Geduld ist die Tugend des Ericsson-Aktionärs
Der schwedische Telecomausrüster Ericsson sah sich in der Nacht auf Freitag, rund acht Stunden früher als geplant, zur Publikation der Zahlen für das dritte Quartal gezwungen.
Der schwedische Telecomausrüster Ericsson sah sich in der Nacht auf Freitag, rund acht Stunden früher als geplant, zur Publikation der Zahlen für das dritte Quartal gezwungen. Durch ein internes Informationsleck waren bereits am Donnerstagabend Teile des Berichts durchgesickert und schliesslich auch über die Nachrichtenagentur Reuters verbreitet worden. Die Ericsson-Aktien stiegen daraufhin in Stockholm nachbörslich und zogen auch an der US-Wachstumsbörse Nasdaq deutlich an. Das Unternehmen hat bereits eine interne Untersuchung eingeleitet, die Stockholmer Börse will der Sache nachgehen, und das schwedische Finanzinspektorat dürfte Nachforschungen wegen Verdacht auf Insider-Handel einleiten. Der Vorfall wirft einen weiteren Schatten auf den schwedischen Traditionskonzern. Bereits vor einem Jahr, vor der Veröffentlichung des Berichts zum dritten Quartal, waren Informationen früher als gewollt ins Publikum gelangt. - Ericsson hat zwar keine berauschenden Zahlen vorgelegt – der Verlust im Handy- Geschäft war noch mal höher als erwartet, das Netzwerkgeschäft entwickelte sich nicht ganz so schlecht, wie von den meisten Analysten erwartet –, ist aber mit dem Ende des vergangenen Jahres eingeleiteten Effizienzprogramm seinen Planwerten voraus. In diesem Quartal wurden bereits 2,5 Mrd. sKr. (430 Mio. Fr.) eingespart. Im Gesamtjahr sollen es 7 Mrd. werden, bisher war Ericsson von 5,5 Mrd. ausgegangen. Die Aktien Ericsson stiegen am Freitag 8% auf 48 sKr. Den Kurs beflügelt hat wohl auch die Meldung, dass sich Verwaltungsratspräsident Lars Ramqvist an der Generalversammlung im März für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung stellt. Sein Rücktritt war Ende des vergangenen Jahres bereits von vielen Seiten gefordert worden. Als Nachfolger wird Michael Treschow vorgeschlagen, bisher Konzernchef von Electrolux. Sein Nachfolger wiederum wird der 44-jährige Hans Straaberg, der bereits seit 1983 für den Haushaltgerätehersteller tätig ist. Treschow – auch bekannt als «Mike the Knife» – hatte sich in den Neunzigerjahren als Sanierer von Electrolux einen Namen gemacht, als er kurz nach seinem Amtsantritt harte Entlassungs- und Kostensenkungsmassnahmen einleitete. - Treschow ist allerdings auch ein Vertreter des Imperiums um die Familie Wallenberg, die über die Beteiligung Investor einen grossen Teil der schwedischen Wirtschaft kontrolliert. Ob es Sinn macht, dass die Investor-Vertreter sich quasi im Turnus gegenseitig an der Spitze der grossen schwedischen Gesellschaften ablösen, ist fraglich. Die Hoffnung ist jedoch begründet, dass Treschow – bekannt für seine Offenheit gegenüber der Presse – etwas mehr Transparenz in die für ihre Verschlossenheit berüchtigte Ericsson-Führungsriege bringen wird. - Im dritten Quartal ist der Umsatz von Ericsson 19% auf 54,6 Mrd. sKr. zurückgegangen, der Verlust betrug 4 Mrd. sKr., gegenüber einem Gewinn von 4,1 Mrd. sKr. in der gleichen Vorjahresperiode. Die Verkäufe in der Handy-Sparte fielen 42% auf 8,3 Mrd. sKr., der operative Verlust erhöhte sich von 4 auf 4,2 Mrd. sKr. Die operative Marge verschlechterte sich auf minus 51%. Damit hat sich die Handy-Sparte noch etwas schlechter entwickelt als von den meisten Analysten ohnehin erwartet. Wie zu Beginn dieses Jahres beschlossen, wurde das Handy-Geschäft per 1.Oktober mit demjenigen des japanischen Elektronikkonzerns Sony unter dem Dach eines Joint venture zusammengelegt. Im Bericht zum vierten Quartal wird der Handy-Bereich damit nicht mehr als Sparte erscheinen. 50% des Ergebnisses des Joint venture werden stattdessen unter der Position «Beteiligungen» aufgeführt, Ericsson wird faktisch zum reinen Infrastrukturanbieter. Katsumi Ihara, Chef von Sony Ericsson, will mit dem Gemeinschaftsunternehmen 2002 profitabel werden. Neue Mobiltelefone unter einem neuen Markennamen sollen Mitte des kommenden Jahres auf den Markt kommen. Ihara hegt ehrgeizige Ziele: Innerhalb von fünf Jahren will er zur Nummer eins aufsteigen und damit den Branchenprimus Nokia von der Spitze verdrängen. - Der Umsatz der Netzwerksparte von Ericsson fiel im dritten Quartal 11% auf 43 Mrd. sKr. Der für das Unternehmen in Zukunft ausschlaggebende Bereich verzeichnete jedoch – entgegen den Befürchtungen vieler Marktauguren – einen kleinen operativen Gewinn von 200 Mio. sKr. , die operative Marge betrug 1%, im Vergleich zu 17% im dritten Quartal 2000. - Für das laufende Quartal erwartet Ericsson-Chef Kurt Hellström auf Konzernebene einen Rückgang der Verkäufe um 10%, für 2002 prognostiziert er ein Nullwachstum oder einen Rückgang um 10%. Bisher war er von einem Null- bis 5%-Wachstum ausgegangen. Dennoch soll das Ziel einer operativen Marge von 5% erreicht werden. Die Aktien Ericsson haben höchstwahrscheinlich nach dem Attentat in den USA auf 35 sKr. ihr Tiefst erreicht. Zudem dürfte das Schlimmste durchgestanden respektive in den Aktienkursen enthalten sein. Ericsson ist im langfristigen Wachstumsmarkt Mobilfunkinfrastruktur ausgezeichnet positioniert und wird im Geschäft mit Übertragungsanlagen für die dritte Mobilfunkgeneration rund 40% der Marktanteile auf sich vereinen. Ob die Titel aber, wenn sich eine Erholung des Markts abzeichnet, zu den Outperformern gehören, ist wegen des grossen Vertrauensverlusts der vergangenen zwölf Monate zu bezweifeln.