An der 21. UN-Klimakonferenz in Paris (COP 21) 2015 haben 195 Länder ein Rahmenabkommen zur Reduktion anthropogener Treibhausgase (THG) unterschrieben. Es sieht vor, dass jedes Land für die Emissionen von CO2 ein nationales Reduktionsziel bestimmt (Intended Nationally Determined Contribution (INDC)). Die Staaten verpflichteten sich, alle fünf Jahre (erstmals 2023) zu überprüfen, ob bzw. inwieweit sie die selbst gesetzten INDC erreicht haben.
Über einige kritische Punkte des Abkommens (Überprüfen und Weiterentwickeln der INDC, Sanktionen bei deren Nichteinhaltung) konnte in den auf COP 21 folgenden Verhandlungen keine Einigung erzielt werden. Absichtserklärungen ohne objektive Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten dürften zur Erreichung der angestrebten Reduktion der globalen CO2-Emissionen jedoch nicht ausreichen.
Die volkswirtschaftlichen Kosten zur Erreichung der INDC sind von Land zu Land unterschiedlich. Die Zurückhaltung einzelner Länder in Bezug auf die Höhe der INDC oder die Ablehnung bindender Mengenbeschränkungen für nationale CO2-Emissionen sind deshalb begreiflich. Die Energienachfrage für die von Entwicklungs- und Schwellenländern erhofften künftigen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten wird aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen und mangels Alternativen noch lange die Verbrennung fossiler Energieträger erfordern und zu weiter steigenden CO2-Emissionen führen.
Trittbrettfahrer-Effekte
Bei dem auf freiwillig gemachten Zusagen basierenden Abkommen ist mit Trittbrettfahrern zu rechnen. Ein Land kann von Massnahmen anderer Länder zur Reduktion der CO2-Emissionen profitieren, ohne sich in einem grösseren Ausmass an den Kosten zur Erreichung des globalen Ziels zu beteiligen (Allmendeproblem). Wenn nur einzelne Länder oder -gruppen Massnahmen zur Reduktion der Emissionen ergreifen (z.B. hohe CO2-Abgaben, Verbote bestimmter Emissionsverursacher), wandern CO2-Emittenten in Länder mit weniger einschneidenden Regulierungen ab (Carbon Leakage). Global werden die CO2-Emissionen dadurch nicht reduziert, sondern nur verlagert und womöglich erhöht.
Nach ihrer Rückkehr zum Abkommen haben die USA die Initiative ergriffen, um die offenen Fragen zur Überprüfung und Weiterentwicklung der INDC zu klären sowie Voraussetzungen für eine weltweite Kooperation in den Bemühungen zur Reduktion der anthropogenen CO2-Emissionen zu schaffen. In einer von den USA initiierten Konferenz haben sich dann viele Länder bzw. -gruppen zu einer verstärkten Reduktion der auf ihrem Territorium entstehenden anthropogenen CO2-Emissionen und teilweise zu einem Netto-Null-Ziel ab einem Jahr 20xx verpflichtet. Diese Zielsetzungen berücksichtigen jedoch die von diesen Ländern bzw. Ländergruppen im Rest der Welt verursachten CO2-Emissionen nach wie vor nicht.
Bis dato ist nicht geklärt, wie die erforderliche Zusammenarbeit bei den Massnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen weltweit koordiniert, überwacht und durchgesetzt werden kann. In absehbarer Zeit dürfte auch kein globales Emissionshandelssystem vereinbart oder eine globale CO2-Abgabe eingeführt werden. Es wird also Länder geben, die sich nicht zu spürbaren Beschränkungen ihrer CO2-Emissionen verpflichten, ihre INDC nicht einhalten, anhaltend CO2-intensiv produzieren und keine oder nur geringe CO2-Abgaben erheben. Die EU-Kommission beabsichtigt deshalb, Länder, die keine adäquaten Abgaben für CO2-Emissionen und/oder CO2-belastete Güter erheben, künftig mit Grenzausgleichsabgaben (CO2-Importsteuern) zu bestrafen. Die Belastung importierter Waren und Dienstleistungen mit Grenzausgleichsabgaben für die im exportierenden Land bei Rohstoffgewinnung, Energieumwandlung, Produktion und Transport entstandenen CO2-Emissionen wird mit dem Trittbrettfahrerproblem und dem Gesundheitsschutz in der EU begründet werden. Solche Massnahmen sind in den Statuten der Welthandelsorganisation zwar vorgesehen, eine unterschiedliche Behandlung von WTO-Mitgliedern verstösst jedoch gegen das Prinzip der Nicht-Diskriminierung und verletzt womöglich einige der von der EU abgeschlossenen Freihandelsabkommen.
Das Hauptproblem bei der Einführung von Grenzausgleichsabgaben ist das Fehlen detaillierter Informationen über die von den importierten Gütern ausserhalb der EU verursachten CO2-Emissionen. Die nationalen Abgabenbelastungen differieren von Land zu Land erheblich, einzelne Länder kennen bloss regionale oder lokale Abgaben, und die CO2-Emissionen werden in der Regel nicht vollständig erfasst. Trotzdem wollen auch die USA das Klimaschutzargument künftig verstärkt zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen einsetzen. Bisher haben sie aber nur angekündigt, dass Länder, die sich nicht oder ungenügend an der Reduktion der globalen CO2-Emissionen beteiligen, mit Nachteilen im Handel mit Waren und Dienstleistungen rechnen müssen. Bislang eingeräumte Handelsvorteile könnten z.B. aufgehoben und neue technische Handelshemmnisse errichtet werden.
Freihandel in Gefahr
Eine Beeinträchtigung der Exporte von Entwicklungs- und Schwellenländern durch Grenzausgleichsabgaben der importierenden EU-Länder berücksichtigt nicht, dass der Anstieg der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre vor allem auf die in der Vergangenheit von Industrieländern verursachten anthropogenen CO2-Emissionen zurückgeht. Eine mit Klimaschutz begründete Einschränkung der wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten von Entwicklungs- und Schwellenländern aufgrund ihrer gegenwärtigen CO2-Emissionen ist deshalb eine neue Form von Protektionismus, selbst wenn die EU und die USA einige dieser Länder mit finanziellen Mitteln und technischen Hilfen bei der Reduktion der CO2-Emissionen unterstützen.
Die EU und die USA versuchen offensichtlich, mit dem Klimaschutzargument Eingriffe in die globalen Handelsbeziehungen zu legitimieren und nehmen in Kauf, dass die in internationalen Abkommen vereinbarten regelbasierten Ordnungen (z.B. WTO) weiter erodieren. Mögliche Klagen aufgrund von Verstössen gegen die WTO-Regeln dürften aufgrund des immer noch blockierten WTO-Schiedsgerichts gegenwärtig wenig Erfolg versprechen. Die von Handelsbeeinträchtigungen Betroffenen werden deshalb zu Gegenreaktionen greifen müssen. Die wirtschaftshistorischen Erfahrungen belegen jedoch, dass Handelskriege letzten Endes allen Beteiligten schaden.
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Klimaschutz als neues Argument für Protektionismus
Die EU will Länder, die keine angemessenen CO2-Abgaben erheben, mit Importsteuern belegen. Auch die USA nehmen die weitere Erosion der Welthandelsregeln in Kauf. Ein Kommentar von Bernd Schips.