EU beantwortet die Kernfrage nicht
Die Börsen reagieren erfreut auf den EU-Gipfel. Der Rettungsschirm soll Anleihen der Peripherieländer stützen. Wer am Ende haftet, bleibt aber noch zu klären.

Die Finanzmärkte haben die Beschlüsse des EU-Gipfels am Freitag erfreut aufgenommen: Sichere Häfen waren weniger gefragt, die Risikobereitschaft hat zugenommen. Ob die gute Stimmung anhält, ist fraglich, denn der grosse Durchbruch ist auch an diesem neunzehnten Europagipfel seit Beginn der Schuldenkrise nicht erzielt worden.
Investoren haben am Freitag Geld aus den als sicher geltenden deutschen Bundesanleihen abgezogen und in die risikoreichen Staatsanleihen von Peripherieländern investiert. Deren Kurse sind gestiegen und die Renditen entsprechend gefallen. Zehnjährige spanische Staatsanleihen rentierten 6,29% und damit 61 Basispunkte (100 Bp sind 1 Prozentpunkt) weniger als am Donnerstag. Das ist eine markante Besserung. Italiens zehnjährige Rendite sank 38 Bp auf 5,81%.
Auch Devisenhändler schichteten um, der Euro stieg zum Dollar am Freitag einen grossen Schritt von 1.244 auf 1.268 $/€. Aktien legten ebenfalls kräftig zu, der Euro Stoxx 50 avancierte 4,1%.
ESM nicht vorrangig
Zweifelsohne wurden in Brüssel einige Verbesserungen erreicht und Weichen gestellt. Die siebzehn Eurostaaten einigten sich darauf, dass die Mittel aus dem Rettungsschirm EFSF und dessen Nachfolger ESM zur Rekapitalisierung von Spaniens Banken keine Vorrangigkeit erhalten. Diese auf den ersten Blick technische Vorkehrung ist von grosser Bedeutung in der Praxis. Durch sie wird nun verhindert, dass «normale» Spanienanleihen punkto Rückzahlungssicherheit plötzlich schlechter gestellt würden und an Wert verlören, sobald EU-Gelder nach Madrid fliessen. Diese Gefahr ist nun gebannt. Irland soll zudem seine Rettungsgelder zu den gleichen Konditionen erhalten wie Spanien.
Ausserdem soll eine einheitliche Bankenaufsicht für die Eurozone errichtet werden. Sodann könnte der ESM direkt Banken rekapitalisieren – bisher ist das nur indirekt über die jeweilige Regierung möglich, die sich auf diese Weise ungewollt verschuldet. Viele Fragen sind aber offen . Die Eurogruppe verspricht, «den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen». Das wird wohl frühestens 2013 so weit sein.
Montis unklare Forderung
Unklarer ist der Beschluss der Eurogruppe, wonach EFSF und ESM die vorhandenen Mittel flexibel und effizient nutzen sollen, um die Märkte derjenigen Mitgliedstaaten zu stabilisieren, die alle Verpflichtungen und Fristen des Stabilitätspakts einhalten. Es handelt sich um eine vom italienischen Regierungschef Mario Monti mehrfach geforderte Option, um sogenannten tugendhaften Ländern wie seinem eigenen, die unter den allgemeinen Verkaufsdruck an den Kapitalmärkten geraten sind, zu helfen. Noch ungenutzte EFSF-Gelder sollten verwendet werden, um italienische Staatsanleihen aufzukaufen, damit die Marktzinsen sinken.
Dazu dürfte es nun kommen, und die Mittel des auf 500 Mrd. € aufgestockten ESM stehen grundsätzlich ebenfalls zur Verfügung. Der Support für die Peripherieanleihen ist wohl der Hauptgrund für die Freude der Finanzmärkte am Freitag.
Offen bleibt die Umsetzung: Muss das betroffene Land sich einer Überwachung unterziehen? Genügen die Einschätzungen der Kommission? Monti präzisierte, sein Land werde keinen Antrag stellen. Erschwerend ist: Die (allfälligen) Nutzniesser Italien und Spanien garantieren zusammen 29% des ESM.
Noch mehr Verhandlungen
Das Ganze grenzt an die gemeinschaftliche Schuldenhaftung und an Eurobonds, die Kanzlerin Merkel vehement ablehnt. Der Passus über diese «Stabilisierungsmassnahmen» ist im Communiqué enthalten, ohne Hinweise auf Budgetüberwachungen und Kontrollen, die über den im März beschlossenen Fiskalpakt und den renovierten Stabilitätspakt hinausgehen. Die Opposition in Deutschland spricht von einer 180-Grad-Drehung.
Die Kanzlerin wiederholte am Freitag vor der Presse indes, es werde keine Eurobonds geben. Die Frage, wer genau am Ende haften wird, müssten die Finanzminister nun aushandeln. Die Verhandlungen würden sehr schwierig werden, es werde Neuland betreten. Die Kernfrage bleibt damit also unbeantwortet.
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