Hallo Steinzeit
Die Hoffnung, Deutschland passe sich endlich an moderne Gepflogenheiten in der Regelung von Übernahmen an, schwindet.
Die Hoffnung, Deutschland passe sich endlich an moderne Gepflogenheiten in der Regelung von Übernahmen an, schwindet. Die Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder gibt in einer abrupten Kehrtwende dem Druck von Gewerkschaften und Industrie nach und will von «Neutralitätspflicht» nichts mehr wissen. Das heisst, dass das Management eines Unternehmens sich von der Generalversammlung einen Freibrief erstellen lassen darf, um zur Abwehr einer Übernahme aktionärsfeindliche Massnahmen zu ergreifen. Private und institutionelle Anleger sind die Dummen. Nicht nur, dass Abwehrmassnahmen Wert vernichten. Der Freibrief schaltet einen zentralen Mechanismus aus: Wer vor unerwünschten Übernahmen geschützt ist, verliert den Ansporn, den Wert des Unternehmens zu steigern. Das führt zu Beamtentum, finanziert von Aktionären. Gerade in Deutschland, wo der Aufsichtsrat je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gestellt wird, besteht die Gefahr, dass sich Management, Kontrollgremium und Grossaktionäre gegen die freien Investoren verbünden. Dazu kommt, dass Abwehrmassnahmen Protektionismus bedeuten. Wer sich auf internationalem Parkett bewegt, darf sich das aber nicht leisten. Das hat unter anderem die Übernahme des deutschen Konzerns Mannesmann durch die britische Vodafone gezeigt. Aufsichtsratsmitglieder, die selbst als Vorstandsvorsitzende international aktiver, deutscher Konzerne führten, setzten die internationalen Standards durch und beendeten den Widerstand gegen die Übernahme. Dass Abwehrmassnahmen schädlich für Aktionäre sein können, hat auch Sulzer gezeigt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Geschäftsentwicklung im Eifer des Gefechts nicht realistisch dargestellt wurde. Auch die Schweiz ist hier kein Vorreiter. Abwehrmassnahmen sind aber immerhin nur in begrenztem Ausmass zugelassen. Ob Freibriefe durch die GV erlaubt sind, ist aber umstritten. Mit der Kehrtwende torpediert die Regierung Schröder auch die Verhandlungen auf europäischer Ebene. In Brüssel macht man sich seit mehr als zehn Jahren Gedanken über eine neue Übernahmeregelung. Bis zum 6. Juni müssen sich die Behörden auf einen Entwurf einigen. Es ist zu befürchten, dass Brüssel die deutsche Regierung auf dem Weg in die Steinzeit begleitet.Adrian Blum - Redaktor