Kaffee mit…
Ilya Gringolts, Violinist

Die Interpretation eines Musikstücks hat durchaus etwas mit Käse oder Wein gemeinsam, findet der bekannte Violinist Ilya Gringolts. «Um gut zu werden, muss beides eine gewisse Zeit lang reifen.» Klar, von einem technischen Standpunkt her gesehen. So sei es sicher nur eine Frage der Anzahl investierter Stunden, bis ein neues Stück gelernt ist. Doch für den 37-Jährigen braucht es bei der Auseinandersetzung mit einem neuen Musikstück auch immer ausreichend analytische Distanz, eine Art Vogelperspektive. Er übe Stücke daher meist zwei bis drei Monate im Voraus, erzählt Gringolts und bestellt sich einen Tee im Café «Vier Linden», während draussen ein typischer Zürcher Winterregen niederprasselt.
Welche Art von Musik reizt ihn denn besonders? «Mich interessieren als Interpret technisch anspruchsvolle Stücke», sagt Gringolts, der aus der russischen Stadt St. Petersburg stammt. Von Seiten des Interpreten wie des Komponisten gehört eine gewisse Liebe zum Risiko dazu und beide sind dazu bereit, sich nicht nur oberflächlich mit dem Instrument auseinanderzusetzen. Schwierige Akkorde und Doppelgriffe, bei denen zwei oder mehrere Töne gleichzeitig gespielt werden, hätten ihn schon als Kind fasziniert, sagt er. Ein gutes Musikstück lebt jedoch nicht nur von Geschwindigkeit und Technik allein. Es braucht gute Einfälle, die auf originelle Art miteinander verbunden werden – fast wie beim Kochen. Besonders spannend sei deshalb die zeitgenössische Musik. Für ihn als Musiker bringt das zudem den Vorteil, dass er sich direkt mit dem Komponisten austauschen und ihn nach seinen Ideen für die Interpretation fragen kann. Werke von Komponisten wie Johann Sebastian Bach oder Ludwig van Beethoven, die bereits unzählige Male eingespielt wurden, sind dagegen oftmals schwieriger in der Aneignung: «Da ist zu viel Gepäck dabei. Nicht immer solches, das gebraucht wird.»
Zur Interpretation gehört aber auch das passende Instrument. Gringolts spielt eine Stradivari als Leihgabe. Das Instrument hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Gebaut 1718 vom italienischen Geigenmeister Antonio Stradivari war das Instrument während langer Jahre in Russland. Nach der Revolution 1917 habe ihr Besitzer, ein Geschäftsmann, die Geige verkauft. Der neue Besitzer schmuggelte sie nach Deutschland, wo sie dann in den Fünfzigerjahren vom Vater des aktuellen Eigentümers gekauft wurde. Sie zu spielen sei für ihn ein grosser Genuss, sagt der Musiker. Was macht denn eine Stradivari derart unverkennbar? «Die gewisse Süsse im Klang.» Die Instrumente, die für mehrere Mio. $ gehandelt werden, seien daran sofort zu erkennen. Doch nicht nur die Geige, auch der Bogen hat seinen Preis, meint Gringolts. Die besten Cellobögen etwa würden bis zu einer halben Mio. $ kosten. Entscheidend dafür ist neben der Qualität des Holzes etwa der sogenannte Frosch. Damit wird das Verbindungsstück zwischen Bespannung und der Bogenstange bezeichnet.
Mit dem Geigenspielen hat Gringolts bereits mit fünf Jahren begonnen. Seine Eltern seien zwar keine professionellen Musiker, spielten jedoch beide ein Instrument. Musik sei zu Hause allgegenwärtig gewesen. «Wir waren umgeben davon», sagt Gringolts. Nach der Grundschule wechselte er im Alter von Siebzehn an die Juilliard School, einem Konservatorium in New York. Parallel dazu begann er, sich auf internationalen Konzertbühnen einen Namen zu machen und wurde unter anderem an einem internationalen Wettbewerb für Violinisten mit dem renommierten Paganini-Preis ausgezeichnet.
Regelmässig nimmt er neue Stücke auf, auch wenn der Verdienst seit dem Ende der Neunzigerjahre, als er seine Plattenkarriere begonnen hat, gesunken ist. Längst sind auch in der klassischen Musik Streamingplattformen wie Spotify oder Apple Music präsent. Gringolts findet solche Dienste eigentlich positiv. Sie bringen Bekanntheit, auch wenn die Frage der Monetarisierung noch längst nicht gelöst ist. Wovon lebt denn ein klassischer Musiker? Neben Konzerten oder einer Anstellung in einem Orchester bringt etwa die Lehrtätigkeit ein fixes Einkommen. Seit sechs Jahren unterrichtet Gringolts Violine an der Zürcher Hochschule für Künste.
Kann er Musik überhaupt noch zum Abschalten hören? Eigentlich nicht, meint Gringolts. Einzig in einem Flugzeug. Er fliege nicht gerne, Bach würde ihn dann beruhigen. Musikhören sei für ihn meist Weiterbildung oder Inspiration um zu hören, was es sonst noch alles gibt. Ansonsten gäbe es genügend Musik in seinem Alltag.
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