Die Nutzer in den sozialen Netzwerken sind sich weitgehend einig: «Das ist fantastisch, ich war mir sicher, UBS wird Wealthfront total vermasseln», lautet ein Kommentar auf der Plattform Reddit. «Ich hoffe, Wealthfront bleibt unabhängig, statt sich nach einem neuen Käufer umzusehen», ergänzt ein weiterer.
Ob an der Bahnhofstrasse eine ähnliche Stimmung herrscht, ist fraglich. Sicher ist, die Mitteilung von UBS und Wealthfront, die Kaufvereinbarung gemeinsam terminieren zu wollen, kam überraschend.
Der Kauf des digitalen Vermögensverwalters aus Kalifornien, den die Grossbank im Januar angekündigt hatte, galt als erster öffentlich sichtbarer Pflock der stark auf Digitalisierung fokussierenden Strategie von CEO Ralph Hamers. Die agilen Arbeitsmethoden, auf die er den Finanzkonzern seit seinem Amtsantritt im November 2020 Schritt für Schritt trimmt, sind dagegen für Kunden wie Anleger deutlich schwerer fassbar.
Nicht mehr als ein dürres Communiqué
Was genau zwischen der Grossbank und dem Fintech vorgefallen ist, das zur Auflösung des Vertrags geführt hat, ist unklar. Noch Ende Juli, bei der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen, zeigte sich Hamers zuversichtlich, dass die Transaktion wie geplant in der zweiten Jahreshälfte vollzogen werden kann.
Abgesehen von einem dürren Communiqué am späten Freitagabend haben sich weder die Grossbank noch das Fintech zu den Gründen geäussert. Gemäss Plan wäre Wealthfront, die auf automatisierte Geldanlage via Robo Advisor spezialisiert ist, nach der Akquisition als Tochter der UBS-Vermögensverwaltung geführt worden. Hier gab es zuletzt Veränderungen: Tom Naratil, der als Befürworter des Zukaufs galt, ist im Sommer als Co-President der Vermögensverwaltung bei UBS und Chef des US-Geschäfts zurückgetreten.
Ab Oktober verantwortet Iqbal Khan den Bereich allein. Naureen Hassan, die unter anderem als Chief Digital Officer in der Vermögensverwaltung von Morgan Stanley gearbeitet hat, folgt Naratil an der Spitze des US-Geschäfts nach. Bei der Wallstreet-Bank arbeitete sie unter Colm Kelleher, dem Verwaltungsratspräsidenten von UBS.
Dass widerstrebende Interessen innerhalb des Finanzkonzerns, etwa ein Konflikt zwischen Hamers und dem Verwaltungsrat, den Deal haben platzen lassen, wird verneint. Wie aus der Bank zu hören ist, sei es nicht Kelleher gewesen, der dem Unterfangen den Stecker gezogen habe.
Vielleicht waren aber auch die kulturellen Unterschiede zwischen dem globalen Finanzkonzern und dem Start-up einfach zu gross: Andy Rachleff, Co-Gründer von Wealthfront, hat sich immer wieder kritisch gegenüber traditionellen Finanzinstituten geäussert: Je mehr er vom Finanzsystem sehe, umso eher sehe er den Bedarf, es zu reparieren, twitterte er etwa noch Anfang 2021 .
Preisvorstellungen gehen auseinander
Sicher ist, seit der Ankündigung der Akquisition hat sich die Welt verändert: Inflation und Zinsen steigen. Die Bewertungen der meisten Fintechs sind in den vergangenen acht Monaten in sich zusammengefallen. Es könnte daher sehr wohl der Preis sein, der den Deal zu Fall gebracht hat. Divergierende Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer sorgen beispielsweise auch an den Privatmärkten dafür, dass zahlreiche Transaktionen verschoben werden. Die 1,4 Mrd. $, die UBS für das Fintech zahlen wollte, entsprechen rund 5% der durch Wealthfront Anfang Jahr verwalteten Vermögen. Angesichts der massiven Korrektur an den Börsen ein mehr als stattlicher Preis, auch für digitale Vermögensverwalter.
Mit dem Zukauf wollte die Grossbank die Basis für eine neue digitale Vermögensverwaltung bilden, die in den USA für vermögende Kunden mit Assets zwischen 250’000 und 2 Mio. $ lanciert werden sollte. Angesichts des schwächeren Wachstums in Asien gewinnen die USA an Bedeutung für den weltgrössten Vermögensverwalter. Neben ihren ultrareichen «Stammkunden» wollte die Grossbank sich auf diese Weise eine jüngere Zielgruppe erschliessen. Sie hat auf Skalierbarkeit, die Strategie und den Kundenstamm des Fintech aspiriert.
Wie Wealthfront sich angesichts der volatilen Finanzmärkte geschlagen hat, legt das Unternehmen nicht offen. Gemäss seinen Angaben stehen die verwalteten Vermögen über 27 Mrd. $, verteilt auf 480’000 Kunden. Seit Anfang Jahr wurde also ein leichtes Kundenwachstum verzeichnet, während bei den Vermögen keine Veränderung ersichtlich ist. Der Ertrag beläuft sich auf geschätzte 70 Mio. $. In den kommenden Monaten will Wealthfront nach eigenen Angaben zum ersten Mal einen positiven Cashflow und einen Vorsteuergewinn schreiben.
UBS ist in der Vergangenheit schon gescheitert
Der Fall Wealthfront zeigt erneut, dass der Aufbau von digitalen Angeboten für etablierte Finanzkonzerne kein Selbstläufer ist. Noch vor der Ägide von Ralph Hamers ist UBS 2018 selbst mit Smart Wealth gescheitert. Der Robo Advisor wurde mangels Erfolg nach kurzer Zeit vom Markt genommen.
Konkurrent Goldman Sachs überlegt sich aktuell ebenfalls, die geplante Einführung von Girokonten bei seiner Digitalbank Marcus für Retailkunden erst einmal zu verschieben. Angesichts einer aufziehenden Rezession stuft die Bank die Wachstumsaussichten in dem Bereich, der stark von der Skalierbarkeit lebt, offenbar als zu gering ein.
Ganz von Wealthfront will UBS trotzdem nicht lassen. Über eine Wandelanleihe in der Höhe von 69,7 Mio. $ bleibt sie weiterhin beteiligt. Auch in Bezug auf die Erschliessung des vermögenden Kundensegments soll die Strategie beibehalten werden. CEO Hamers selbst muss auf dem Weg dahin jedoch einen prestigeträchtigen Rückschlag hinnehmen.
Noch profitiert die Grossbank von der Basis, die mit dem Umbau nach der Finanzkrise gelegt worden ist. Sie steht operativ gut da. Angesichts der globalen Turbulenzen des Jahres 2022 könnte dies zu wenig sein. Dann kommt die Strategie und damit auch Hamers womöglich nicht nur in Online-Foren unter Beschuss.
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Ein empfindlicher Rückschlag für Ralph Hamers
UBS scheitert erneut beim Aufbau einer digitalen Vermögensverwaltung. Ein Kommentar von FuW-Redaktorin Beatrice Bösiger.