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Stefan Schöbi, Leiter Migros-Pionierfonds

Einundzwanzig Schiffscontainer nur wenige Gehminuten vom Zürcher Hauptbahnhof entfernt. Was im Binnenland Schweiz klingt wie eine Anomalie oder eine Kunstinstallation, ist das Kernstück des «Kraftwerk». Dass Stefan Schöbi diesen Treffpunkt ausgesucht hat, passt gleich doppelt: Erstens, weil er als Leiter des Migros-Pionierfonds daran beteiligt war, dass aus der Trafostation an der Sihl ein Zentrum für branchen- und unternehmensübergreifende Innovation mit mietbaren Sitzungszimmern und Veranstaltungsräumen, einem Podcaststudio sowie einem Restaurant- und Barbetrieb geworden ist. Zweitens, weil auch der Migros-Pionierfonds ein Projekt ist, das in der Schweiz seinesgleichen sucht.
Nicht der wirtschaftliche, sondern der gesellschaftliche Nutzen eines Projekts steht dabei im Fokus der Förderung. Während das «Kraftwerk» mittlerweile finanziell auf eigenen Beinen steht, muss das nicht das zwingende Endziel eines Projekts sein. Zudem kann kein Antrag auf Unterstützung gestellt werden, das Projekt muss vom Pionierfonds entdeckt werden. Pro Jahr prüfen sie etwa 150 Ideen, von denen jeweils zehn bis fünfzehn weiterverfolgt werden und über drei bis fünf Jahre hinweg Unterstützung erhalten. «Das hat den Vorteil, dass wir Projekte bereits in der Ideenphase aufgreifen können, bevor sie spruchreif sind», erklärt Schöbi. Denn der Pionierfonds unterstützt nicht nur mit Geld, sondern auch dabei, die Grundidee stetig weiterzuentwickeln und die Vision zu schärfen. «In den wenigsten Fällen ist das Endprodukt noch genau das, was die Initianten ursprünglich vorhatten», führt Schöbi aus. «Die Umstände ändern und formen das Projekt.» Da gelte es, flexibel und offen zu sein, und nicht auf eine spezifische Route festgefahren zu sein.
Das trifft auch auf seinen eigenen Werdegang zu: «Als Geisteswissenschaftler habe ich gelernt, dass sich Umwege lohnen, weil man hinter die Dinge schauen und verstehen kann, wie sie funktionieren.» Bereits Schöbis Doktorarbeit trug Züge seiner heutigen Tätigkeit: Er befasste sich mit einem Pionier, der in mehr als einer Disziplin zu Hause war. Schöbi untersuchte die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Theaterstücks im Zürich des 16. Jahrhunderts, verfasst vom Chirurgen Jakob Ruf. Bis heute gehört die Verknüpfung verschiedener Fachbereiche zu dem, was dem 44-Jährigen besonders Freude an seiner Arbeit macht. «Früher habe ich in die Vergangenheit geschaut, um die Zusammenhänge zu verstehen, heute darf ich innovativen Menschen dabei helfen, unsere Zukunft mitzugestalten.»
Dank seinem MBA schlägt Schöbis Herz nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Wirtschaft. «Vorwärts machen ist heute meine Devise, denn Umwege kosten auch Zeit», sagt er. Und Zeit sei kostbar: «Wenn ich keine Lust habe, meinen Job zu erklären, sage ich einfach, dass ich für einen Supermarkt arbeite, dann hört die Fragerei schnell auf», sagt Schöbi lachend. Tatsächlich ist die Migros als grösster privater Arbeitgeber jedem Kind hierzulande ein Begriff, und viele kennen auch das Migros-Kulturprozent, das Gottlieb Duttweiler bereits 1957 initiierte und das seitdem soziale und kulturelle Projekte unterstützt. Das Kulturprozent wird von den Genossenschaften finanziert, also primär dem Detailhandel.
Der Pionierfonds hingegen erhält seine Mittel von den Dividenden der Aktiengesellschaften der Gruppe, also Migros Bank, Denner, Migrol-Tankstellen und Migrolino. Durchschnittlich kommen so jährlich 15 Mio. Fr. zusammen. «Der Pionierfonds schliesst eine Lücke im gesellschaftlichen Engagement der Migros», erklärt Schöbi, der 2013 bei der Migros einstieg, um ein neues Konzept der Förderung aufzubauen. Beim Start lag der Fokus auf dem Bereich Design. Wie die Projekte selbst hat sich aber auch der Pionierfonds gewandelt. Um heute gefördert zu werden muss ein Vorhaben Ziele im Bereich der kollaborativen Innovation, dem Spannungsfeld zwischen Technologie und Ethik oder für eine klimaneutrale Gesellschaft verfolgen.
Schöbis Begeisterung für die Mission des Pionierfonds und dessen Projekte ist ansteckend. So antwortet er auf die Frage, welches sein Lieblingsprojekt sei: «Alle, die wir bis jetzt unterstützt haben!» – nur um dann die Genese gleich mehrerer Projekte lebhaft zu beschreiben. Deshalb überrascht seine nächste Aussage: «Als ich vor den Job begann sagte ich mir: Nach 100 Mio. Fr. ist Schluss.» Diese Marke hat der Pionierfonds dieses Jahr geknackt, ein Meilenstein, der im Dezember mit der Publikation eines Handbuchs für Pionierinnen und Pioniere gefeiert wird. Darin wird anhand bereits realisierter Projekte detailliert ausgeführt, wie jeder selbst eine Vision in die Tat umsetzen kann. So kann das Wissen des Pionierfonds auch an Projekte weitergegeben werden, die nicht in den Genuss einer 1:1-Unterstützung kommen.
Ein schöner Schlusspunkt für Schöbi, der die Leitung des Pionierfonds an ein Mitglied des mittlerweile elfköpfigen Teams weitergeben wird. Doch er wird sich nicht vom Engagement der Migros verabschieden, im Gegenteil. Ab Januar wird er Chef des neuen Bereichs «Gesellschaft» des Migros-Engagements. Dazu gehören neben dem Pionierfonds und dem Bereich Soziales des Kulturprozents auch neue Initiativen, die die Migros etablieren will. «An gesellschaftlichen Herausforderungen fehlt es uns nicht», sagt Schöbi und fügt hinzu «Wir sollten vorwärts machen, die Zeit läuft uns sonst davon».
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