Gerecht?
Der Begriff der Steuergerechtigkeit wird die Gemüter im Vorfeld der Abstimmung vom 2.Dezember über die Initiative für eine Kapitalgewinnsteuer erhitzen.
Der Begriff der Steuergerechtigkeit wird die Gemüter im Vorfeld der Abstimmung vom 2.Dezember über die Initiative für eine Kapitalgewinnsteuer erhitzen. Die Kampagne der Initianten des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) dreht sich zentral um die Gerechtigkeit. Der Begriff ist allerdings äusserst vage, lässt sich kaum gültig definieren und wird je nach subjektiver Sicht sehr unterschiedlich interpretiert. Damit eignet er sich schlecht als Leitlinie für wirtschaftspolitisches Handeln. Das gilt auch für die vom SGB verwendete Definition, die Steuergerechtigkeit mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleichsetzt. Dieser auf den ersten Blick einleuchtende Terminus ist nicht weniger vage als der der Steuergerechtigkeit selbst. Besonders lassen sich zentrale Fragen, beispielsweise wie steil denn die Steuerprogression sein darf, auch mit Hilfe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht gültig beantworten. Dafür hat der Begriff den auch von Finanzminister Villiger nicht bestrittenen Ausbau der direkten Bundessteuer in eine Reichtumssteuer unterstützt. Zahlen untermauern die These. In der direkten Bundessteuer erbringen nur 5% der Steuerpflichtigen 59% des Ertrags. Umgekehrt sind 17% der Pflichtigen ganz von der Steuer befreit! Die Behauptung, hohe Einkommen würden steuerlich privilegiert, ist nicht haltbar. Nimmt man den von den obersten Exponenten des SGB, Präsident Paul Rechsteiner und Sekretär Serge Gaillard, lancierten Ruf nach mehr Gerechtigkeit zusammen mit ihrer Feststellung, dass die Kapitalgewinne normalerweise von einkommens- und vermögensmässig Privilegierten erzielt werden, so wird die Absicht klar: Mit der Kapitalgewinnsteuer soll, unter dem Deckmantel der Steuergerechtigkeit, eine zweite Reichtumssteuer eingeführt werden. Parallel steigen die steuerliche Gesamtbelastung sowie die Fiskalquote weiter. Darüber hinaus wird eine Kapitalflucht provoziert, die dem Fiskus erhebliches Steuersubstrat entzieht. Damit beeinträchtigt die Kapitalgewinnsteuer die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Wohlstandseinbussen sind die Folge, wie auch immer der Begriff der Steuergerechtigkeit definiert ist. Daran dürften selbst gestandene Gewerkschafter wenig Freude haben. - Peter Morf - Redaktor