Missbrauch
Ab und zu ziehen die bürgerlichen Parteien im Nationalrat am selben Strick und erst noch in dieselbe Richtung.
Ab und zu ziehen die bürgerlichen Parteien im Nationalrat am selben Strick und erst noch in dieselbe Richtung. So geschehen in der Debatte um die Volksinitiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse»: Der Rat hat sie wuchtig zur Ablehnung empfohlen. Der Vorstoss will in der Grundversicherung mit einer Einheitskasse ein neues Bundesmonopol schaffen. Gleichzeitig sollen die Prämien künftig «nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten» festgelegt werden. Man erinnert sich: Ziemlich genau vor drei Jahren hat das Volk die «Gesundheitsinitiative» der SP, die nahezu dieselben Ziele verfolgte, mit fast drei Viertel Nein-Stimmen bachab geschickt. Nur wenige Tage nach dem Debakel haben linke Kreise aus der Westschweiz sowie die Grünen aus Frust über die deutliche Niederlage trotzig die nun vorliegende Initiative lanciert – das grenzt an einen Missbrauch der direktdemokratischen Rechte und wirft Fragen zum dahinter stehenden Demokratieverständnis auf. Die SP, die das Anliegen inzwischen zu dem ihren gemacht hat, ist erst später aufgesprungen. - Die Initiative würde die – gewiss nicht gemütlichen – Zustände im schweizerischen Gesundheitswesen verschlimmern statt verbessern. Mit einer monopolistischen Staatskasse würde der letzte Sparanreiz entfallen, die Kosten würden ungebremst nach oben getrieben. Die Finanzierung nach Massgabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Einzelnen käme der Einführung einer Reichtumssteuer gleich – der zweiten nach der direkten Bundessteuer! Gemäss ersten Berechnungen würde selbst der Mittelstand, der gemäss den Initianten entlastet werden sollte, stärker zur Kasse gebeten als bisher. Keine Gedanken verschwendet haben die Initianten an die Lösung der Frage, wie und mit welchen Folgen die bestehenden rund 90 Kassen, die die Grundversicherung anbieten, zu enteignen wären. - Die Kosten des Gesundheitswesens werden weiter steigen. Angesichts des medizinischen Fortschritts und der Alterung der Bevölkerung kann es nur darum gehen, das Kostenwachstum zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es nicht weniger, sondern mehr Wettbewerb und marktwirtschaftliche Anreize. Ein Schritt in diese Richtung wäre etwa die Lockerung des Vertragszwangs für Ärzte. Der Initiative ist an der Urne ein ebenso wuchtiges Nein zu wünschen wie ihrer Vorgängervorlage.Peter Morf, Redaktor