Japans Geldpolitik verliert an Einfluss
Haruhiko Kuroda, Gouverneur von Japans Notenbank, kann die Märkte von seinem Kurs nicht mehr überzeugen. Der Kuroda-Put ist ausser Kraft gesetzt.

Vor drei Jahren war der Optimismus noch gross, dass Regierungschef Shinzo Abe und Notenbank-Gouverneur Haruhiko Kuroda Japans Wirtschaft zu neuem Glanz verhelfen werden. Mit einer radikalen Geldschwemme, Konjunkturpaketen und strukturellen Reformen wollten sie die potenzielle Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft deutlich über den langfristigen Trend von 0,5% heben und die Deflation überwinden.
Zunächst konnten die Wertpapierkäufe der Bank of Japan (BoJ) von zuletzt 80 Bio. Yen jährlich (696 Mrd. Fr.) den Yen kräftig schwächen, die Inflation anheizen, die Gewinne der Firmen auf Rekordhöhe treiben und die Börsenkurse verdoppeln. Doch die Anfangserfolge schmelzen nun dahin. Das erhoffte Wachstum blieb seit 2014 aus, im 4. Quartal 2015 schrumpfte die Wirtschaft um 0,3%. Die Preise stagnieren, sodass die BoJ das Erreichen ihres Inflationsziels von 2% schon zum dritten Mal, nun auf Ende 2017, verschob.
Weniger Gewinne
Ein Grund für die schwache Konjunktur war die Erhöhung der Umsatzsteuer vom April 2013, die die Konsumlust der Japaner bis heute dämpft. Entscheidender war das Auslaufen des Wachstumswunders in China. Trotz billigem Yen blieb der erhoffte Exportboom aus. Der Höhepunkt bei den Firmengewinnen ist womöglich schon überschritten. Im vierten Quartal ging der Ertrag um 10% zurück.
Die Regierung will die Produktivität und die Zahl der Erwerbstätigen trotz Überalterung erhöhen. Dafür sollen mehr Frauen und Senioren beschäftigt und es soll stärker automatisiert werden. Doch das überzeugte die Unternehmen nicht von einer rosigen Zukunft des Heimatmarkts. Es fehlt der wirtschaftliche Optimismus, um der Deflation den Garaus zu machen.
Weder Verbraucher noch Firmen in Japan glauben derzeit an eine steigende Inflation und Wachstum wie zu alten Zeiten. Daher kommt der gewünschte Tugendkreis aus höheren Löhnen, steigendem Konsum und Investitionen trotz Arbeitskräftemangels in einigen Branchen nicht zustande. Die Erhöhung der Basislöhne in diesem Frühjahr fällt nur halb so hoch aus wie im Vorjahr. Bei Toyota steigen die Grundbezüge lediglich um 0,4%.
Entgegen ihrer bisherigen Überzeugung musste die Notenbank daher zum Instrument der Negativzinsen greifen. Zu diesem Schritt wurde sie durch die steigenden Strafzinsen der EZB und die abwartende Haltung des Fed gezwungen.
Überraschend wertete der Yen jedoch auf, Bankaktien kamen unter Druck. Die Inflationserwartungen sanken, am Bondmarkt rentiert der Grossteil der Staatsanleihen negativ. «Die Geldpolitik ist weitgehend ausgereizt», fasste Ökonom Joseph Stieglitz in Tokio die Lage unverblümt zusammen. Negativzinsen kurbelten das Wachstum nicht an, meinte der Nobelpreisträger, während die BoJ-Wertpapierkäufe die Ungleichheit vergrössert hätten. Zudem seien die Kapitalinvestitionen nicht gestiegen, beobachtet Stieglitz.
Negativzinsen schaden
Tatsächlich hat sich der Minuszins als kontraproduktiv entpuppt. Erstens schmälert er den Ertrag der japanischen Post. Die hat man erst im November günstig an die Börse gebracht, damit die Japaner mehr in Aktien investieren. Nun erlebten fast 2 Mio. private Post-Aktionäre, wie der Kurs unter den Ausgabepreis fiel. Zweitens verzichteten Gewerkschaften der Finanzfirmen wegen der Belastung durch die Strafzinsen auf Lohnforderungen. Das untergräbt den Inflationskurs.
Daher vertrauen ausländische Anleger, die 75% des Handels in japanischen Aktien ausmachen, nicht mehr auf den Kuroda-Put. Seine Geldpolitik garantiert nicht mehr, dass die Kurse steigen und der Yen fällt. Diese Doppelwette haben viele Investoren aufgelöst. Stattdessen setzt man auf eine Yenaufwertung. Eine Intervention am Devisenmarkt gilt als unwahrscheinlich. Japan ist im Mai Gastgeber der G-7-Gruppe der Industrieländer und will nach der Kritik an seiner Abwertungspolitik nicht als böser Bube dastehen.
Die Abkehr der Ausländer von Japan-Aktien lässt in Tokio die Alarmglocken läuten. Premier Abe will nun Ausgaben im neuen Haushalt (ab 1. April) vorziehen und die nächste Steuererhöhung verschieben ( vgl. Kasten unten ). Gouverneur Kuroda drohte, den Leitzins auf –0,5% zu senken. Neue geldpolitische Schritte werden von den Analysten daher bis spätestens vor der Oberhauswahl im Juli erwartet. Die Regierung stärkte bereits die Fraktion der «Reflationisten» im geldpolitischen Rat durch die Ernennung des Abenomics-Befürworters Makoto Sakurai. Das sichert Kuroda eine solide Mehrheit.
Aber die Erfolgsaussichten bleiben zweifelhaft. Der britische Ökonom Adair Turner drängt die BoJ daher zum Endspiel: Die Notenbank sollte die von ihr gehaltenen Staatsanleihen abschreiben und das Haushaltsdefizit der Regierung direkt finanzieren, um die Inflation anzukurbeln. Zu solch radikalen Schritten scheint Japan jedoch bisher nicht bereit.
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