Die Differenzen sind bereinigt: National- und Ständerat haben sich in der Energiestrategie 2050 auf das erste Paket geeinigt. Es wurden zwar etliche Anpassungen an der bundesrätlichen Vorlage vorgenommen, doch sie alle blieben innerhalb des vorgegebenen Systems und stellten es nicht in Frage.
An den grundsätzlichen Schwächen der Strategie haben sie nichts geändert. Sie will – im Nachgang zur Katastrophe von Fukushima von vor gut fünf Jahren – den Ausstieg aus der Kernenergie. Dafür sollen die neuen erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind gefördert werden. Zudem soll Energie gespart sowie die Energieeffizienz erhöht werden.
Um diese Ziele zu erreichen, werden Subventionen, Verbote, Gebote und Lenkungen verankert. Das sind Instrumente der Planwirtschaft. Die schweizerische Energieversorgung – und mit ihr angrenzende Bereiche – treten damit in die überall glorios gescheiterte Planwirtschaft ein. Dies, obwohl Energieministerin Doris Leuthard bei der Präsentation vor fünf Jahren von einer marktwirtschaftlichen Strategie fabulierte – was nachweislich falsch ist.
Nicht marktfähig
Dennoch dürfte die Strategie in der Schlussabstimmung Ende der kommenden Woche wohl abgesegnet werden. Im Ständerat ist die Lage klar: SP und CVP werden für ein Ja sorgen. Im Nationalrat könnte es theoretisch knapp werden. Die kritischen Parteien FDP und SVP kommen zusammen auf 98 der 200 Sitze. Sie könnten die Strategie allerdings nur stoppen, wenn keine Fraktionsmitglieder ausscheren – was kaum der Fall sein dürfte.
Die Energiestrategie setzt zur Kompensation der Kernenergie auf die erneuerbaren Energieträger Sonne und Wind. Sie sollen ihre Stromerzeugung bis 2035 rund vervierfachen. Das allerdings dürfte ein Traum bleiben. Zunächst lässt die Tatsache, dass Sonne und Wind trotz enormen Subventionen nach wie vor nur einen geringen Anteil an der Stromproduktion erreichen, darauf schliessen, dass sie weit davon entfernt sind, marktfähig zu sein. Ohne Subventionen wäre ihr Anteil noch viel geringer. Zur Illustration: 2015 wurde die Fotovoltaik über die kostendeckende Einspeisevergütung mit 131,8 Mio. Fr. subventioniert. Der damit produzierte Strom repräsentierte einen Marktwert von lediglich rund 15 Mio. Fr. – das ist gehobener ökonomischer Unsinn.
Zudem ist die Erzeugung von Strom aus Sonne und Wind nicht planbar. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – beides ist in der Schweiz häufig –, ist die Produktion gleich null. Das heisst, es müssen stets genügend Back-up-Kapazitäten verfügbar sein, die rasch zugeschaltet werden können. Wegen ihrer geringen Auslastung wird ihr Strom sehr teuer. Der Flatterstrom von Sonne und Wind ist zudem mit Blick auf die Netzstabilität ein massiv unterschätztes Problem.
Die nötigen Back-up-Kapazitäten fehlen jedoch. Ganz zu Beginn der Kampagne für die Energiestrategie sprach Bundesrätin Leuthard – wenn auch etwas verschämt – davon, dass wohl grosse Gaskraftwerke nötig sein würden. Davon ist längst nicht mehr die Rede. Nur: Eine Studie des Bundesamts für Umwelt hat kürzlich gezeigt, dass in der Schweiz mehrere solche Kraftwerke nötig sein werden. Warum das Bundesamt für Energie und alle gläubigen Energiewender dies wohl verschweigen?
Schliesslich werden Sonne und Wind auch darum nicht konkurrenzfähig und stets auf Subventionen angewiesen sein, weil ihre Energiedichte sehr viel geringer ist als die herkömmlicher Kraftwerke. Es geht dabei nicht um geringfügige Differenzen: Der Flächenbedarf von Sonne und Wind ist 300- bis 500-mal grösser als derjenige konventioneller Kraftwerke.
Die Energiestrategie statuiert zudem über das Verbot neuer Kernkraftwerke faktisch ein Technologieverbot. Wenn solche Kraftwerke in der Schweiz verboten sind, wird auch die Technologie verschwinden. Dahinter steht eine unglaubliche Anmassung von Wissen: Die Kernenergie wird auf alle Zeiten verteufelt, neue Entwicklungen werden gar nicht mehr zugelassen oder in Betracht gezogen. Das ist höchst unliberal.
Die Liste der Argumente gegen die Energiestrategie liesse sich verlängern. Die Energieerzeugung der Schweiz wird, ohne jede Not, vollständig auf den Kopf gestellt. Gemäss verschiedenen internationalen Rankings hatte die Schweiz bisher das weltweit nachhaltigste Energiesystem: Eine nahezu CO2-freie Stromproduktion gepaart mit einer hohen Energieeffizienz im fossilen Bereich. Das wird sich mit der Energiestrategie zum Nachteil der Schweiz ändern.
Da Sonne und Wind nicht in der Lage sein werden, den Ausfall der Kernkraft zu kompensieren, und die Wasserkraft, unter anderem wegen der Subventionen für Sonne und Wind, nicht mehr profitabel ist, wird die Schweiz auf mehr Importe bzw. fossile Stromproduktion angewiesen sein. Die Tatsache, dass Importstrom wesentlich aus Kern- oder Kohlekraftwerken stammt, interessiert jedoch kaum mehr jemanden.
Die Kosten für die Umsetzung der Energiestrategie sind enorm. Die einst propagierten fünf Franken je Kopf und Jahr sind ein Witz, es werden Grössenordnungen mehr sein. Hinzu kommen erzwungene strukturelle Veränderungen der Wirtschaft, die vor allem energieintensive Branchen negativ treffen werden. Die – sehr hohe – Zeche bezahlen die Wirtschaft und die Konsumenten. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz wird darunter massiv leiden.
Subventionstöpfe
Dennoch wird die Energiestrategie kaum mehr grundlegend in Frage gestellt. Der Grund ist einfach: Inzwischen hoffen derart viele Akteure auf Zugang zu den Subventionstöpfen, dass die Kritik erlahmt ist. So auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse: Er kritisierte die bundesrätliche Energiestrategie am 25. Mai 2011 als unseriös, widersprüchlich und unverantwortlich. Heute will er von einem Referendum nichts wissen. Es ist kaum zu glauben, dass Economiesuisse die absehbaren enormen Belastungen der Wirtschaft einfach so hinnehmen will.
Ähnlich der VSE, der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Er ist von einem vehementen Kritiker zu einem sanften Befürworter geworden – seit die Wasserkraft auch zu den künftigen Subventionsempfängern gehört. Dennoch dürfte es ein Referendum geben: Das parteienübergreifende Netzwerk Alliance Energie hat es angekündigt und die Vorbereitungsarbeiten aufgenommen. Ob es ohne Support von Wirtschaftsverbänden und grossen Parteien erfolgreich sein kann, ist ungewiss. Gewiss ist jedoch, dass das Volk über eine derart einschneidende Vorlage muss befinden können.
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Energiestrategie 2050 gehört vor das Volk
Die Energiewende kann der schweizerischen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen und ihre Wettbewerbsfähigkeit untergraben. Dennoch ist nicht sicher, ob ein Referendum zustande kommt. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Peter Morf.