Sind Sie Mr. Euro? Diese Frage gehörte in den ersten zehn Jahren der Gemeinschaftswährung an Pressekonferenzen mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank zum Standard. Und sie sorgte regelmässig für Unbehangen bei den Befragten. Die EZB hat nur den Auftrag, für Preisstabilität zu sorgen, zum Wechselkurs äussern sich die Statuten nicht. Wim Duisenberg, der erste EZB-Chef, hatte sich mit unglücklichen Äusserungen zum Euro-Wechselkurs seinerzeit die Finger verbrannt. Sein Nachfolger, Jean-Claude Trichet, antwortete stets diplomatisch nichtssagend und verwies, wenn es nicht anders ging, auf das vermeintliche Versprechen jeder US-Regierung, sie setze sich für einen starken Dollar ein. Bezeichnenderweise wurde Mario Draghi nach seinem Antritt die Gretchenfrage gar nicht mehr gestellt: Er hat sowieso schon allen gezeigt, auf wen die Devisenhändler hören.
Ende Juli leitete sein Bekenntnis, die Eurounion mit allen Mitteln zu unterstützen, den Anstieg des Euros ein: von 1.21 auf über 1.36 $/€. Und es genügten einige Sätze zur Euro-Stärke an der Medienkonferenz am Donnerstagnachmittag, um den Wechselkurs innert Minuten auf 1.3379 $/€ zurückzuschicken. Es war der stärkste Kursrutsch nach unten seit Juni, rechnet Reuters nach. Vor allem führte er die Notierungen unter 1.35 $/€ — jene Schwelle also, ab der zahlreiche Devisenanalysten Euro-Bewertungen als übertrieben und «fundamental nicht gerechtfertigt» beurteilen.
Mario Draghi betrachtet den Eurokurs als Chefsache – wie schon die Überwindung der Staatsverschuldung, die Bankenaufsicht etc. Er hätte ausweichend antworten können, dass der Euro den Marktkräften gehorche und damit basta. Stattdessen wiederholte er die von Frankreichs Staatspräsident und anderen Regierungen vorgebrachte Sorge, eine zu kräftige Aufwertung bremse das Wirtschaftswachstum. Er sprach sogar die Folgen für die Inflation an. Eine festere Währung macht Importe günstiger und dämpft die Preise. Fürchtet Draghi Deflation? Die Sorgen sind weit hergeholt.
Seit Donnerstag sind Leitzinssenkungen in der Eurozone plötzlich wahrscheinlicher geworden. Wohlgemerkt nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern zur Verfolgung der Währungspolitik. Die EZB hat damit die zunehmend euphorisch agierenden Euroinvestoren erschreckt. Viele waren zuletzt im Zuge der Ereignisse auf die Rally aufgesprungen. Der Euro drohte zu überschiessen. Nun mussten sie ihre riskanten Positionen wieder schliessen.
Nur: Dieses taktische Ziel rechtfertigt nicht den hohen Einsatz. Die EZB hat sich damit in den heisser werdenden Währungskrieg eingemischt, der bisher nur zwischen Japan, China und den USA schwelt. Er ist ein politischer Konflikt, der massgeblich von den Regierungen gesteuert wird. Die Herren Hollande, Monti und Rajoy wissen das, und Draghi sollte sich dessen bewusst sein. Wer ist am Ende wirklich Mr. Euro?
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EZB pokert mit zu hohem Einsatz
Mario Draghi will die Euro-Aufwertung bremsen und redet damit manchem Staats- und Regierungschef in der Währungsunion nach dem Herzen. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Andreas Neinhaus.