Kaffee mit...
Klaus Littmann, Künstler, Kurator und Kulturvermittler

Eine riesige Baumwurzel wird mitten in Basel in einen weissen Transporter geladen. Klaus Littmann streicht kurz mit der Hand über die ins Holz geschnitzten Figuren, wechselt einige Worte mit der Fahrerin des Lkw und überprüft, ob die Skulptur gut befestigt ist. Dann setzt er sich hinters Steuer seines eigenen Autos, um die Journalistin vom Kunstlager in der Nähe des Basler Bahnhofs zu seinem Atelier zu fahren.
Die Wurzel geht als Leihgabe ans Museum der Kulturen, obwohl sie thematisch auch in die von Littmann kuratierte Ausstellung «Tree Connections» gepasst hätte, die vom 11. Mai bis 11. Juli in Basel zu sehen ist. Anhand von unterschiedlichen Werken – vom Landschaftsmaler Christian Friedrich Gille über den Dadaisten Hans Arp bis zur Surrealistin Meret Oppenheim – wird die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Baum gezeigt.
Das durch die Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G ermöglichte Projekt ist zweiteilig und beginnt bereits am 27. April mit Littmanns eigenem Werk. Ab dann steht auf dem Basler Münsterplatz die «Arena für einen Baum». Aus der Vogelperspektive gleicht die Fichtenholzarena einem überdimensionierten, abgeholzten Baumstamm, mit geschwungenen Sitzreihen die an die Jahresringe eines Baumes erinnern. Nehmen die Besucher darauf Platz, können sich die mit dem Objekt in der Mitte auseinandersetzen: eine Parrotia Persica, ein Eisenholzbaum. «Für mich ist der Baum ein Zeitspeicher», sagt Littmann, der dieses Jahr seinen 70. Geburtstag feiert. Gleich darauf fügt er hinzu, es gehe nicht darum was er über die Installation denke, sondern was es in jedem Einzelnen auslöse.
Mittlerweile sind wir angekommen, in einem vier Meter hohen Raum in einer ehemaligen Färberei. Die grossen Fenster bieten beste Aussicht auf den Rheinhafen im Dreiländereck. Littmann bezeichnet sein Atelier als «chaotisch», auf die Besucherin wirkt es eher wie eine einladende Mischung aus Wohnzimmer, Galerie und Bibliothek: wenig Kunst an den Wänden, mehrere herumstehende Skulpturen und überall Bücher. Sie liegen auch auf dem langen Tisch, an den Littmann nun zum Kaffee bittet.
Während die «Arena für einen Baum» nach vier Wochen wieder verschwindet, soll der Baum selbst in Basel bleiben, sagt Littmann. Damit ist der Eisenholzbaum das Einzige, das bleibt von seinen vielen temporären Interventionen im öffentlichen Raum der Rheinstadt. Die erste führte er 2000 durch, beinahe im Zweijahrestakt folgten weitere. Littmann war einst Lehrer, später Galerist; ihm heute eine Berufsbezeichnung geben zu wollen ist schwierig. Was es wohl am besten trifft ist Vernetzer mit einem Talent dafür, andere zu begeistern und mitzureissen. Hat er sich auf eine seiner vielen Ideen festgelegt, dann organisiert er die Mitstreiter, ob das nun andere Künstler oder Ingenieure sind, treibt Materialien, wie riesige Stoffplanen, die über den Gassen Basels hängen sollen, oder tonnenweise Backsteine auf, besorgt die finanziellen Mittel und hat in der Zwischenzeit alle Zweifler überzeugt, die der Idee im Weg standen.
Littmann spricht mit dem ganzen Körper, lacht oft und beginnt kaum einen Satz mit «ich». Wenn er von Projekten erzählt, nennt er stets alle Beteiligten beim Namen – wer ihm das Bild gezeigt hat, das ihn dazu inspirierte, einen ganzen Wald in ein Fussballstadion zu pflanzen, wer die Fotos der Häuserfassaden schoss, auf denen er Werke diverser Künstler installierte, wer ihm dem Baumeister vorgestellt hat, der ihn ein Zimmer für einen Engel auf dem Basler Münster bauen liess.
Auch die Namen berühmter Mentoren wie Joseph Beuys und Weggefährten wie Jean Tinguely fallen nicht auf die Art und Weise, wie es Menschen tun, die nur reden, um klarzumachen mit wie vielen wichtigeren Personen als das momentane Gegenüber sie schon im Gespräch waren. So rechnet Littmann den eigenen Erfolg ausserhalb des kommerzialisierten Kunstbetriebs auch lieber dem Glück und dem Zufall als der eigenen Leistung an.
Zu dieser Einstellung passt auch seine Aussage, dass es an Eitelkeit grenze, im Nachhinein dem eigenen Leben einen roten Faden einweben zu wollen. Auch wenn er es nicht beabsichtigt hat, zieht sich ein Thema durch sein vielseitiges Werk: die Schärfung der Wahrnehmung. «Es geht uns doch allen so, wir nehmen die Dinge des Alltags kaum mehr richtig wahr», sagt Littmann. «Ein Eingriff via Kunst verändert das und löst etwas aus. Diese Erfahrung, das Alltägliche neu zu betrachten, will ich den Menschen mitgeben.» Ab nächster Woche tut er das wieder, mit einer Arena für einen Baum mitten in Basel.
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