Die deutsche Kanzlerin zeigt Rückgrat: Schier bedingungslose, unbegrenzte Haftung der Bundesrepublik für die Schuldenwirtschaft lehnt sie unmissverständlich ab. Endlich ein klares Wort von einer Politikerin, deren verbale und politische Wendungen sonst gemeinhin Zweifel daran wecken, ob sie überhaupt Überzeugungen hat.
Eine Leitlinie hat sie bestimmt, den unbedingten Willen zur Wiederwahl. Offenkundig hat sie erkannt, dass das deutsche Volk wahrscheinlich in seiner grossen Mehrheit keinen Blankoscheck für «mehr Europa» (übrigens ein heisser Kandidat für das Unwort des Jahres, sofern auch eine Wortverbindung zulässig ist) ausstellen will. Zudem zeigen die obersten Richter die gelbe Karte, denn «mehr Europa», so erkennen sie mit Grund, hiesse weniger Bundestag, also weniger Demokratie.
Es fällt auf, dass in Deutschland das gewöhnlich eigenartig verpönte Instrument der Volksabstimmung nunmehr salonfähig zu werden scheint. Häufiger als seit Menschengedenken ist vom Schlussartikel 146 des Grundgesetzes die Rede: Sollte «Europa» mehr Kompetenzen erhalten, so müsste das Volk dazu Ja sagen. Vielleicht sagt es gegebenenfalls Nein. In diesem Zusammenhang wäre ein Schweizer Referendum über Milliardengarantien an Griechenland & Co. nur insoweit wettbürotauglich, als Einsätze auf die Höhe der Ablehnung geleistet werden könnten.
Zwar sind die lauter werdenden Bedenken deutscher Politiker, nicht nur Merkels, in der Regel von den üblichen Glaubensbekenntnissen («überzeugter Europäer») umrankt, die Verbeugung vor dem Staatszweck («sozial», «gerecht», gar «sozial gerecht») muss nun auch der sonderbare Freiheitsfreund Joachim Gauck leisten, doch ist jetzt immerhin eine Prise Skepsis gestattet. Das bringt Merkels Union Stimmen und die Opposition in eine schwierige Lage, namentlich die Sozialdemokratie: Sie muss irgendwie gegen Merkel sein, kann aber nicht ohne Risiko für deutsche Grosszügigkeit einstehen. Mit Orientierung an François Hollande wird sie jedenfalls keine Bundestagswahl gewinnen. Im September 2013 wird gewählt.
All das belegt übrigens auch, dass es keine gemeinsame europäische Innenpolitik gibt, nur nationale, die auf Impulse von ausserhalb mehr oder weniger anspricht. Hollande macht schliesslich auch keine europäische Politik, höchstens verwechselt er gerne – in der Tradition der französischen Diplomatie – Europas Interessen mit den französischen.
Damit sind die selbstverschuldeten Europrobleme nicht gelöst. Aber vielleicht tut Angela Merkel etwas für die Demokratie, wenn nicht in ganz Europa, so doch in einem Land. Die Freie Universität Berlin hat Schüler befragt und herausgefunden, dass rund 40% kaum Unterschiede sehen zwischen dem NS-Reich, der DDR und der Bundesrepublik – diese halten nur 60% für eine Demokratie. Volksabstimmungen wären reinste Aufklärung.
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Merkels Nein zu Eurobonds als Ja zur Demokratie
Die deutsche Kanzlerin weiss, dass Blankoschecks für die EU im Volk keine Mehrheit fänden. Ein Kommentar von Manfred Rösch.