Europa ist kaufreif
Goldgräberstimmung in Europa. Umfragen bei Fondsmanagern lassen auf ein Comeback Europas in den Portfolios schliessen. Was noch Fonds-Geflüster ist, könnten bald die Spatzen von den Dächern pfeifen.
Die Konjunktur in Europa ist alles andere als ermutigend, die PMI sind insgesamt schlechter als erwartet ausgefallen. Es braucht fast schon die Berufung auf höhere Eingebung, um Investitionen in Europa trotz solcher Daten zu rechtfertigen – oder besseres Wissen.
Während der heilige Geist weht, wo er will (… «du hörst sein Brausen, weisst
aber nicht, woher er kommt und wohin er geht», Joh. 3,8), fliesst das Geld, wohin es will. Und Fondsmanager wissen glücklicherweise nicht nur, woher es kommt, sondern auch, wohin es geht.
Die 253 von Bank of America Merrill Lynch befragten Fondsmanager haben u.a. verraten, wohin die von ihnen verwalteten 681 Mrd. $ sicher nicht wollen: in die USA. Dies trotz eines möglichen Home Bias. Die Umfrage wurde zwischen dem 7. und dem 13. September durchgeführt (das – erwartete – QE3 ist also im Gegensatz zum Anleihenkaufprogramm der EZB noch nicht berücksichtigt).
USA lösen Europa als Anlegerfeind Nr. 1 ab
Die europäische Schuldenkrise ist erstmals seit April 2011 nicht mehr das meistgenannte Top-Tail-Risiko. Die Rolle des Damoklesschwerts übernimmt die Fiscal Cliff, bei 35% der Investoren ganz zuoberst auf ihrer Sorgenliste: Auslaufende Steuerverbilligungen aus der Ära Bush sowie gleichzeitig wirksam werdende Sparmassnahmen könnten das gewichtigste nationale BIP der Welt nächstes Jahr 4% schrumpfen lassen. Die nahenden Präsidentschaftswahlen bilden den Kristallisationspunkt der neusten grossen Angst des grossen Geldes.
Der Anteil der Vermögensverwalter, die auf US-Aktien setzen, nimmt offenbar rasch ab. Für 58% sind US-Aktien die am meisten überbewerteten weltweit.
Eine Umfrage von Barclays, die zwischen dem 10. und dem 17. September – also nach der Ankündigung von QE3 – bei 425 Grosskunden durchgeführt wurde, kommt zumindest auf kurze Sicht zu einem ähnlichen Ergebnis: Das Missmanagement der US-Fiskalpolitik scheint als Top-Thema der Finanzmärkte der nächsten drei Monate gesetzt. Gleich anschliessend rangiert ebenfalls vor der Eurozone das schwache US-Wachstum gekoppelt mit der Zunahme struktureller Arbeitslosigkeit.
Vom Portfolio-Paria zur Investmentperle?
Barclays gibt sich selbst überrascht, dass 34% der 425 befragten Grosskunden ein überdurchschnittliches Abschneiden europäischer Aktien in den nächsten drei Monaten erwarten. In den vier Umfragen davor seien es maximal 14% gewesen. Nur 32% gaben zudem an, dass der Euroaustritt eines EU-Landes das wichtigste Thema im nächsten Quartal ist, im Juni war es mit 67% noch mehr als das Doppelte.
Die von Merrill Lynch angefragten Fonds haben Europa erstmals seit Februar 2011 – damals hatte sich die Schuldenkrise gerade wieder verschärft – in ihren Portfolios übergewichtet. Netto 1% aller Asset-Manager will mehr Geld als bisher in der Region anlegen. Noch im August gaben netto 12% mehr Manager an, die Investitionen in den Kontinent zurückzufahren. Die Umfrage registriert den dritten Monat in Folge einen prozentual zweistelligen Überhang an Voten in Richtung europäischer Aktien – zum ersten Mal seit Sommer 2009.
Da Fed und EZB schon seit damals die Märkte mehrmals mit quantitativer Lockerung von Anleihenkäufen bis Dreijahresfinanzierung für Banken (LTRO) zu stützen versucht haben, muss der dezidierte Stimmungsumschwung entweder auf dem neuartigen Anleihenkaufprogramm der EZB beruhen und/oder auf Bewertungsvorteilen. Die Massnahme der EZB zielt just auf die Wiederherstellung des Investorenvertrauens in die Eurozone.
Aus Pioniergeist könnte Kaufrausch werden
Die Investoren haben ihre Allokation in zwölf von neunzehn europäischen Sektoren erhöht. «Seit Juni haben europäische Aktien 25% zugelegt, doch die Marktstimmung hat erst gerade gedreht», erklärt John Bilton, Anlagestratege bei Merrill Lynch. Eine Ausdehnung der Rally werde am wahrscheinlichsten in Form einer «Sektorrotation» weitergehen: Bisher gemiedene, auf den Heimmarkt ausgerichtete Aktien würden vom neuen Risikoappetit der Anleger erfasst.
Das Süsse zum Schluss: Netto 9% der Fonds gaben an, die Übergewichtung von Europa zwar noch nicht vorgenommen zu haben, dies aber in den nächsten zwölf Monaten nachholen zu wollen. Natürlich könnten die Fondsmanager das auch einfach nur behaupten und dabei bereits entsprechend investiert sein. Doch auch das wäre nicht ganz ohne Risiko: Die grosse Masse könnte ihnen doch nicht folgen und die Kurse weiter antreiben. Falls die Manager also ihre wahre Positionierung offenbart haben, klingt das wie eine Einladung, ihnen zuvorzukommen. Noch im August ergab sich ein Überhang von 5% der Befragten, die vorhatten, Europa erst noch auf «Untergewichten» zu setzen.
Ein Schweizer Asset-Manager hat den alten Kontinent jedenfalls bereits wiederentdeckt: Swisscanto hat in einem Mediengespräch am Mittwoch festgehalten, dass die Bewertung europäischer Aktien derart tief sei, dass «sehr viel passieren» müsse, damit sie weiter sinke. Die Unterbewertung schätzt Swisscanto auf derzeit 66%.
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