Konjunkturelle Folgen sind vermehrt in Europa zu spüren Die Inflationsangst nimmt etwas ab
Die Finanzmarktkrise zieht immer weitere Kreise.
Die Finanzmarktkrise zieht immer weitere Kreise. So sind die in Europa veröffentlichten Stimmungsindikatoren in der Industrie allesamt am unteren Ende der Erwartungen ausgefallen. Diese Entwicklung folgt dem seit längerem nur unterdurchschnittlichen Wachstum des privaten Konsums in diesen Volkwirtschaften. Es scheint, als ob die hohen Energiepreise und restriktivere Kreditkonditionen der Banken die Verbrauchernachfrage lähmen. Nicht zuletzt deshalb hat sich auch die Stimmung der Unternehmen in der Europäischen Union (EU) eingetrübt. - Noch fällt der Rückgang der Indikatoren moderat aus, aber die Geschichte lehrt, dass die Abschwächung des Wirtschaftswachstums auch in Europa oft viel schneller vonstattengeht, als viele Ökonomen voraussagen. In der Folge dürfte der Ruf nach einer aktiveren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) lauter werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die hohen Inflationsraten in Gesamteuropa es der EZB schwer machen, schon jetzt die Leitzinsen in der Eurozone zu senken. Auch diese Woche meldeten sich Vertreter der Zentralbank zu Wort und drängten auf die Notwendigkeit stabiler Inflationserwartungen. - Die Zinsen und die Anleihenrenditen in Europa sanken dennoch leicht über alle Laufzeiten hinweg. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Inflationszahlen für einmal unter den Erwartungen ausgefallen sind. Die Verbraucherpreise haben sich im April gemäss der Vorabschätzung der EU in der Eurozone 3,3% gegenüber dem Vorjahr erhöht (März: 3,6%). Auch wenn der jüngste Rückgang beispielsweise in Deutschland zu einem guten Teil auf Spezialfaktoren wie die Preise für Ausbildung zurückzuführen ist, liefern die Werte für die EZB doch mehr Spielraum in der Geldpolitik. - Im Gegensatz dazu sind die Wachstumszahlen aus den USA ein weiteres Mal besser ausgefallen, als von vielen Marktbeobachtern vorausgesagt worden war. Wohl hat die amerikanische Notenbank Fed den Zielsatz für Fed Funds auf nur noch 2% gesenkt und besteht am Immobilienmarkt die Schwäche fort. Trotzdem stellt sich das Wirtschaftswachstum besser als erwartet dar. So wurde auch im ersten Vierteljahr 2008 kein negatives Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) verzeichnet. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die USA eine Rezession – mindestens zwei Quartale in Folge mit negativen Quartalswachstumsraten – abwenden können. Was sich als Rezession anfühlt, erfüllt technisch die Anforderungen an eine Rezession nicht, lautet derzeit die Erkenntnis. - In der Folge bewerten die Anleihenmärkte weitere Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank als immer weniger wahrscheinlich. Die Zinsen in Europa und den Vereinigten Staaten bewegen sich tendenziell aufeinander zu (Konvergenz). Zudem wird das Wechselkursumfeld neu bewertet. Der Dollar profitiert von der Annahme, dass sich der Zinsvorteil Europas nicht mehr so schnell ausweitet wie bisher. Die Inflationängste, die in den Vorwochen das Geschehen an den Anleihenmärkten dominierten, sind zuletzt ein wenig in den Hintergrund getreten. - In diesem Sinne lassen sich ebenfalls die zuletzt veröffentlichten Wirtschaftszahlen aus Australien interpretieren. Wohl sind die Konsumentenpreise im März etwas höher ausgefallen, als Konjunkturexperten in Aussicht gestellt hatten. Dennoch rechnen nur wenige Marktteilnehmer mit einer Zinserhöhung der australischen Zentralbank nächsten Dienstag. Die vergangenen Zinsschritte dürften sich nachhaltig in einer Abschwächung der inländischen Nachfrage auswirken, ohne eine harte Landung der australischen Konjunktur herbeizuführen. Grössere Renditebewegungen in australischen Anleihen sind denn auch in nächster Zeit auszuschliessen. UBS Investment Bank, - Reto Huenerwadel und Claudia Obrist