Fünf Franken
Das Jahr endete mit der gleichen Zeremonie, mit der es begann.
Das Jahr endete mit der gleichen Zeremonie, mit der es begann. Renommierte Forschungsinstitute korrigieren – Verzeihung: revidieren! – ihre Prognosen massiv. Damals gab die überraschende Zinssenkung der US-Notenbank kurz nach Silvester den Auslöser zum Umdenken. Im Jahresverlauf folgten zehn weitere Lockerungen des Fed. Diese Woche ging der Internationale Währungsfonds – vielleicht die einflussreichste Quelle für Wirtschaftsprognosen überhaupt – erneut über die Bücher und wertete den Ausblick nach dem 11. September noch schwärzer. Wie an dieser Stelle schon mehrfach betont, sollten Anleger nicht nur auf vorausgesagte Werte achten, sondern überprüfen, wie die Forscher argumentieren und welche Annahmen sie treffen (z.B. in Bezug auf den Ölpreis, den Wechselkurs etc.). Qualitative Aussagen sind oft mehr wert als quantitative. Dennoch dürfen die Erzeugnisse der «Verschätzer» nicht unter den Tisch gekehrt werden, wie das folgende Beispiel zeigt: Bern stellte sich Ende Vorjahr darauf ein, dass die Schweizer Volkswirtschaft (das Bruttoinlandprodukt BIP) nominal 4% wachsen würde. Das entspricht 16 Mrd. Fr. mehr Wertschöpfung als 2000. Tatsächlich hat sich das BIP dieses Jahr nur rund 2,6% oder 10,5 Mrd. Fr. ausgeweitet. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat folglich damit gerechnet, dass jeder in der Schweiz Wohnhafte (Babys eingeschlossen) durchschnittlich 764 Fr. mehr erwirtschaften würde als es der Fall gewesen ist. Natürlich steckt eine solche Überschlagkalkulation voll grober Vereinfachungen. Schliesslich produzieren nicht Kleinkinder, sondern Unternehmen einen grossen Teil des Inlandprodukts; und setzen dazu Maschinen ein – was die Produktivität erhöht. Aber die Rechnung rückt in die Perspektive, was sonst nur schwer (be)greifbar ist: Jeder Prozentpunkt, um den die BIP-Prognose für 2002 nach unten verändert wird, entspricht 580 Fr. weniger, die pro Kopf im Gesamtjahr produziert würden. Der Meinungsstreit, den die Auguren derzeit über die Wachstumsprognose für 2002 austragen – zwischen 1 und 3% Nominalwachstum – entspricht damit der Frage, ob jeder von uns 1200 Fr. mehr oder weniger erwirtschaften wird als im Vorjahr. Pro Arbeitstag macht das etwa 5 Fr. aus.Andreas Neinhaus - Redaktor