Bereits zum dritten Mal binnen weniger Monate hält ein Politthriller die südafrikanische Wirtschaft, aber auch die internationalen Anleger am Kap in Atem. Der Grund für den jüngsten Aufruhr an den Finanzmärkten liegt in einer weiteren Eskalation des Machtkampfs zwischen dem weithin geschätzten Finanzminister Pravin Gordhan und seinen Gegnern im regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC), darunter aller Wahrscheinlichkeit nach auch Präsident Jacob Zuma.
Südafrikas Finanzminister ist vor allem den Kreisen im ANC ein Dorn im Auge, die seit längerem ungehinderten Zugriff auf die Staatskasse des Landes suchen und zu diesem Zweck vor allem staatliche Unternehmen wie etwa die Fluggesellschaft South African Airways (SAA) oder den Strommonopolisten Eskom mit eigenen Gefolgsleuten besetzen wollen – ein Vorhaben, dem sich Gordhan aus Sorge um die stark gestiegene Verschuldung, aber vor allem um die mögliche Herabstufung der Kreditwürdigkeit Südafrikas auf Ramschniveau vehement widersetzt.
Im Griff der «Habichte»
So hat der 67-Jährige weitere Finanzspritzen für die technisch bereits insolvente Fluggesellschaft SAA von einem neuen Aufsichtsrat abhängig gemacht. Das gegenwärtige Management wird von einer engen Vertrauten Zumas geführt, der Beobachter eine chaotische Unternehmensleitung und die Zerstörung des Carriers vorwerfen. Daneben möchte Zuma offenbar ein extrem teures Nuklearabkommen mit Russland durchsetzen, dem sich aus Sorge um die dann wohl endgültig ruinierten Staatsfinanzen bereits der im Dezember von Zuma geschasste Finanzminister Nhlanhla Nene widersetzt hatte. Nun droht Gordhan ein ähnliches Schicksal wie seinem Vorgänger.
Offenbar mit dem Ziel, den Finanzminister öffentlich zu diskreditieren und damit seine Entlassung vorzubereiten, ermittelt seit Längerem eine Zuma treu ergebene Spezialeinheit der Polizei – die sogenannten Hawks (Habichte) – bezüglich fragwürdiger Vorwürfe gegen Gordhan aus seiner Zeit als Chef der südafrikanischen Steuerbehörde. Angeblich soll Gordhan damals innerhalb der Behörde eine offiziell nicht genehmigte Abteilung aufgebaut haben, die nicht nur Steuersünder ins Visier nahm, sondern auch Politiker und womöglich sogar den von zahllosen Korruptionsvorwürfen gebeutelten Staatspräsidenten Zuma selbst.
Obwohl es bislang keinerlei Hinweise auf ein Fehlverhalten Gordhans gibt, dauern die Untersuchungen unvermindert an. Dieser Tage nun wurde Gordhan erstmals offiziell von den Hawks vorgeladen – ein Ansinnen, dem er wegen der dürftigen Beweislage sowie der nach seinem Empfinden politisch motivierten Hintergründe der Anklage auf Anraten seiner Anwälte jedoch nicht nachkam.
Der Finanzminister als Seismograph
Meldungen über eine bevorstehende Verhaftung Gordhans, wie sie jetzt auch wieder in Zusammenhang mit der polizeilichen Vorladung zirkulieren, waren schon im Mai aufgetaucht, aber damals von der Regierung dementiert worden. Angeblich sollte Gordhan nun von den Ermittlern Dokumente erhalten, die ihn über seine Rechte im Fall einer Anklage informiert hätten. Zuma sagte dazu nur, er habe keine Befugnisse, die Ermittlungen der Polizei gegen seinen Minister zu stoppen.
Wie zuvor schon im Dezember und im Mai reagierten die Finanzmärkte auf die womöglich bevorstehende Abberufung eines kompetenten Finanzministers postwendend: Der Rand verlor an Wert, an der Johannesburger Börse stürzten vor allem Bankaktien ab. Auch Staatsanleihen gerieten wie schon zu Jahresende unter Druck.
Das Finanzministerium und vor allem sein Amtsinhaber sind ein verlässlicher Seismograph für das Vertrauen der Anleger in das Land. Mit welchen Argusaugen der Posten und sein Amtsinhaber beobachtet werden, zeigt die extreme Unruhe, für die Zuma bereits Ende Dezember mit einer krassen personellen Fehlentscheidung gesorgt hatte. Damals hatte er Finanzminister Nhlanhla Nene durch den Hinterbänkler David van Rooyen, einen wirtschaftlichen Nobody und treu ergebenen Anhänger des Präsidenten, ersetzt.
Abberufung wäre fatal
Die Kurse an der Johannesburger Börse waren daraufhin unter Druck gekommen und der Rand auf ein Allzeittief gegenüber allen grossen Währungen gerauscht. Erst als Zuma auf Druck der Wirtschaft und einflussreicher ANC-Kreise van Rooyen drei Tage später abberief und durch Gordhan ersetzte, beruhigten sich die Märkte. Nun droht bei Gordhans möglicher Abberufung eine Neuauflage der Unruhe von damals oder sogar Schlimmeres.
Kein Geringerer als Südafrikas früherer Finanzminister Trevor Manuel, der die Staatsfinanzen zwischen 1996 und 2009 saniert hatte, warnte zuletzt jedenfalls nachdrücklich vor den katastrophalen Folgen einer Verhaftung oder auch nur einer Ablösung Gordhans.
Vieles deutet darauf hin, dass Zuma die Macht unter allen Umständen behalten will – und dabei nun aufs Ganze geht. Statt seine zerrissene Partei nach der schwachen Kommunalwahl zu einen, schauen er und seine Verbündeten allein nach ihren wirtschaftlichen Interessen und sehen Gordhan dabei als grösstes Hindernis. Dabei riskiert Zuma wissentlich eine brutale Bestrafung Südafrikas durch die Märkte – und den totalen Vertrauensverlust für das Land und seine Wirtschaft.
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Machtkampf in Südafrika belastet die Wirtschaft
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