Gefahr eines Triple Dip in Grossbritannien
Die britische Volkswirtschaft ist nach einer «olympischen» Erholung im vierten Quartal wieder geschrumpft. Die Gefahr eines Triple Dip, einer dritten Rezession in kurzer Folge, ist damit erheblich gestiegen.

Die britische Volkswirtschaft kommt nicht vom Fleck. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) fiel im vierten Quartal 2012 erneut um 0,3%, nachdem die Olympischen Spiele in London im Sommer für einen zwischenzeitlichen Schub gesorgt hatten. Es sieht ganz so aus, als würde das bisherige Rezept – Austerität im öffentlichen Sektor und lockere Geldpolitik – nicht wirken.
«Das Risiko eines technischen Triple Dip steigt», sagt Ross Walker, Ökonom für Grossbritannien bei der Royal Bank of Scotland (RBS). «Ob die Wirtschaft jedoch im ersten Quartal 2013 ganz wenig wächst oder ganz wenig schrumpft, macht keinen grossen Unterschied.» Tatsache ist: Das Wachstum ist im Vergleich zu früheren Rezessionen überaus schwach.
Sicher gibt es Einmaleffekte, auf die viele Ökonomen hinweisen und die einen Teil der Schwäche erklären. Und ja, die erste Schätzung des BIP-Wachstums anhand rund 40% der Daten wird meistens korrigiert. Aber so, wie sich die Lage präsentiert, können diese Faktoren nicht erklären, weshalb die Erholung ausbleibt. Es muss strukturelle Ursachen geben.
Arbeitslosenrate sinkt
Schon seit längerem ist es Ökonomen ein Rätsel, weshalb die Erholung nicht anzieht. Daten aus dem Arbeitsmarkt deuten längst auf eine Besserung. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, die Anzahl Beschäftigter steigt. Das heisst, die Produktivität nimmt ab. Falls der schwache Wachstumstrend des BIP anhalte, stelle sich bald die Frage, wie lange die Zunahme der Beschäftigung weitergehen könne, sagt RBS-Ökonom Walker und ergänzt: «Der Arbeitsmarkt hat während der Krise viel Flexibilität gezeigt, aber langfristige Produktivitätsprobleme bleiben.» Wo liegt der Grund? Entweder die Unternehmen stellen vorzeitig Leute an, um den Aufschwung voll und ganz mitmachen zu können, oder aber die Produktivitätskapazität ist in der Krise permanent beschädigt worden. Eine kürzlich publizierte Studie der Bank of England (BoE) scheint die zweite Hypothese zu bestätigen. Grossbritanniens Wirtschaftswachstum wäre demnach geringer als vor der Krise.
Die Situation ist vertrackt. Die BoE ist, je länger die Flaute anhält, desto ratloser. «Die Geldpolitik ist sehr locker, es gibt nicht zu wenig Geld, aber man kann die Leute nicht zwingen, es auszugeben», sagt Simon Wells, Chefökonom für Grossbritannien bei der Bank HSBC. Die Zentralbank hat die Zinsen gesenkt und zudem für 375 Mrd. £ Staatsanleihen gekauft (sie besitzt 30% des Marktes) sowie im vergangenen Jahr ein neues Kreditprogramm aufgelegt. Es gibt Banken, die Kredite erteilen – Zugang zu Geld, das noch günstiger ist als der offizielle Zins von 0,5%.
Trotz allem ist die Nachfrage nicht in Fahrt gekommen. Und es sieht so aus, als ob selbst die BoE daran zweifelte, dass der weitere Kauf von Staatsanleihen die Situation verbessern kann, ohne auch die Inflation anzukurbeln.
Auftritt Mark Carney. Der Kanadier, der im Sommer die Leitung der BoE übernimmt, will die Zielvorgabe ändern, um ungeachtet der Inflation die Geldversorgung zu erhöhen. Er möchte ein flexibleres Inflationsziel oder gar nominales Wirtschaftswachstum als Ziel für die Geldpolitik. Walker ist skeptisch: In irgendeiner Form werde ein Inflationsziel bleiben. «Inflation ist eine Krankheit, die Grossbritannien mehr als andere Länder in den Siebziger- und Achtzigerjahren befiel. Es benötigte tiefe Rezessionen, um die Teuerung aus dem System zu kriegen.» Selbst wenn Schatzkanzler George Osborne ein neues Ziel vorgäbe: Die Frage lautet, ob Geldpolitik überhaupt noch wirkt und ob die Austerität der Regierung neu zu beurteilen ist.
Der Schatzkanzler spart
Schatzkanzler Osborne gibt sich unnachgiebig, obwohl das schwache BIP-Wachstum die Haushaltskonsolidierung verzögert. HSBC-Ökonom Wells findet, der Sparplan sei wohl zu hart, besonders punkto Investitionen. «Es gibt Spielraum, das umzudrehen», möglicherweise gar ohne eine grössere Anpassung bei den Renditen der Staatsanleihen auszulösen.
Aber die Anpassung ist ohnehin schon im Gang. Das Pfund hat gemessen in Euro oder Franken den Status eines sicheren Hafens eingebüsst. Dasselbe gilt für Staatsanleihen. Die zehnjährigen rentieren wieder über 2%. Diese Trends werden anhalten, solange die Wirtschaft stagniert.
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