Die EZB wird unkonventionell
Die EZB senkt den Leitzins auf 0,15%, der Einlagenzins fällt erstmals unter null auf –0,1%. Die Anleihenkäufe aus dem alten SMP-Programm werden nicht mehr sterilisiert. Die EZB setzt einen neuen Langfristtender auf (TLTRO) und will ein Programm zum Kauf von ABS vorbereiten.

Der Live-Ticker
15.30
Draghi wird gefragt, wie sicher sich die EZB sein könne, mit dieser Massnahme mehr Inflation zu schaffen, wenn selbst das Fed mit seinen Wertschriftenkäufen darin nicht besonders erfolgreich gewesen sei. Draghi antwortet, die EZB gehe davon aus, dass die Massnahmen dazu beitragen würden, die Teuerung zu erhöhen. Zudem sei die Erholung zwar noch immer fragil in der Eurozone, aber sie sei da. Auch am Arbeitsmarkt gebe es Anzeichen, dass sich die Erholung verstärken werde. Draghi wünscht sich zwar mehr Informationsaustausch zwischen den Notenbanken. Er weist aber den Vorwurf von sich, mit der Erhöhung der Liquidität Kollateralschäden in den Schwellenländern zu verursachen. Die EZB verfolge allein das Ziel der Preisstabilität in der Eurozone. Anfällig seien die Länder, die strukturell schwach aufgestellt seien und Reformen benötigten. Die Konferenz endet.
15.25
Der Wechselkurs sei kein Ziel der EZB-Geldpolitik, erklärt Draghi. Aber die Stärkung des Euros sei einer der Gründe für die schwache Inflation in der Eurozone. Während bisher dafür vor allem fallende Nahrungsmittel- und Energiepreise verantwortlich gewesen seien, spiele der starke Euro eine zunehmend wichtige Rolle.
15.20
Das beschlossene Massnahmenpaket werde die Strukturreformen in den Krisenländern nicht verlangsamen. Er würdige zwar den Fortschritt in diesen Ländern, sei aber noch lange nicht damit zufrieden. Reformen gediehen aber besser in einem wachstumsfreundlichen Umfeld. Dagegen würden Länder auf eine Finanzierungskrise mit Steuererhöhungen reagieren, um ihre Defizite zu senken. Dies verringere die Chancen auf Wachstum.
15.17
Damit das Programm für den Kauf von ABS angewendet werden könne, müssten auch aufseiten der Regulierung Anpassungen vollzogen werden. Denn der ABS-Markt sei regulatorisch stark eingeschränkt worden seit der Krise.
15.15
Die heutige Zinssenkung habe nichts mit der Enteignung von Sparern zu tun. Sie richte sich an Banken, nicht an die Sparer. Es sei der Entscheid der Banken, ob sie die Zinsen auf Einlagen ihrer Kunden senken wollen. Die Massnahme ziele darauf, die Erholung zu stärken. Und dies sei auch eine Bedingung dafür, dass die Zinsen für die Sparer wieder anzögen.
15.12
Das umfassende Massnahmenpaket ist gemäss Draghi einstimmig beschlossen worden. Draghi sieht keine Deflation im eigentlichen Sinn, es gebe keine Anzeichen dafür, dass Haushalte ihre Konsumpläne aufschieben. Die vorliegende tiefe Inflation in der Eurozone sei eine Folge der schwachen Nachfrage. Dazu kämen Preisanpassungen in den Ländern, die mit Preissenkungen ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen suchten. Doch je länger dieser Zustand andauere, desto höher würden die Risiken. Das Massnahmenpaket gehe genau diese Risiken einer zu lange dauernden tiefen Inflation an. Draghi betont, dass die EZB bereit sei, weitere Massnahmen, auch unkonventionelle, zu ergreifen. Dazu gehöre das vorzubereitende Programm zum Kauf von ABS.
15.05
Das vorzubereitende Programm für den Kauf von mit Unternehmenskrediten besicherten ABS erfülle idealerweise drei Kriterien: 1. Es ist einfach. 2. Es basiert auf konkreten Darlehen, nicht Derivaten. 3. Es ist transparent.
15.02
Die Forward Guidance ist nach Draghi mit den heutigen Massnahmen gestärkt worden: erstens durch die Senkung des Korridors der EZB-Zinsen, zweitens durch die Fixierung des Zinses für die TLTRO. Die Laufzeit betrage vier Jahre, das Geld, das die Banken so erhalten, dürfe nicht in Staatsanleihen investiert werden, und der Zins sei tiefer als bei vorhergehenden LTRO.
15.00
Draghi betont, dass die EZB mit den angekündigten Massnahmen ihre Optionen noch nicht ausgeschöpft habe. Das Versprechen, Wertschriftenkäufe zu sterilisieren, das er selbst und sein Vorgänger gegeben hätten, sei in einem inflationären Umfeld abgegeben worden. Diese Grundlagen für das Versprechen hätten sich klar geändert. OMT sei ein völlig anderes Programm und habe nichts mit dem SMP-Programm zu tun. Draghi stellt eine Verwirrung fest, ob die EZB je die Sterilisation für OMT-Käufe garantiert hat. Er macht klar, dass die Sterilisation für das OMT-Programm weiterhin gelte.
14.55
Draghi beantwortet Fragen: Die EZB habe mit ihrer Zinskürzung die untere Grenze der Bandbreite erreicht, und sei es nur aus praktischen Gründen. Mit den Massnahmen zur Stärkung der Kreditvergabe an Unternehmen werde es nötig sein, neue Daten zu erheben. Die effektive Kreditvergabe werde überprüft werden müssen. Das Programm unterscheide sich klar vom Funding-for-Lending-Programm der Bank of England. Mehr Details gebe es um 15.30 Uhr.
14.50
Die Banken sollen den für Herbst angekündigten Stresstest ihrer Bilanzen und deren Überprüfung dazu benutzen, ihre Kapitalbasis weiter zu stärken, damit sie die Kreditvergabe im Währungsraum nicht behindern. Den Krisenländern empfiehlt Draghi einmal mehr, auf ihrem Reformpfad weiterzufahren, auch wenn das Verfahren der EU-Kommission gegen Defizitsünder mittlerweile für vier Länder fallengelassen werden konnte.
14.49
Die Erholung in der Eurozone hat sich gemäss Draghi langsamer entwickelt als erwartet. Die EZB ist aber zuversichtlich, dass sie sich verstärkt, nicht zuletzt wegen der gesunkenen Energiepreise. Die Kreditvergabe an Unternehmen sei im April rückläufig geblieben. Die EZB erwartet in ihren Juni-Schätzungen für 2014 ein Wachstum von 1%. Die Prognosen für 2015 seien etwas angehoben, die für 2016 etwas gesenkt worden. Die Risiken würden aber weiter auf der negativen Seite überwiegen. Die Inflation war mit 0,5% im Mai tiefer als erwartet ausgefallen. Für 2014 geht die EZB von einer Teuerung von 0,7% aus, für 2015 erwartet sie 1,1%, für 2016 1,4%, wobei sie in dessen letztem Quartal 1,6% betragen soll. Die Inflationserwartungen sieht die EZB indes daher noch immer in Einklang mit der mittelfristigen Preisstabilität, d.h. einer Inflation von knapp 2%.
14.40
Die negativen Einlagensätze gelten ab Juli 2014 und umfassen auch die Einlagen, die über die von den Banken bei der EZB gehaltenen Reserven hinausgehen. Im neuen LTRO-Programm nicht inbegriffen sind Kredite an die öffentliche Hand und Immobilienkredite an private Haushalte. Das Volumen des Programms beträgt 400 Mrd. €, der Zins wird fixiert sein. Zudem will die EZB den Kauf von ABS vorbereiten. Die EZB trifft diese Vorbereitungen, um in Zukunft einfache und transparente ABS-Instrumente kaufen zu können. Die Besicherung dieser Wertschriften muss aus Krediten an den privaten Sektor bestehen, ausgenommen sind Kredite an Finanzinstitute. Die wöchentliche Sterilisierung der Anleihenkäufe aus dem SMP-Programm wird eingestellt. Banken können 7% des Kreditvolumens an Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors in der Eurozone zu Vorzugszinsen aufnehmen, das maximale Volumen beträgt 400 Mrd. €. Die Laufzeit der als TLTRO – Targeted Long Term Refinancing Operation – bezeichneten Tender geht bis September 2018. Weitere Details gibt die EZB ab 15.30 Uhr auf der EZB-Webseite bekannt. Der Entscheid für die unkonventionellen Massnahmen wurde einstimmig getroffen.
14.30
EZB-Präsident Mario Draghi eröffnet die Pressekonferenz. Die EZB habe ein Paket beschlossen, um die Finanzierungsbedingungen von Unternehmen zu verbessern. Neben der Zinssenkung gehören dazu ein Langfristfinanzierungstender (LTRO) für Banken und die Vorbereitungen für die Umsetzung eines Programms zum Aufkauf von mit Unternehmenskrediten besicherten Wertschriften (ABS). Ausserdem stoppt die EZB die Sterilisierung des 2010 begonnenen Anleihenaufkaufprogramms SMP.
Zinsentscheid
(Reuters) Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt ihre Zinsen auf Rekordtiefs. Der Leitzins werde von 0,25 auf 0,15% gekappt, teilte die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mit. Banken in den achtzehn Euroländern müssen künftig eine Strafe zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Die Zentralbank kappte den Einlagensatz auf –0,1%. Er liegt damit zum ersten Mal unter der Nulllinie. Die Institute müssen somit draufzahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB horten. Der Zins für kurzfristige Ausleihungen bei der Notenbank vermindert sich von 0,75 auf 0,4%.
Zudem kündigte die EZB weitere Massnahmen an, die im Verlaufe des Nachmittags veröffentlicht werden sollen. Damit könnte die Zentralbank die zuletzt stockende Kreditvergabe ankurbeln und ein Abrutschen der Wirtschaft in eine ruinöse Abwärtsspirale mit sinkenden Preisen und nachlassenden Investitionen verhindern.
Nach dem Zinsbeschluss der EZB ist der Euro am Donnerstag auf Talfahrt gegangen. Die Gemeinschaftswährung fiel auf 1.3560 $, von knapp über 1.36 $ kurz vor der Zinsentscheidung. Das ist der niedrigste Stand seit Anfang Februar. Der Dax zog auf 9971 Punkten von zuvor etwa 9960 Zählern an. Damit lag er 0,5% im Plus. Der EuroStoxx50 legte 0,8% auf 3263 Punkte zu.
Noch Anfang Mai war der Euro auf dem Weg zur 1,40 Dollar-Marke gewesen. Doch dann signalisierte EZB-Chef Mario Draghi die bevorstehende Lockerung der Geldpolitik für Juni.
Der Hintergrund
(TM) Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hat an der letzten Ratssitzung vom 8. Mai erklärt, am 5. Juni bereit zu sein für eine weitere Lockerung der Geldpolitik, um der lang andauernden tiefen Inflation entgegenzuwirken. Vergangene Woche verschärfte er bei der Eröffnung eines EZB-Forums nahe der portugiesischen Hauptstadt Lissabon den Ton und sprach von der Möglichkeit einer «gefährlichen Deflationsspirale».
Zinssenkung mit Enttäuschungspotenzial
Die konventionellste Massnahme, die die EZB beschliessen könnte, wäre eine Zinssenkung. Zuletzt wurde der Hauptfinanzierungssatz im November 2013 von 0,5 auf 0,25% gesenkt. Der Einlagensatz für bei der EZB geparkte Gelder blieb auf 0%. Eine Senkung des Hauptzinses auf 0,15 oder gar 0% und des Einlagensatzes ins Minus würde mehr Geld von der EZB abziehen und den Geldmarkt beruhigen. Der Eonia (Euro Overnight Index Average), der Zins, zu dem sich Banken über Nacht ohne Hinterlegung von Sicherheiten Euro leihen, ist jüngst oft gestiegen.
Eine Zinssenkung gilt unter Experten als so gut wie sicher. Im Durchschnitt (Median) erwarten die Analysten gemäss einer Umfrage von Bloomberg eine Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes um 15 Basispunkte (Bp) auf 0,1% und des Einlagensatzes um 10 Bp auf –0,1%. Die Agentur brachte am Dienstag zudem unter Berufung auf zwei EZB-Vertreter in Erfahrung, dass eine Zinssenkung am Donnerstag nicht die letzte sein dürfte.
Wie ein Analyst von M&G Investments gegenüber Bloomberg erklärte, ist eine Zinssenkung im Markt schon eingepreist. Entsprechend hoch sei das Enttäuschungspotenzial, sollte die EZB dennoch weiter zuwarten. Die Renditen der Staatsanleihen könnten wieder anziehen. Gemäss Experten von Citigroup ( C 47.88 -0.64%) könnte der Euro auf über 1.40 $ anziehen. Der starke Euro ist durch die damit verbundenen tiefen Importpreise für die EZB einer der Gründe, warum die Inflation im Euroraum hartnäckig weiter unter ihrem Ziel von knapp unter 2% bleibt. Hauptursachen sind bisher aber weiterhin gesunkene Nahrungs- und Energiepreise.
Fokus Unternehmensfinanzierung
Am Herzen liegt der EZB die Wiederbelebung des Marktes für verbriefte Unternehmenskredite (Asset Backed Securities, ABS). Wie etwa Assenagon Asset Management schreibt, werden ABS seit der Krise aufgrund der verschärften Auflagen kaum mehr an Kapitalmarktnehmer verkauft, sie dienen weitgehend als Sicherheit für die Zentralbankkredite bei der EZB. Diese suche daher nach Wegen, diesen Markt wiederzubeleben. Denn das Risiko sei hoch, dass eventuelle negative Einlagenzinsen bei der EZB die Institute nur zu Ausweichanlagen etwa in Staatsanleihen verleiten könnten, statt die Liquidität den Unternehmen weiterzuleiten. Unter anderem fehlen aber noch Ratings für ABS. EZB und Bank of England haben letzte Woche ein gemeinsames Positionspapier zu Verbriefungen publiziert. Das könnte darauf hinweisen, dass diese Massnahme langsam Konturen annimmt.
Eine zusätzliche Option bleibt in diesem Kontext eine weitere Runde langfristiger Refinanzierungsprogramme (LTRO), analog zu den Dreijahrestendern aus den Jahren 2011 und 2012. Diesmal an die Bedingung geknüpft, dass das Geld als Kredite an Unternehmen weitergereicht wird.
Doch ein volles QE?
Die stärkste Massnahme wäre eine quantitative Lockerung (QE) im Stil der US-Notenbank. Die EZB könnte eine breite Palette von Wertschriften aufkaufen. Das Programm könnte auf die einzelnen Länder abgestimmt werden, um den unterschiedlichen Problemen in den jeweiligen Kapitalmärkten Rechnung zu tragen. Kritiker bemängeln, ein QE könnte weniger wirksam sein als in den USA, da in Europa Bankkredite für die Unternehmen die wichtigere Finanzierungsquelle sind als der Kapitalmarkt.
Trotzdem hat ein QE in den Augen der Marktteilnehmer an Wahrscheinlichkeit gewonnen. Gemäss einer Umfrage von Royal Bank of Scotland (RBS) wird eine Lancierung des Lockerungsprogramms am Donnerstag von den meisten Experten als wahrscheinlicher angesehen als ein Stillhalten.
Diskutiert wird seit einiger Zeit auch eine Art «QE Light»: Die EZB könnte die Anleihen, die sie unter dem alten Securities Markets Program (SMP) seit 2010 gekauft hatte, nicht mehr sterilisieren bzw. die so entstandene Liquidität abschöpfen. Stoppt die EZB die Neutralisierung der Käufe, könnten 172 Mrd. € zusätzlich ins Finanzsystem gelangen.
Neuste Preisdaten sprechen für Massnahmen
Seit langem notiert die Inflation deutlich unter dem Zielwert von knapp unter 2%, bei dem die Frankfurter Währungshüter die Preisstabilität als gewahrt erachten. Der Rückgang der Inflationsrate im März auf 0,5% wurde laut der EZB einem saisonalen Effekt zugeordnet. Sie prognostizierte daher einen Anstieg im April. Er fiel mit einer Teuerung von 0,7% zum Vorjahr indes schwächer als erwartet (0,8%) aus.
Mit den neusten Preisdaten fügt sich ein weiteres Mosaiksteinchen ins Bild eines entschiedenen Handelns der EZB am Donnerstag. Die Jahresinflation ist im Mai von 0,7% noch tiefer auf 0,5% gefallen, wie das europäische statistische Amt Eurostat am Dienstag nach einer ersten Schätzung mitteilte. Ökonomen hatten mit einem Rückgang auf 0,6% gerechnet.
REUTERS/Tommaso Manzin und Tina Haldner
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch