Zu den wenigen Unterzeichnern des Pariser Klimaschutzabkommens, die sich 2015 zu bindenden Mengenrestriktionen verpflichtet haben, gehört die EU. Sie hatte versprochen, gegenüber 1990 den Verbrauch fossiler Brennstoffe bis 2030 um 40% (nun gar 55%) zu reduzieren. Am 14. Juli 2021 hat die EU-Kommission zudem die CO2-Neutralität bis 2050 propagiert und ein umfassendes Massnahmenpaket vorgelegt, mit dem sie schon kurzfristig den CO2-Ausstoss der Firmen und Haushalte massiv verringern will.
Niemals zuvor hat es auf der Welt auch nur annähernd vergleichbare Anstrengungen für den Umweltschutz gegeben, und niemals, ausser in Kriegszeiten, sind Marktwirtschaften derart rigide einer zentralplanerischen Steuerung unterworfen worden, wie es jetzt geplant ist.
Drei Handelssysteme
Zum Programm gehören drei verschiedene Emissionshandelssysteme für CO2. Das bestehende System, das für die Energiewirtschaft, Teile der Grundstoffindustrie und der chemischen Industrie gilt, soll auf den Schiffsverkehr ausgedehnt werden. Zwei neue, separate Systeme sollen für den Wohnungsbau und den Verkehr geschaffen werden. Die Zuteilung der Zertifikate soll nicht mehr frei sein. Vielmehr will die EU sie verkaufen und mit den Erlösen auch Transfers an ärmere Bevölkerungsschichten finanzieren. Die Menge der Zertifikate soll Jahr für Jahr reduziert werden.
Bereits 2020 wurde ein System zur Klassifizierung der Unternehmen nach dem Grad ihrer «Grünheit» (Taxonomieverordnung) eingeführt mit dem Ziel, die europäische Notenbank zu differenzierenden Kreditoperationen zu veranlassen, die den grünen Firmen niedrigere Zinsen verschaffen. Hinzu kommt nun das Totalverbot des direkten Einsatzes fossiler Brennstoffe für PKW-Motoren bis 2035. Die PKW sollen dann mit elektrischer Energie fahren, die entweder in Batterien oder Wasserstofftanks zwischengespeichert wird. Ein Grenzausgleich, der die Importe von Grundstoffen der Industrie erfasst, soll das sogenannte Carbon Leakage verhindern, also die Verlagerung der CO2-Emission in andere Länder. Der CO2-Ausstoss des Flugverkehrs soll auf dem Niveau des Coronajahres 2020 eingefroren werden.
Die Massnahmen sind atemberaubend. Ob sie wirken werden, ist mehr als unsicher. Sicher ist aber, dass sie den Lebensstandard der Europäer massiv beeinträchtigen werden. Sie werden die europäische Industrie in die Knie zwingen und ihrer Wettbewerbsfähigkeit berauben. Hinter den Massnahmen steht vor allem der sozialdemokratische EU-Kommissar Frans Timmermans. Er ist dabei, Europa in ein protektionistisches, zentral aus Brüssel gelenktes Wirtschaftssystem zu verwandeln.
So richtig es an sich ist, auf den Emissionshandel zu setzen: Separate Handelssysteme für verschiedene Sektoren der Wirtschaft und die Steuerung des Kapitalmarktes über die Taxonomie-Verordnung verletzen das Gesetz des einen Preises, das normative Hauptgesetz der Volkswirtschaftslehre, das unabdingbar für eine kostenminimale Vermeidungsstrategie ist.
Die Abschaffung der Benzin- und Dieselmotoren und die Umstellung der PKW auf elektrische Energie wird entgegen seiner Hoffnung kaum einen Beitrag zur Verminderung des globalen CO2-Ausstosses leisten. Das liegt daran, dass der Strom noch zu einem erheblichen Anteil aus Kohle gewonnen wird und dass Deutschland seine Kernkraftwerke in Kürze abschalten will. Auf absehbare Zeit werden die neuen E-Autos mit Strom fahren, der zu erheblichen Teilen aus Kohle gewonnen wird.
Leider übersieht er auch, dass die in Europa nicht mehr verbrauchten handelbaren Brennstoffe Öl und Gas samt und sonders über die Weltmärkte in andere Länder verkauft werden, die sie zu fallenden Preisen gerne abnehmen. Wegen des Carbon Leakage über die Brennstoffmärkte bringt die Einsparung des Öls beim Verkehr für sich genommen nichts für das Weltklima, auch wenn die EU damit ihr Versprechen von Paris formal erfüllt. Um durch das Verbot der Verbrenner positive Effekte für das Klima zu erreichen, müsste die EU die eingesparten Brennstoffe in wohlbehüteten Tanks auf ihrem Territorium sicher aufbewahren. Dazu schweigt sie aber, weil dann die Absurdität ihres unilateralen Denkansatzes offenkundig wäre.
Die Aktionen der EU sind nicht mit den anderen Ländern koordiniert, auch nicht durch das Pariser Abkommen. Man darf nicht vergessen, dass knapp 140 der 200 Unterschriften unter dem Abkommen von Ländern stammen, die sich selbst nicht zu quantitativen Mengenbeschränkungen beim CO2-Ausstoss verpflichtet haben. Sie haben im Grunde nur den Umstand begrüsst, dass eine kleine Minderheit der Länder der Welt versprochen hat, ihnen nicht mehr so viele Brennstoffe vor der Nase wegzukaufen.
Tatsächlich wird die Massregelung des PKW-Verkehrs nicht nur wirkungslos für das Weltklima sein, sie könnte sogar kontraproduktiv sein. Für den Betrieb der E-Autos und den Ersatz der Atomkraftwerke wird vorläufig mehr zusätzlicher Strom gebraucht, als die grünen Stromquellen liefern können, während die Einsparungen beim Öl wegen des Leakage über die Brennstoffmärkte klimaneutral sind. Es wird also gerade wegen des Übergangs zu den E-Autos für einige Jahre mehr Strom aus heimischer Kohle gebraucht und damit mehr CO2 ausgestossen.
Eigeninteresse
Die EU-Kommission glaubt, das Carbon Leakage mit dem System des Grenzausgleichs verhindern oder eindämmen zu können. Ihre Hoffnung ist jedoch unbegründet, denn selbst wenn sie den CO2-Gehalt aller Importe besteuern könnte, hätte sie keine Möglichkeit, zu verhindern, dass die in der EU nicht mehr verbrauchten Brennstoffe in andere Teile der Welt geliefert und dort verbrannt werden.
Der Grenzausgleich bringt, ähnlich wie der Verkauf der CO2-Zertifikate, für die EU allerdings den Vorteil, dass sie endlich zu einer ergiebigen eigenen Einnahmequelle kommt. Ob das auch diejenigen als Vorteil empfinden, die die Abgaben werden zahlen müssen, kann bezweifelt werden.
Die EU wird Europa mit ihrer unilateralen Klimastrategie in eine Handelsfestung verwandeln. Sie wird einem neuen Protektionismus Vorschub leisten und anderen Regionen der Welt die Möglichkeit geben, sich mit der billigen Energie, die die EU freigibt, im eigenen Wirtschaftsverbund zu einer prosperierenden, arbeitsteiligen Wirtschaft zu entwickeln. Auf die Kontakte zu einem sich selbst kasteienden Europa wird man dort zunehmend weniger Wert legen. Und dem selbst ernannten Versuchskaninchen zu folgen, werden sich andere Länder hüten, denn ohne China und Indien, versehen nur mit Lippenbekenntnissen der USA, lässt sich kein Klimaclub gründen, der eine Anziehungskraft auf andere ausüben kann.
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Europas grüner Unilateralismus
Mit ihren sehr weitgehenden geplanten Klimaschutzmassnahmen wird sich die EU in erster Linie selbst kasteien und den Lebensstandard der Europäer beeinträchtigen.