Die Zahl der Defizitsünder wächst
Das bescheidene Wirtschaftswachstum in Europa schlägt sich über die geringeren Steuereinnahmen und die höheren Ausgaben für Sozialleistungen zusehends in den Staatshaushalten nieder.
Das bescheidene Wirtschaftswachstum in Europa schlägt sich über die geringeren Steuereinnahmen und die höheren Ausgaben für Sozialleistungen zusehends in den Staatshaushalten nieder. Die EU-Kommission erwartet mittlerweile, dass sechs der zwölf zur Eurozone gehörenden Länder dieses Jahr die Defizitgrenze von 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP) überschreiten und damit den Stabilitätspakt verletzen werden. Angesprochen sind damit wirtschaftlich so bedeutende Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien, ferner die Niederlande, Portugal sowie Griechenland. Diese Staaten zusammen erwirtschaften rund 80% des BIP in der Eurozone. - Der scheidende EU-Kommissar Pedro Solbes unterstrich die offenkundigen Wachstumdefizite mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Dynamik in anderen Weltregionen: Für die USA rechnet er für dieses Jahr mit einem Wachstum von 4,2%, für Japan mit 3,4%. Aus der Sicht der Kommission kommen die Defizitsünder nicht um Strukturreformen herum. Das gilt umso mehr, als die einzelnen Länder der Eurozone nicht mehr wie früher in der Lage sind, sich durch die Abwertung ihrer Landeswährung gegenüber der Konkurrenz Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Von solcher «Unterstützung» hat gerade Italiens Volkswirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder profitiert. Zudem verfügt die Europäische Zentralbank (EZB) nicht mehr über grossen Handlungsspielraum, um durch ihre Zinspolitik die Rahmenbedingungen der Euroländer entscheidend zu verbessern. - Ob die Politik in der Lage und willens ist, die Reformen kurz- bis mittelfristig in die Wege zu leiten, steht auf einem anderen Blatt. Nachdem die Defizitsünder Deutschland und Frankreich mit dem schlechten Beispiel vorangegangen sind, ohne dass die EU den Regelverstoss ahnden konnte, scheinen sich weitere Länder mit einer solchen «Lösung» anfreunden zu wollen; Äusserungen von Italiens Vizepremierminister Gianfranco Fini deuten klar in diese Richtung.US