Geburt eines neuen Marktführers in der Stahlindustrie – Mittal verzichtet auf Verlängerung der Angebotsfrist
Das Übernahmeangebot für den europäischen Stahlmulti Arcelor scheint auf gutem Weg zu sein.
Das Übernahmeangebot für den europäischen Stahlmulti Arcelor scheint auf gutem Weg zu sein. Dem Angreifer Mittal Steel sind zwar bis Donnerstag, dem letzten Tag der Offertfrist, lediglich 17,6% der Kapitalanteile angedient worden. Doch ist das nicht aussergewöhnlich: Institutionelle Anleger neigen dazu, ihre Anteile erst spät in ein Angebot einzubringen. Sie wollen sich damit die Chance erhalten, ein interessanteres Angebot gegebenenfalls noch nutzen zu können. - Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass Mittal den angestrebten 50%-Kapitalanteil von Arcelor erreichen wird. Dafür spricht auch, dass Mittal davon absieht, die Offertfrist zu verlängern, wie das in französischen Medien vermutet worden war. Bemerkenswert ist, dass sich die belgische Region Wallonien und das Grossherzogtum Luxembourg diese Woche dazu durchgerungen haben, vom Umtauschangebot Gebrauch zu machen. Entscheidend war in diesem Zusammenhang, dass sich der Arcelor-Verwaltungsrat Ende Juni doch noch für eine deutlich aufgebesserte Offerte von Mittal ausgesprochen und dabei gleichzeitig die Konzernführung desavouiert hatte. Die offiziellen Zahlen über den Erfolg dieser Operation werden erst am 26. Juli offiziell publik gemacht. - Aus diesem mit harten Bandagen ausgefochtenen Übernahmekampf entsteht ein Riese, der gemessen an seinem kombinierten Produktionsausstoss von annähernd 110 Mio.t Stahl (2005) die nächstgrössten Anbieter bei weitem übertrifft: Die japanische Nippon Steel und die südkoreanische Posco kamen im vergangenen Jahr auf einen Output von 32 Mio. respektive 30,5 Mio.t. Die Synergien aus dem Zusammenschluss beziffert Konzernchef Lakshmi Mittal neuerdings mit 1,6 Mrd.$, nachdem er im Mai noch von 1 Mrd.$ ausgegangen war. Ein grosser Teil davon soll im Einkauf über die nächsten drei Jahre hinweg realisiert werden. Aber auch in der Vermarktung und in der Produktion soll die Rentabilität durch den Zusammenschluss entscheidend verbessert werden. Der Übernahmekampf hat einige Konzessionen notwendig gemacht, die ohne die Gegenwehr des Arcelor-Managements nicht erreicht worden wären. Ausser der markanten Aufbesserung der ursprünglichen Offerte ist besonders die Aktionärsstruktur des künftigen Arcelor-Mittal-Konzerns angesprochen. Unter dem Druck der Investoren willigte die Familie Mittal ein, dass sie das Prinzip der Aktien mit Mehrfach-Stimmrecht aufgibt – das ihr in der Vergangenheit grösstmögliche Entscheidungsgewalt gesichert hatte. Auch soll Arcelor im Spitzenmanagement des neuen Konzerns gut vertreten sein und nicht die Rolle des Juniorpartners spielen. - Wie diese Zusammenarbeit funktionieren wird, ist schwer abschätzbar. Kaum ein Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren mit diversen Manövern so hartnäckig gegen eine Übernahme zur Wehr gesetzt wie Arcelor. Dieser monatelange Abwehrkampf hat die Leute geprägt. Nicht überraschend geht auch Arcelor-Konzernchef Guy Dollé vorzeitig in Pension. Es bleibt zu hoffen, dass das Topmanagement nicht durch weitere Abgänge aus dem Hause Arcelor geschwächt wird. US