd.$ pro Monat finanziert werden, um zu vermeiden, dass die Produktivität abnimmt und die Zinsen steigen. Das sei letztlich unmöglich, argumentieren viele, weshalb sich das globale Ungleichgewicht über Kursanpassungen am Devisenmarkt abbauen werde. Zunächst schien sich die Prognose zu bewahrheiten: Der Dollar fiel. Aber vor anderthalb Jahren ist die Abwertung zum Stillstand gekommen. - Gegenüber einzelnen Währungen wie dem Franken hat sich der Dollar zwar zuletzt abgeschwächt, aber im Durchschnitt notiert er zu den wichtigsten Partnerwährungen (handelsgewichtet) über seinem Tief von Ende 2004. Dafür hat sich der Yen abgewertet – ohne dass die Bank of Japan am Devisenmarkt zu intervenieren brauchte. Das ist das Gegenteil dessen, was wirtschaftliche Sachverständige und Währungspolitiker gefordert bzw. vorausgesagt hatten. Anleger sollten sich darauf einstellen, dass der Dollarkursverlauf auch in den kommenden sechs bis zwölf Monaten nicht einer Einbahnstrasse nach unten gleichen wird. - Für stabile Notierungen spricht die nach wie vor kräftige Verfassung der Wirtschaft in den USA. Wechselkurse sind relative Preise, deshalb ist der Wachstumsvorsprung der USA auf das Euroland, Japan etc. entscheidend. Und hier zeigen sich die Vereinigten Staaten weiterhin in ausgezeichneter Form, auch wenn von einer Konjunkturabschwächung auszugehen ist: Im Euroland dürfte der gerade erst in Gang gekommene Motor 2007 noch stärker ins Stottern geraten. Das Gleiche gilt für die Rohstoffexporteure und ihre Währungen, wie den australischen oder den neuseeländischen Dollar. Schon die ersten Anzeichen einer globalen Abkühlung lösten dort eine kräftige Korrektur aus. - Ebenso entscheidend ist die Zinspolitik der amerikanischen Zentralbank. Solange die Märkte von steigenden US-Zinsen sowie stabilen Euro- und Yensätzen ausgingen, wertete sich der Greenback vergangenes Jahr auf. Die Strategie des Fed, den geldpolitischen Kurs offen zu lassen, schadete daher der US-Währung bislang in diesem Jahr. Solange sich aber nicht abzeichnet, dass sich Konjunktur und Inflation tatsächlich abschwächen, bleiben höhere Dollarzinsen wahrscheinlich und bleibt der Dollar unter Aufwertungsverdacht. - Die Devisenökonomen der Investmentbank Barclays gehen denn auch von einer Dollarerholung in diesem Sommer aus. Ende September werde sich die Richtung jedoch ändern und der Dollar-Euro-Wechselkurs ein neues Jahreshoch ansteuern. Barclays prognostiziert 1.30 in sechs und 1.35 $/ Euro in zwölf Monaten. Zum Franken werde sich der Greenback von aktuell 1.23 auf 1.19 bzw. 1.15 Fr./$ abwerten. Morgan Stanley stellt sich auf weitgehend stabile Dollarnotierungen um 1.24 $/ Euro bis zum Jahresende ein. Goldman Sachs dagegen, seit langem von einer substanziellen Abwertung überzeugt, hat diese Woche die Prognoseziele nachgezogen: Demnach soll sich der Dollar in den kommenden sechs Monaten 8% auf 1.37 $/ Euro bzw. 1.14 Fr./$ abwerten. Nach diesem Kursrutsch sei allerdings eine Erholung angesagt. - Gegen eine zu ausgeprägte Dollarkorrektur dürfte Widerstand von oberster Stelle kommen: Die US-Notenbank, die erfahrungsgemäss nicht auf den Dollar blickt, wird sie aus Sorge um die Inflationsgefahr zu vermeiden suchen.