Wenn eine bestimmte Meinung zu einem Thema es geschafft hat, medial und politisch zum Mainstream zu avancieren, wird sie oft und rasch quasi religiös verbrämt und moralisierend aufgeladen. Eine sachliche Kritik und Diskussion wird weitgehend verunmöglicht. Wer sich erlaubt, die Hauptdogmen nur schon kritisch anzusehen, wird gleich in die Schmuddelecke der «Leugner» verbannt und so aus der «Debatte» ausgeschlossen.
Das gilt besonders für die aktuelle Energie- und Klimadebatte. Immerhin: Das Problem kennen etliche Ländern. Nur gibt es gerade in der Schweiz einiges zu hinterfragen und kritisch zu beleuchten – auch wenn niemand bestreitet, dass sich das Klima verändert.
Wir erinnern uns: Nur wenige Monate nach der Katastrophe von Fukushima im März 2011 legte die damalige Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), Doris Leuthard, einen ersten Entwurf zur Energiewende bzw. zur Energiestrategie 2050 vor. Sie betonte, es handle sich um ein marktwirtschaftliches Projekt, der Markt solle spielen.
Wer diesen etwas naiven Beteuerungen schon damals misstraute, hat recht erhalten. Aus der heutigen Sicht mutet Leuthards Behauptung wie ein schlechter Witz an. In dem vom Volk im Mai 2017 gutgeheissenen Energiegesetz dominieren Verbote, etwa von neuen Kernkraftwerken, Gebote und Subventionen. Die neuen erneuerbaren Energieträger, vor allem Sonne und Wind, werden mit Hunderten von Millionen Franken subventioniert – zulasten des Konsumenten. Von Markt keine Spur. Erst noch mit nur mässigem Erfolg: Die Photovoltaik steuert knapp 3% zur Stromerzeugung in der Schweiz bei, Windenergie weniger als 1%.
Subventionen verlängern
Das ist jedoch nicht das Ende der Geschichte – im Gegenteil. Nur gut zwei Jahre nach der Abstimmung über die Energiewende beginnt sich die Spirale der Interventionen erneut beschleunigt zu drehen. Der Bundesrat hat immerhin seine Absicht zur (seit Jahren vertändelten) vollständigen Öffnung des Strommarktes bestätigt – gegen den Willen der neuen Chefin des Uvek, der SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Gleichsam als Gegenleistung liess sie sich vom Bundesrat beauftragen, eine Revision des noch jungen Energiegesetzes auszuarbeiten. Dabei sollen unter anderem die Subventionen für erneuerbare Energien verlängert werden. Vor der Abstimmung zum Energiegesetz wurde von offizieller Seite stets beteuert, sie würden auslaufen. Der Konsument, der das Ganze dann auch zu berappen hat, kommt sich zu Recht verschaukelt vor.
Dabei ist es unerheblich, ob die Verlängerung der Subventionen vom Bundesrat oder über parlamentarische Vorstösse lanciert worden ist; ein Verstoss gegen Treu und Glauben ist das so oder so. Die schon so oft gemachte Erfahrung bestätigt sich: einmal festgeschriebene Subventionen haben ein enormes Beharrungsvermögen und können kaum mehr rückgängig gemacht werden.
Doch damit des Interventionismus nicht genug: Nachdem der Nationalrat vor Jahresfrist das CO2-Gesetz versenkt hatte, legte der Bundesrat rasch eine Neuauflage vor – unter der Ägide natürlich von Bundesrätin Sommaruga. Offizielle Zielsetzung: Die Schweiz hat bis 2050 einen CO2-Austoss von «netto null». Der Ständerat nahm den Entwurf auf und ging in etlichen Punkten gar noch weiter als der Bundesrat.
Der vom Ständerat verabschiedete Vorschlag ist ein regulatorischen Albtraum. Die Regulierungsdichte wird im Vergleich zum Energiegesetz noch deutlich erhöht. Ein Beispiel ist etwa die Flugticketabgabe zwischen 30 und 120 Fr. je Flug. Die Schweiz würde damit allein dastehen – und entsprechenden Umwegverkehr provozieren. Das dürfte nicht zu weniger, sondern eher zu mehr CO2-Ausstoss führen. Ganz abgesehen davon, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens Zürich leiden würde – und mit ihr diejenige der Schweizer Wirtschaft.
Mit Blick auf die im Dezember stattfindende Klimakonferenz in Madrid ist zudem zweifelhaft, ob die angestrebte Eindämmung des Flugverkehrs wirklich ernst gemeint ist. Es ist davon auszugehen, dass die grosse Mehrheit der deutlich über 20 000 (!) erwarteten Teilnehmer per Flugzeug anreist. «Flugscham» wird nur von anderen einverlangt, die Reise nach Madrid dient schliesslich einem moralisch überlegenen Zweck.
Weiter soll die CO2-Abgabe auf Brennstoffen im Sinne einer Lenkungsabgabe von 96 auf maximal 210 Fr. je Tonne erhöht werden. Ein Teil der Abgabe, sowie ein Teil auch der Ticketabgabe, soll in einen Klimafonds fliessen, der pro Jahr mit mehr als 1 Mrd. Fr. dotiert würde. Daraus sollen «klimafreundliche» Projekte subventioniert werden. Die vermeintlichen Lenkungsabgaben würden damit zu neuen Steuern.
Auch das Benzin soll um 10 bis später 12 Rp. je Liter verteuert werden. Zudem sollen Gebäudesanierungen weiter subventioniert und Ölheizungen faktisch verboten werden. Dabei wird ausgeblendet, dass die als Alternative geförderten Wärmepumpen grosse Stromverbraucher sind. Verschwiegen wird auch die resultierende Erhöhung der Wohnungsmieten.
Die Folgen dieser Gesetzesrevisionen sind gleich in mehrfacher Hinsicht fatal. Beide sind durchtränkt von einer bedenklichen Staatsgläubigkeit. Kumuliert führen sie im ganzen Energiebereich in die Planwirtschaft. Solche Staatsinterventionen haben erhebliche Marktverzerrungen und Ineffizienzen zur Folge. Das gilt etwa für die Stromproduktion wie für den alles andere als technologieneutralen Klimafonds.
Versorgungsengpässe absehbar
Zudem wird die Schweiz eher früher als später mit Versorgungsengpässen im Strom konfrontiert sein. Das bestätigt das Bundesamt für Energie (BfE) – wohl eher unfreiwillig – zumindest indirekt gleich selbst. Vor der Abstimmung über das Energiegesetz wurde optimistisches Potenziale für den Ausbau der Wasserkraft und der Windenergie eruiert. In neuen Studien hat das BfE das Potenzial nun, eher kleinlaut, in beiden Bereichen deutlich zurückgenommen – ohne dass neue Fakten hinzugekommen sind. Mit Blick auf die Abstimmung waren optimistische Einschätzungen eben nützlich.
Zudem wird Ende Jahr das Kernkraftwerk Mühleberg vom Netz genommen. Damit fallen rund 5% der schweizerischen Stromerzeugung weg. Sie werden über Importe aus deutschen Kohle- und französischen Kernkraftwerken gedeckt werden müssen. Das wird vorerst noch funktionieren. In Deutschland allerdings gehen bis 2022 die letzten Kernkraftwerke vom Netz, und der Ausstieg aus der Kohle wird vorbereitet. Deutschland sorgt sich schon heute darum, von wo Strom importiert werden könnte. Die Schweiz müsste dann hinten anstehen.
Auf die Konsumenten kommen enorme Kosten zu. Sechs Wochen vor der Abstimmung über das Energiegesetz hielt die damalige Bundesrätin Leuthard treuherzig fest, die Energiewende werde für einen vierköpfigen Haushalt pro Jahr 40 Fr. zusätzlich kosten. Eine schon damals lächerliche Zahl. Die wahren Kosten werden sich auf ein Vielfaches davon belaufen.
Als Rechtfertigung für die Folgen wird gerne darauf verwiesen, dass sich die Schweiz als sehr reiches Land das leisten könne und mit dem guten Beispiel vorangehen müsse. Man kann das so sehen und so wollen. Nur: In diesem Fall müssen zwei Dinge offen und ehrlich auf den Tisch gelegt werden. Zunächst muss eine Kostenabschätzung vorgenommen werden, die nicht dem Wunschtraum, sondern den Realitäten gehorcht. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass der Beitrag der Schweiz zum Klimaschutz trotz allem kaum messbar ist. Sie verantwortet ein Promille des weltweiten CO2-Ausstosses. Die Politik scheut sich vor dieser Offenheit. Kein Wunder angesichts des miserablen Kosten-Nutzen-Verhältnisses der von ihr vorgeschlagenen Massnahmen.
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Interventionsspirale dreht sich weiter
Die Energie- und Klimapolitik der Schweiz ist unehrlich und sehr teuer. Sie leistet keinen messbaren Beitrag zur Lösung des globalen Klimaproblems. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Peter Morf.